Dirk Maxeiner / 03.05.2020 / 06:14 / Foto: Pixabay / 45 / Seite ausdrucken

Der Sonntagsfahrer: Im Land der geistigen Ruinen

Ich mag Ruinen, neudeutsch auch „Lost Places“ genannt. Als Kind kletterte ich gerne in verlassenen und zerstörten Kriegs-Hinterlassenschaften herum, trotz strikten Verbotes. Im Westen wurden die Gemäuer dann nach und nach abgerissen oder wegsaniert. Im Osten hielten sie sich länger. Viele davon wurden sogar bewohnt, allerdings nicht freiwillig. Ruinen laden zum Schaudern ein, aber auch zum Träumen.

Erst kürzlich stolperte ich mit dem Achgut.com-Kollegen Gunter Weißgerber durch ein Brennessel-Dickicht in der Gegend von Leipzig, bis wir schließlich vor Schloss Thierbach standen. Kein Dach mehr, zugemauerte Fenster, das Eingangsportal zugewuchert. Ich träume dann immer davon, so etwas wachzuküssen. Ein neugotisches Schloss von 1888 würde ziemlich gut zu mir passen – meinte sogar Sabine. Ich glaubte allerdings, einen leicht ironischen Unterton heraus zu hören.

Nun gibt es mittlerweile auch eine Reihe neuzeitlicher Ruinen. Beispielsweise den BER. Auch in manchen Mittelmeerländern wird die Landschaft von Hinterlassenschaften gescheiterter Bauherren verschandelt. Beton-Ruinen, aus denen rostige Eisenstreben ragen. Das sollten meist Hotels oder Wohnanlagen werden. Niemand erbarmt sich und reißt sie ab. Sie dösen in Hässlichkeit vor sich hin, oft jahrzehntelang. In Deutschland gibt es solche einstürzenden Neubauten bislang nicht so häufig, wenn man mal von 40.000 maroden Autobahnbrücken und von abgeschalteten Atomkraftwerken absieht. Künftig könnten auch Industrieareale in Wolfsburg oder Stuttgart-Sindelfingen zum Abenteuer-Spielplatz für unsere Kinder werden, so wie die alten Lokschuppen und Drehscheiben auf den Bahngeländen für meine Generation.

Die mentale Landschaft dieses Landes

Hier soll aber noch von einer ganz anderen Art von Ruinen die Rede sein. Denn die mentale Landschaft dieses Landes steht voller geistiger Ruinen, die einmal grandios konstruiert, aber dann fluchtartig verlassen wurden. Physische Ruinen sind fast immer die Folge von geistigen Ruinen.

Die Intervalle, in denen diese Ruinen im Kopf produziert werden, geraten sogar immer kürzer. Zur Meisterschaft hat es beispielsweise Ursula von der Leyen gebracht, die die Bundeswehr als Ruine hinterließ und dann als EU-Komissionspräsidentin innerhalb von wenigen Wochen erst einen "Green Deal" der EU ausrief, ihn still begrub und einen "White Deal" zur Bekämpfung von Corona ankündigte. Uschi, The Queen of Ruinen-Hopping, reißt die Barren reihenweise und stürmt zum nächsten Oxer, als sei sie mit dem falschen Gaul beim CHIO-Reitturnier in Aachen.

Ein nettes Beispiel für eine Idee auf dem Weg zur geistige Ruine ist auch die sogenannte Energiewende, die gerade 20 Jahre alt wurde. Das Luftschloss war als finales grünes Paradies geplant, aber jetzt steht es als teures und sinnloses Monument in der Gegend herum, so ähnlich wie die monströse Basilika von Yamoussoukro, die – höher als der Petersdom – ein durchgeknallter Despot an der Elfenbeinküste errichtete. Auch der Energiewende gehen allmählich die Gläubigen aus, teuer und vollkommen sinnlos. Sie wird als Hinterlassenschaft einer merkwürdigen Sekte von der Realität überwuchert werden. Und damit keiner auf die Idee kommt, das Desaster aufzuarbeiten, folgen jetzt die Verkehrs- und die Agrarwende. 

Dieses Prinzip gilt übrigens auch für verwandte geistige Ruinen, etwa die vom Ende vieler Rohstoffe und der Erdölvorräte, die 1973 unseren Verkehr zum Stillstand brachte, und danach vom Club of Rome als "Grenzen des Wachstums" errichtet wurde. Doch auch auf diese Übertreibungen folgte keine sachliche Debatte, sondern betretenes Schweigen. Das Theater von den Grenzen des Wachstums schien plötzlich alle zu langweilen. Sie verließen es, wie ein mediterraner Bauherr sein halbfertiges Haus am Strand. Bloß nicht drüber reden. 

Stattdessen legte man sie auf Wiedervorlage für Anton Hofreiter und Katrin Göring-Eckardt und errichtete in schneller Folge weitere Glaubensgebäude: das Waldsterben, den Rinderwahnsinn, den Müll-Notstand – um nur einige zu nennen. Wer zum Höhepunkt der jeweiligen Hysterie behauptete, es werde wohl nicht so schlimm kommen, galt als Naivling oder als bezahlter Agent finsterer Mächte. Keines der großen Angst-Themen wurde je aufgeklärt und abgeschlossen. Die Deutschen verloren einfach das Interesse daran. Mittlerweile gibt es auf dem Acker der Weltverbesserung ganze Ruinenfelder, die einfach vor sich hin gammeln. Lost Places der Gemütspolitik mit einem Bauzaun aus Gesinnungethik darum herum.

Die Herrschaften gehen eine Zeit lang in Deckung

Wir wohnen deshalb nach wie vor einem Wettbewerb um die grellste Ankündigung des Weltuntergangs bei. Stein für Stein werden auf diesem uralten und wackeligen Fundament neue Hochhäuser errichtet, garantiert ohne Hinzuziehung eines Statikers. Politiker machen mit ihnen Karriere oder müssen zurücktreten. Ist der Spuk vorüber, will niemand mehr daran erinnert werden.

Aktuell trifft dies auf die Erzählung vom Massensterben durch Dieselabgase zu, weil die Luft in unseren Städten, wie sich gerade herausstellt, mit Autos offenbar von ähnlicher Qualität ist wie ohne Autos. Wird da jetzt mal Bilanz gezogen? Nachgefragt, wie das passieren konnte? Kann es das geben, dass ein Land seine erfolgreichste Motorentechnologie einfach aufgrund eines Gerüchtes killt? Werden ein paar Verantwortliche benannt und gegrillt? Nein. Nix passiert. Die Herrschaften gehen eine Zeit lang in Deckung und produzieren die nächste einsturzgefährdete Ruine. 

Ein ähnliches Schicksal wie der Stickoxid-Ruine wird irgendwann auch dem Turmbau von der Klimakatastrophe widerfahren. Auch die Corona-Geisterbahn wird in nicht allzu ferner Zukunft einsam verfallen wie der Dom von Yamoussoukro. Die Frage, wie der Wahnsinn um sich greifen konnte – und das ist die schlechte Nachricht – wird in der Regel allerdings erst gestellt, wenn die Verantwortlichen zuverlässig tot sind.

Für Historiker hinterlassen die geistigen Ruinen stets auch physische Bauwerke, an denen sich der Irrsinn materialisiert und die künftigen Generationen als Mahnung dienen können. Heute üben sich Kletterer an den Kühltürmen des aus Glaubensgründen verschrotteten Brüters in Kalkar, morgen werden Windrad-Friedhöfe an die skurrile Epoche des Merkelismus erinnern. So ähnlich wie die Panzersperren in der Normandie werden sie davon erzählen, wie schwer es dem Menschen fällt, sich rechtzeitig von einem Irrweg zu verabschieden. 

 

Von Dirk Maxeiner ist in der Achgut-Edition erschienen: „Hilfe, mein Hund überholt mich rechts. Bekenntnisse eines Sonntagsfahrers.“ Ideal für Schwarze, Weiße, Rote, Grüne, Gelbe, Blaue, sämtliche Geschlechtsidentitäten sowie Hundebesitzer und Katzenliebhaber, als Zündkerze für jeden Anlass(er). Portofrei zu beziehen hier.

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Leserpost

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Arnold Warner / 03.05.2020

Ich fürchte, die größte aller Ruinen wird in absehbarer Zeit die bundesdeutsche Demokratie sein. Die Abrissbirnen sind längst im Einsatz.

Rainer Hanisch / 03.05.2020

“Auferstanden aus Ruinen” hieß es in der DDR-Hymne. Das war nach dem Kriegsende wohl dringend notwendig, da es überall genug materielle Ruinen (und auch geistige, die der Kriegsüberlebenden), die beseitigt werden mussten. Und die Zukunftsaussichten waren eigentlich auch andere. Einen Schuldigen für das Chaos gab es: Adolf Nazi und sein Gefolge; wurde nach 1945 auch offen benannt. Und dient heute noch zur Abschreckung. Mit ausgeklügelten Methoden wurde “das Volk” für deren Ziele eingespannt. Für die Ruinen, geistige wie materielle, gibt es auch heute Schuldige! Nur werden die, da noch lebend, laut fragwürdiger Umfrageergebnisse, hochgejubelt. Wie weiland der “Gröfaz”, selbst als Deutschland schon an mehreren Ecken brannte. Genau so dämlich ist “das Volk” immer noch, dass es blindlings irgendwelchen ideologischen Phantasien hinterherrennt. Ohne sich im geringsten zu fragen, ob der Quatsch überhaupt einen (positiven!) Sinn hat. Naja, das Auferstehen werden die Deutschen wohl noch einige Male praktizieren müssen, ihrer Gutgläubigkeit sei’s gedankt. Ich fürchte nur, dass irgendwann mal ein Punkt erreicht wird, an dem es zwar ausreichend Ruinen gibt, aber niemand mehr da ist, der wieder aufbaut! Mal “vom Ende her gedacht”.

beat schaller / 03.05.2020

@HaJo Wolf./Frances Johnson Dem schliesse ich mich an. Danke. b.schaller

G. Kramler / 03.05.2020

Die Ruinen werden deshalb gebaut, weil ihre Erbauer vom Bauen an sich profitieren. Je grösser und schöner die Versprechen, desto höher der Preis. Und je länger und teurer der Bau, desto höher der Profit. Das Ergebnis soll dann niemanden mehr interessieren…

Robert Krauthausen / 03.05.2020

Lieber Herr Maxeiner, finden Sie nicht auch, dass es Zeit wird, dass Sie ein detailreiches Sachbuch über den Corona-Wahn schreiben?

herbert binder / 03.05.2020

Sich irren, loslassen, neu beginnen. Immer versucht, immer gescheitert. Einerlei. Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern. [Hat irgendwas mit Samuel Beckett zu tun]

Frank Holdergrün / 03.05.2020

“Turmbau der Klimakatastrophe, Corona-Geisterbahn” - treffende Vergleiche. Den Einlass zur Geisterbahn am Turmbau regelt Herr Precht, der an der Verbindung zwischen Corona und Klima schon fleißig strickt. Dieses Gesicht kehrt bei mir regelmäßig in meinen Alpträumen wieder, der Vorspann zu seiner ZDF-Sendung ist bereits die Hölle, die Gespräch reinste Folter. “Frisst der Kapitalismus die Demokratie” mit Robert Habeck, meine Lieblingssendung perfekter Angst- und Sozialismusindoktrination. Wenn Philosophen und Kinderbuchautoren einen Staat auszehren ist das so ähnlich, wie wenn ein Science Fiction Autor eine Religion gründet. “Let’s clear the world.”

Frank-Michael Goldmann, Dänemark / 03.05.2020

“Im Land der geistigen Ruinen”. Ja und? Heisst es für das Volk eben wieder:  Auferstehen aus Ruinen. Ist für die Deutschen inzwischen Routine. Bleibts gsund!

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