Dirk Maxeiner / 20.10.2019 / 06:25 / Foto: Pixabay / 27 / Seite ausdrucken

Der Sonntagsfahrer: Die Eidechsen-Therapie

Der alte Volvo hat uns brav bis nach Istrien gefahren. Eine neue Reiseerfahrung stellte sich gleich nach unserer Ankunft ein. Je weiter man von Deutschland entfernt ist, desto besser wird das Internet. Weil die Sonne scheint, haben wir uns einen einsamen Felsen am Meer bei Poreč gesucht, und das Mobiltelefon meldete sogleich, dass ein kostenloser Internet-Zugang vorhanden ist. Wir teilen uns die Latifundie lediglich mit ein paar wärmeliebenden Eidechsen. Laut Wikipedia sind das ebenfalls schlanke, agile Wesen, die sonnenwarme, vorwiegend trockene Lebensräume bevorzugen. Trotz des guten Netzanschlusses haben sie noch nie etwas von Extinction Rebellion gehört und denken seit über zweihundert Millionen Jahren nicht daran auszusterben. Das ist lediglich den Dinosauriern gelungen, der protzigen Verwandtschaft – und zwar ohne menschliches Zutun, wir waren noch nicht erfunden. Andernfalls hätte es sicherlich eine Promi-Aktion mit Eckart von Hirschhausen zur Rettung des T-Rex gegeben.

Eidechsen können also nicht irren, weshalb ich meinen Lebensstil sofort dem erdgeschichtlich offenbar erfolgreichen Verhalten dieser Wesen angepasst habe. Zunächst einmal rede ich nix, praktiziere also angewandten Umweltschutz. Und ich lese auch nix, befinde mich also in einem ARD- und ZDF-freien Zustand der Glückseligkeit. 

In jedem von uns steckt übrigens ein kleines Reptil. Das liegt am ältesten und am tiefsten liegenden Teil unseres Gehirns, dem sogenannten Reptiliengehirn. Seine Ursprünge lassen sich mühelos bis zum T-Rex zurück verfolgen. Es fungiert als Kontrollzentrum unbewusster, roboterähnlicher Programme, die aufs Überleben ausgerichtet sind. Wenn hinter uns plötzlich ein schwarzer Schatten auftaucht, dann ducken wir uns instinktiv, und überlegen nicht erst, ob es sich um die Ehefrau oder einen Tiger handelt. Ganz gut beobachten lässt es sich auch bei Rasern auf der Autobahn. Mit zunehmender Geschwindigkeit verlieren die jüngeren, größeren und zur Differenzierung geeigneten Teile des Gehirns an Einfluss. Es herrscht der schiere Jagdreflex. Alles andere wird ausgeblendet, beispielsweise Verkehrsschilder.

Der Blick verengt sich, es gibt kein Abwägen mehr

Ich bin seit einiger Zeit überzeugt, dass es genau wie ein kollektives Gedächtnis auch ein kollektives Reptilien-Gehirn gibt. Das würde heißen, dass eine Gesellschaft in bestimmten Situationen ebenfalls von intuitiven Reflexen geleitet wird. Besonders unter Stress oder Angst. Der Blick verengt sich, es gibt kein Abwägen mehr, nur noch schwarz und weiß, Freund und Feind. Die aus heiterem Himmel ausgerufene "Klimakrise" lässt sich so ganz gut erklären. 

Das Abwägen verschiedener Risiken gegeneinander zählt nicht zu den Stärken von Reptilien. Zögern war in grauer Urzeit meist tödlich, weil es zu lange dauerte. Doch inzwischen hat der Mensch ein großes vorgelagertes Primatenhirn, das ihm beim differenzierten Betrachten hilft. Doch leider wird das unter Stress abgeschaltet.

Um dennoch zu höherer Erkenntnis zu gelangen, habe ich mich auf meinem Felsen in eine stabile Rückenlage begeben und tue etwas, was die Eidechsen nicht so gut können, ich schaue den Wolken zu. Die wunderschönen Wasserdampf-Gebilde tun nämlich ebenfalls das, was sie seit Millionen Jahren tun: Sie sind ziemlich unberechenbar und regeln die Temperatur. Beispielsweise, wenn sie sich vor die Sonne schieben. Von jetzt auf gleich wird das Zweigradziel schon mal locker nach oben oder unten übertroffen, doch der alte Klimaforscher in mir hat eine ganz einfache Anpassungsstrategie entwickelt. Temperatur runter: Pullover an. Temperatur rauf: Pullover aus. Da habe ich einen echten Vorteil gegenüber den wechselwarmen Eidechsen. Vielleicht kann jemand zuhause das mal den künftigen Generationen erklären, dann müssen die keine Panik schieben. 

Ihr Kinderlein, bleibt doch mal ganz locker, echt jetzt. 1913 sollen im Tal des Todes in Kalifornien rekordverdächtige 56,7 Grad gemessen worden sein. Am nördlichen Ausgang des Death Valley in Stovepipe Wells gibt’s ein Motel mit einem Swimmingpool über dem ein großes Thermometer thront. Darunter lassen sich die Touristen fotografieren – im Angesicht des Todes. Pullover aus, Badehose an, ist kein Weltuntergang und geht ganz locker. Hab es selbst schon ausprobiert, ich schwör. Erstaunlicherweise lebten hier auch vor der Erfindung der Klimaanlage schon Menschen, denn Indianer siedelten in der feindlichen Umgebung. Und heute, man höre und staune, veranstalten sie einen Marathonlauf durch das Tal des Todes. Obwohl im Jahr gerade mal 40 mm Niederschlag fallen, haben sich 400 Tier- und 900 Pflanzenarten den Verhältnissen angepasst – ich sage nur: Eidechsen.

Innerhalb einer Temperaturspanne von 127,9 Grad ganz fidel

Die Anpassungsfähigkeit der menschlichen Spezies lässt sich übrigens auch in Oimjakon besichtigen, gleichsam dem Gegenpol zu Death Valley. Das Bauerndorf in Jakutien im Nordosten Sibiriens nennt sich „kältestes Dorf der Welt“, warum mich da nix hinzieht. Andere aber schon: Am Ortseingang ragt fünf Meter hoch ein Denkmal in den Himmel. „Oimjakon, Polus Choloda“, Pol der Kälte, steht in kyrillischen Buchstaben zuoberst darauf, und es folgt der Hinweis „minus 71,2 Grad“. Die Weltrekordmarke stammt aus dem Jahre 1926. Die ist zwar umstritten, weil es damals im Ort noch gar keine Wetterstation gab. Dennoch: Acht Monate dauert hier der Winter und im Januar liegt die Durchschnittstemperatur trotz Klimawandels bei 50 Grad minus. Jetzt soll – Death Valley lässt grüßen – der Kältetourismus den 800 Einwohnern ein wenig mehr Wohlstand bringen. 

Wenn ich das in meiner unendlichen Urlaubsträgheit jetzt richtig berechne, lebt der Mensch also innerhalb einer Temperaturspanne von 127,9 Grad ganz fidel vor sich hin. Frei nach Neil Armstrong möchte ich daher behaupten: Diese Einsicht ist ein kleiner Schritt auf meinem Felsen, wäre aber ein Riesensprung für den deutschen Mathematik-Unterricht. Ich liege deshalb sehr entspannt auf meinem istrischen Privatausguck und hege den Gedanken, eine trotzige Achgut.com-Flagge zu hissen. Ab und zu klingt das Läuten vom Turm der alten Basilika wie zur Bestätigung herüber, die hat nun auch schon über 1.400 Jahre und etliche Weltuntergangs-Prophezeiungen auf der Uhr, steht aber oberhalb des Meeresspiegels wie eh und je. 
 

Foto: Pixabay

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Hjalmar Kreutzer / 20.10.2019

Dann scheinen ja die Verschwörungstheorien zu stimmen: wir werden von Reptiloiden gelenkt und der zweite Teil von Iron Sky ist eine Doku! Ach was, ich wünsche allen Teilnehmenden der Robbentherapie einen schönen Sonntag auf Ihrer persönlichen Sandbank, gern auch der aus dem Möbelhaus!

Ilona G. Grimm / 20.10.2019

Ach, Herr Maxeiner, das sind doch wieder nur fake news aus dem braunen AfD-Umfeld, die Sie hier verbreiten. Erfundene böse Zahlen. Bei über 42 Grad kann kein Mensch überleben. Eckart von Hirschhausen hat das bewiesen. Schon vergessen? Kein gläubiger Gutmensch kauft Ihnen diesen Mist ab. Und dann macht es mich auch neidisch, dass Sie einfach so in der Sonne liegen, Eidechsen und Wolken begucken, ungeniert ein- und ausatmen und das Internet benutzen. Flugscham brauchen Sie nicht zu haben, klar. Aber mit einem ALTEN Volvo nach Istrien zu gondeln, ist für das Klima ganz ganz furchtbar und wird dazu beitragen, dass die Verzweiflung bei den Klima Panikern weiter ansteigt. // Aber danke, dass es Ihnen gelungen ist, mich nach einer anstrengenden Woche ohne lustige Nachrichten zum Lachen zu bringen. Ich mag Ihre Schreibe!

Silvia Polak / 20.10.2019

Ein paar Minuten entspanntes Urlaubsgefühl, auch für die dankbare Leserin !

Silvia Polak / 20.10.2019

Ein paar Minuten entspanntes Urlaubsgefühl, auch für die dankbare Leserin !

Bernhard Maxara / 20.10.2019

“Tadelnswert ist unser Tun, nein wir sind nicht brav und bieder. Gesetzt den Fall, es käme nun die Sintflut nochmal wieder! Das wär ein Zappeln und Geschreck, wir tauchten alle unter. Dann kröchen wir wieder aus dem Dreck und wären wie sonst recht munter.” (Wilhelm Busch, 1832 - 1908)

Karl Dreher / 20.10.2019

Drei Anmerkungen von mir: (1) Zitat: „Das Abwägen verschiedener Risiken gegeneinander zählt nicht zu den Stärken von Reptilien. Zögern war in grauer Urzeit meist tödlich, weil es zu lange dauerte. Doch inzwischen hat der Mensch ein großes vorgelagertes Primatenhirn, das ihm beim differenzierten Betrachten hilft. Doch leider wird das unter Stress abgeschaltet.“ Kommentar: Das scheint im Bereich der etablierten Parteien besonders ausgeprägt, etwa bei der bundesdeutschen Entscheidung „Kommt alle ‚rein – wir schaffen das“ 2015. Ergänzend möchte ich hinzufügen: Solcherart getroffene Entscheidungen scheinen dann wohl auch unverrückbar, spätere vernunftgeleitete Überlegungen scheitern augenscheinlich an der Dominanz des großen vorgelagerten Primatenhirns. Vergleichbares gilt auch bspw. für die vertragswidrig durchgesetzte Abschaltung der deutschen Atomkraftwerke nach der Katastrophe in Japan (Folge: Milliarden-Schadenersatzansprüche) und die Verteufelung des Dieselmotors (Folge: Automobilindustrie-Standort Deutschland wird geschleift). (2) Zitat: „eine trotzige Achgut.com-Flagge zu hissen“ Frage: Gibt es die zu kaufen, für den Vorgarten und als Autostander? (3) Zitat: „Eine neue Reiseerfahrung stellte sich gleich nach unserer Ankunft ein. Je weiter man von Deutschland entfernt ist, desto besser wird das Internet.“ Kommentar: Vortrefflich, auf den Punkt zugespitzt formuliert!

Dr. Karl Wolf / 20.10.2019

Es ist doch schön, wenn man im Urlaub den Realitäten entfliehen kann.

Stefan Riedel / 20.10.2019

Eine Eidechse müsste man sein. Eigentlich wollte ich im Laufe der Inkarnation eine Extinction Küchenschabe werden. Das Leben ist kein Wunschkonzert.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Dirk Maxeiner / 28.04.2024 / 06:15 / 84

Der Sonntagsfahrer: Ich sage nur China, China, China

Der chinesische Geheimdienst weiß in jedem Fall besser Bescheid über deutsche Regierungsvorlagen als der von der Berliner Falun-Gaga-Sekte informierte Wirtschaftsminister.  In Deutschland leben etwa 150.000 chinesische…/ mehr

Dirk Maxeiner / 21.04.2024 / 06:15 / 121

Der Sonntagsfahrer: Fahrverbote und Gesetze, die niemand einhalten kann

EU und Bundesregierung verabschieden immer weltfremdere Gesetze und schreiben Lösungen vor, die es schlicht nicht gibt.  Der sogenannte Klimaschutz wird dabei immer menschenfeindlicher, der Bürger willkürlich…/ mehr

Dirk Maxeiner / 14.04.2024 / 06:15 / 62

Der Sonntagsfahrer: Der Augsburger Gasballon

Augsburg ist eine Stadt von Friedensfreunden. Die schritten vergangene Woche aber zur Generalmobilmachung. Grund: Das Gasnetz soll früher oder später weg. Wenn es um Friede,…/ mehr

Dirk Maxeiner / 07.04.2024 / 06:00 / 119

Der Sonntagsfahrer: Betteln um die Pleite

Trotz der gescheiterten E-Auto-Wende betteln einflussreiche Autohersteller darum, das Verbrennerverbot nicht infrage zu stellen. Die Wünsche der Kunden sind längst egal. Wer hält länger durch? Die…/ mehr

Dirk Maxeiner / 31.03.2024 / 06:15 / 58

Der Sonntagsfahrer: Ich will nachhause telefonieren

Der erhobene Zeigefinger liegt schon länger voll im Trend. Nationalspieler Antonio Rüdiger machte den ET und auch allerhand weitere Berühmtheiten gestikulieren, bis der Arzt kommt.…/ mehr

Dirk Maxeiner / 24.03.2024 / 06:15 / 88

Der Sonntagsfahrer: UN verbietet VW-Up

Handelt es sich bei einigen Autos, darunter beliebte Volkswagenmodelle, um gemeingefährliche Cyberwaffen? Nach UN-Vorschriften ja. Deshalb dürfen sie ab Juli in Europa nicht mehr verkauft werden. Was…/ mehr

Dirk Maxeiner / 17.03.2024 / 06:15 / 72

Der Sonntagsfahrer: Glückskekse von Habeck

Die Äußerungen führender Ampelpolitiker wirken wie die Botschaften, die in chinesischen Glückskeksen enthalten sind. Der Konfuzius dieser Stilrichtung ist Robert Habeck und sein treuer Knappe…/ mehr

Dirk Maxeiner / 10.03.2024 / 06:05 / 57

Der Sonntagsfahrer: Das Verbrenner-Aus-Aus

Die EU will das Verbrenner-Aus beenden und der Bundesrechnungshof charakterisiert die Energiewende als Blindgänger. Das Aus-Aus wird zum direkten Nachfolger des Doppelwumms. Als Zweikreisbremsanlage wird…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com