Dirk Maxeiner / 10.01.2021 / 06:05 / Foto: Pixabay / 35 / Seite ausdrucken

Der Sonntagsfahrer: Das schwarze Es hat Geburtstag

Ein 65. Geburtstag ist immer etwas Besonderes. Früher wurden wohlverdiente Pensionäre in großer Runde in den Ruhestand verabschiedet, wobei der stets aufopferungsvolle Einsatz für das Gemeinwesen, die Firma und die Familie von den Festrednern hervorgehoben wurde, nebst zahlreicher heldenhafter Anekdoten. Teilnehmer der Veranstaltung durften sich auf einen langen Abend gefasst machen. Elogen, Büttenreden, Gedichte und Diashows reihten sich aneinander, im Unterhaltungswert einer Kappensitzung des Mainzer-Karnevals  nicht unähnlich und in der zeitlichen Ausdehnung einer Rede Fidel Castros zur Ehre gereichend.

In Corona-Zeiten fallen diese humanen Formen der Entsorgung aus dem Kreise der Dabeiseienden leider flach. Aktuell handelt sich bei einem 65. Geburtstag um die offizielle Aufnahme in jenen Statistikbereich, der sich Risikogruppe nennt. Das gilt zumindest für die männlichen Betroffenen sowohl in medizinischer als auch in gesellschaftlicher Hinsicht, denn ab sofort bleibt nur noch eine Karriere als alter weißer Mann, der zu allem fähig ist, wenn ihn nicht rechtzeitig das Virus unschädlich macht. Der Wunsch, alte weiße Männer mögen endlich abtreten, und die gleichzeitige Forderung, vulnerable Gruppen zu schützen, scheinen mir nicht ganz durchdacht.

Hier soll allerdings nicht von einem alten weißen Mann, sondern von einem schwarzen Mann die Rede sein. Wobei ich nicht ganz sicher bin, ob es sich um einen Mann, eine Frau oder irgendwas dazwischen handelt. Ich weiß nur, dass das Geburtstagskind überwiegend schwarz ist. Und in diesem Jahr seinen 65. Geburtstag feiert. Ich kenne es schon lange aus meiner Zeit als junger weißer Mann, da habe ich mich ziemlich spontan verliebt, und diese Zuneigung besteht bis zum heutigen Tage. Hiermit zünde ich zur Feier des Tages acht Kerzen an. Was es mit dieser Zahl auf sich hat, wird Ihnen bald dämmern. Der Jubilar ist von guter Gesundheit, hat keine Vorerkrankungen, rastet und rostet nicht. Sein Lungenvolumen entspricht dem einer Herde tansanischer Elefanten und reicht für eine Besteigung des Kilimandscharo. Wenn er einmal durchatmet, wickelt sich dem Doktor das Stethoskop um den Hals.

„You wanna ask around, then you can ask my jeweler“ 

Kennengelernt haben wir uns 1979. Schuld hatte die Ampel. Sie stand an einer Kreuzung im schweizerischen Aarburg und zeigte beharrlich auf rot. Es war ein verregneter Apriltag. Durch die feucht beschlagene Seitenscheibe fiel mein Blick auf eine Fläche mit angejahrten Gebrauchtwagen, die auf risikofreudige Käufer warteten. Da entdeckte ich ihn. Groß und schwarz und ein wenig bedrohlich stand er in der letzten Reihe. Mit Chromschmuck schwer behängt, wie ein amerikanischer Rapper, getreu dem ewig schönen Motto: „They say they hate the kid, the kid was gettin' mula / You wanna ask around, then you can ask my jeweler”. Der Cadillac Fleetwood, Baujahr 1956, stand auf halbplatten Reifen da, als habe ihn eine Bande durchreisender Mafiosi auf der Flucht zurückgelassen und gegen etwas Unauffälligeres eingetauscht. 

Der Geschäftsführer des Gebrauchtwagen-Etablissements hielt das Ding ganz offensichtlich für einen versoffenen Pflegefall, den er möglichst schnell loswerden wollte. Und mich für einen Irren, was für eine gewisse Menschenkenntnis sprach. Jedenfalls wechselte sehr viel eigenwillig geformtes Blech zum aktuellen Preis eines gehobenen Fahrrads den Besitzer. Für eine komplette Kollektion Freudscher Symbole fand ich das ausgesprochen fair. 

Womit wir bei der Geschlechterfrage sind. Die raketenartigen Hörner in der vorderen Stoßstange können gleichermaßen als männliches und weibliches Fruchtbarkeitssymbol durchgehen. Die Amerikaner haben sie seinerzeit „Dagmars“ getauft, nach einer gleichnamigen Fernsehblondine in den 50er Jahren. Stellen Sie sich einfach die Venus von Willendorf vor, allerdings so groß wie ein Schulbus, dann sehen sie das Design im Wesentlichen vor Augen. 

Ein bisschen „Christine“ aus dem gleichnamigen Horrorfilm nach dem Buch von Steven King (1983) steckt auch noch drin. Das Buch handelt von der diabolischen Liebe eines verrosteten Plymouth alias Christine zu einem jungen Mann, was zu einer gewissen Radikalisierung des Plymouth führt. Christine bettet die dem Angebeteten feindlich gesinnte Menschenbrut  reihenweise unter den Asphalt und flambiert nebenbei noch eine Tankstelle. Außerdem hat Christine die tückische Eigenschaft wiederaufzuerstehen, selbst nach dem Besuch eines Schredders bügelt sich ihr Kleid wieder glatt und sie schreitet zu neuen Missetaten. Meine Christine ist erheblich friedlicher als die im Film, gute Manieren und die mir angeborene Ethik der Gewaltlosigkeit färben bedauerlicherweise aufs Blech ab und nicht umgekehrt.

Wir planen jetzt den Besuch auf einer Gender-Toilette

Um Gender-Diskussionen aus dem Weg zu gehen, habe ich inzwischen beschlossen, das Geburtstagskind einfach „Es“ zu nennen. Zur Feier des Tages planen wir jetzt den gemeinsamen Besuch auf einer Gender-Toilette, suchen aber noch nach einer entsprechend dimensionierten Location. Dabei können wir noch ein paar andere geschlechtlich Unentschlossene mitnehmen. Sowohl auf der vorderen als auch auf der hinteren Sitzbank lässt sich der vorgeschriebene Sicherheitsabstand von 1.50 Meter mühelos einhalten, es sei denn, man sitzt jeweils zu dritt, was die ursprüngliche Idee war. Man könnte daraus auch einen mobilen Swingerclub ersatzweise ein Schnellimpfzentrum machen. 

Trotz seiner 65 Jahre ist der Cadillac somit komplett auf der Höhe der Zeit. Bei aufkommendem Corona-Lagerkoller empfehle ich einen kleinen Ausflug in die Garage, die Weite des Dachhimmels entspricht der über der Prärie in Wyoming, selbst wenn man nur am Steuer dreht und Brummbrumm macht. Dies ist ohnehin die Zukunft des motorisierten Individualverkehrs. Und wohl auch die des alten weißen Mannes. Man kann mit dem Cadillac übrigens auch reden, für den Fall dass unser Kontaktverbot auf Null oder minus ein Mensch verschärft wird. Dies getreu einer Anekdote, die von dem Publizisten Johannes Groß überliefert ist. Auf einen Bewirtungsbeleg schrieb er als Anlass: "Selbstgespräch". 

Ich bin mir angesichts der aktuellen politischen Ereignisse auch nicht sicher, ob man sich mit einem Fahrzeug gleichsam republikanischer Bauart auf offener Straße sehen lassen sollte. Ich vermute eine gewisse Kontaktschuld, weil sich in dem Modell auch der eine oder andere politische Finsterling chauffieren ließ. Den Mitmenschen steht immer der Verdacht ins Gesicht geschrieben, man habe General Robert Lee im Kofferrraum versteckt.

Andererseits hat der Cadillac auch seine grünen Seiten, ersparte er der Menscheit und vor allem mir selbst im Laufe seines langen Lebens doch die Anwesenheit von etwa zehn langweiligen Wegwerfautos. Das nennt man Nachhaltigkeit und ein Musterbeispiel für Ressourcenschonung. Mit Platz für sechs Personen, entsprechend 12 Heiko Maas, taugt er im übrigen auch als öffentliches Verkehrsmittel, zumal man im Gepäckabteil weitere Kabinettsmitglieder betten kann. 

Sein Lebendgewicht beträgt laut Fahrzeugschein 2.250 Kilo und liegt damit ziemlich genau auf dem Niveau eines zukunftsweisenden Tesla-S Elektroflitzers und deutlich unter dem eines elektrischen Mercedes EQC. Ob die in 65 Jahren auch noch ihre Kreise drehen? Ich fürchte, die sind bis dahin so fahrtüchtig wie eine Floppy Disk aus meinem ersten Computer.      So aussehen tun sie ja schon heute.

Happy Birthday, liebes Es, deine acht Zündkerzen mögen uns viele weitere Jahre heimleuchten! Als alter weißer Mann und altes schwarzes Es sind wir unschlagbar.

 

Von Dirk Maxeiner ist in der Achgut-Edition erschienen: „Hilfe, mein Hund überholt mich rechts. Bekenntnisse eines Sonntagsfahrers.“ Ideal für Schwarze, Weiße, Rote, Grüne, Gelbe, Blaue, sämtliche Geschlechtsidentitäten sowie Hundebesitzer und Katzenliebhaber, als Zündkerze für jeden Anlass(er). Portofrei zu beziehen hier.

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Wolf von Fichtenberg / 10.01.2021

Oh, ein Geburtstagskind.—„Congratulation“, wie der anglistisch geprägte Deutsche heute sagt und im Prospekt eines E-mobils herumblättert, mit dem Finger über die Seiten streichend, als sei es das Fotoalbum eines (neuen) Kindes. - Auch mein „Kind“ feiert in diesem Jahr sein Wiegenfest. Nein, es ist noch nicht der 65. Geburtstag. Es ist der Geburtstag der einstmals die Wechseljahre starten ließ, das Klimakterium wie es der anglizistische…– ach, siehe oben – nennt. Zeitgemäß trifft es jetzt nicht nur die Frau sondern auch den Mann, den nicht nur dieses Ereignis erwischt, sondern auch die Midlife-Crisis. Schön mit Bindestrich um die Verbundenheit zu dokumentieren, die über die ehemals zwei Geschlechter gendert.—Zurück: Klimakterium. Klima ist drin und schon sind wir bei meinem Jubilar. Um Ostern herum bringt er es auf die fünfundvierzig Lenze. Der Säufer. Der Auffällige. Der Andere. Sein Vater bucklig, doch mein Jubilar zeichnet sich schon durch Ecken und Kanten aus. Stabil, wenn man von gelegentlichen Aussetzern im Helligkeitsbereich absieht. Kurz gesagt: Seine Birne leuchtet manchmal nicht sehr helle oder eben gar nicht. Rechts und links oder gemeinsam. Schön ausgeglichen. Und sein Durst ist auch nicht zeitgemäß. Doch es ist gleich was anderes sagen: Mein Jubilar will seine zwölf Liter. Und das im Klimakterium. Pfui…—Klima… Ach ja, geboren wurde er im Land einer bezopften Hüpferin und seine Eltern - (ich adoptierte ihn als er schon keine Windeln mehr trug und eigentlich eingeschult werden müsste. Darauf verzichtete ich und taufte ihn CarlSon) - wiesen einmal darauf hin. „Wir bauen Flugzeuge und Autos“. Und so sage ich: „Hallo CarlSon! Grattis på födelsedagen!“ Doch das versteht der Schwafelstudent mit morbidem Weltblick nicht, wenn er mich im bösen Saab 99 sieht und im Regen keuchend das Lastenrad die leichte Anhöhe hinauf,  schiebt denn das Klima verlangt seinen Preis… Hüpf-Hüpf.

Ludeloff Klaus / 10.01.2021

Der Wunsch, alte weiße Männer mögen endlich abtreten, ist sehr wohl gut durchdacht von der Corona-Eiskanzlerin und ihren Getreuen. Schließlich wissen die Alten noch, was Bildung, Marktwirtschaft und Gesetzestreue bedeuten. Und das ist mehr als nur hinderlich für die Schaffung der links-grünen Gesellschaft.

E. Müsch / 10.01.2021

Vor allem sind diese alten Schätze keine fahrenden Erziehungsberechtigten, Überwachungsinstrumente und Computer,  Mein neuer Ford Tourneo, kommuniziert mit Ford, zeichnen alles auf, das Navi lässt sich nicht ausschalten und zur doppelten Überwachung gibt s noch den Unfallassistent der sofort den Standort übermittelt und der Fahrassistent versucht einen auf die Spur zu zwingen. Natürlich alles zu unserem Besten. Das man dauernd ermahnt wird man fährt zu schnell (durch blinkendes Verkehrzeichen und Pipstöne, sobald man 2 km zu schnell fährt ,nicht angeschnallt ist, das es ungefragt Funktionen an und aus schaltet macht einen wahnsinnig. Alles nächstes kommt der Bluttest, bevor der Motor anspringt.  Das Ding ist auf jedenfall eine Sie, eine Nanny. Ja, das ist sie die “schöne” neue Autowelt.

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