Rainer Bonhorst / 18.01.2022 / 14:00 / Foto: Lukasz Katlewa / 23 / Seite ausdrucken

Das Wieland-Zimmer zu Brüssel

Ein EU-Parlaments-Vize hat sich sein Büro für mehr als 600.000 Euro mit neuestem technischen Schnickschnack aufpimpen lassen. Dagegen ist Großbritanniens Premier Boris Johnson geradezu bescheiden.

Der Boris Johnson der Europäischen Union heißt Rainer Wieland. Oder sollte man besser sagen, Boris Johnson ist der Rainer Wieland des Vereinigten Königreichs? Auch das ist nicht ganz passend. Denn der vielgescholtene britische Premierminister ist als kostspieliges Luxusgeschöpf ein Waisenknabe im Vergleich zum Europa-Abgeordneten der CDU. Der kleine Unterschied: runde 400.000 Euro.

Um genauer zu sein: Der soeben enthüllten 600.000 Euro teuren High-Tech-Büro-Einrichtung in Brüssel stehen geradezu spartanische 200.000 Pfund für die Wohnungseinrichtung in Downing Street gegenüber. Rainer Wieland ist einer von mehreren Vizepräsidenten des EU-Parlaments, Boris Johnson ist singulärer Premierminister. Das Europa-Parlament hat 14 Vizepräsidenten. Bekäme jede(r) von ihnen ein Büro für 600.000 Euro, so würde das gute acht Millionen Euro kosten. Bei Boris Johnson als Alleinunterhalter ist eine solche Addition nicht möglich. Ja, eigentlich bedarf es sogar einer Subtraktion. Er lebt in der Downing Street mit seiner Frau Carrie zusammen. 200.000 durch zwei macht 100.000. Also ein Sechstel der 600.000. Allerdings in Pfund und nicht im etwas billigeren Euro. So viel Gerechtigkeit muss sein.

Kann man ein europäisches Vizepräsidentenbüro mit einer Premierministers-Wohnung vergleichen? Nun, Wielands Hightech-Environment ist, wie im „Spiegel“ zu lesen ist, vom Büro-Inhaber als „Ideen-Labor“ beschrieben worden. Die Dienstwohnung des Premierministers ist auch nicht nur zum Essen und Schlafen, da sondern konzeptionell ebenfalls als Ideen-Labor zu betrachten. Also das passt schon.

Wie sind die beiden in unterschiedlichen Dimensionen überteuerten Innenarchitekturen politisch zu bewerten? Das ist kein Kunststück. 

Geldverbrennungsanlage auf Steuerzahlerkosten

Die Europäische Union ist dank ihres 27-Staaten-Proporzes dazu verurteilt, ihr Geschäft als Geldverbrennungsanlage auf Steuerzahlerkosten zu betreiben. Die Peanuts für das Wieland-Büro sind da längst eingepreist. Da wird nicht viel passieren.

Boris Johnson hat sich mit dem Update seines Wohn-Ideen-Labors jede Menge Ärger eingehandelt.Von ihm weiß man, dass er – wie die Engländer sagen – mit einem Silberlöffel im Mund geboren wurde. Anspruchsdenken ist in seine Gene eingepflanzt. Aber da er kein Aufsteiger ist, sondern von Hause aus zur Oberschicht gehört, tritt er doch etwas dezenter auf als jemand, der aus dem sparsamen Schwaben ins Brüsseler Schlaraffenland entkommen ist. Daher die vergleichsweise schlanken 200.000 Pfund in London und die adipösen 600.000 Euro in der EU-Hauptstadt.

Kurz und gut: Der Brüsseler Vizepräsident hat Boris Johnson ein handfestes Argument geliefert, mit dem dieser seinen bisher nicht ganz gelungenen Brexit frisch bewerben kann. Etwa so: Liebe Landsleute. Ich mag euch als Premier mit meinem Schickimicki-Wohnungsdesign geärgert haben. Aber ihr könnt froh sein, dass ihr dem Verein entkommen seid, in dem euch von einem einfachen Vize ganz andere Summen abgeknöpft würden. 

Also: „Long live the Brexit!“ Und: „Thank you very much, dear Rainer Wieland.“

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Leserpost

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Ludwig Luhmann / 18.01.2022

Rainer Niersberger / 18.01.2022 - “Ein bestimmter beruflicher Hintergrund in “Personal/Organisation” hilft ungemein.”—- Ich denke da an die formale Organisation, die dann zusammenbricht, wenn sich alle immer an alle Regeln halten.

ralf krochmalsky / 18.01.2022

Habt ihr es immer noch nicht begriffen. Wir werden noch solange geduldet, wie wir diesen ” Eliten ” ein Leben ohne Limit” ermöglichen. Sollten wir versuchen dies zu ändern ,dann werden die unser Geld gegen uns verwenden. Wetten?

Claudius Pappe / 18.01.2022

Wenn ich den Herrn Wieland hier aufs äußerste beschimpfe und er dann vor Gericht zieht, bekomme ich eine ordentliche Strafe aufgebrummt ! Er darf sich dann mit meiner Strafzahlung einen neuen Bürostuhl kaufen. Vorher geht er mit Frau Merkel und dem Richter zum Essen.

alf graef / 18.01.2022

Das Verrückte an der Geschichte ist, du kannst dich noch so sehr aufregen,  der R. Wieland grinst dich im Internet und sonst wo an und es interessiert ihn einen Sc…ß, wie sehr du dich aufregst! Das Spiel heißt nun mal - er genießt und die Allgemeinheit zahlt -. Was er außer g e n i e ß e n sonst noch so alles leistet, bleibt für uns “Normalos” weitgehend im Verborgenen. Ach so. Nicht zu vergessen: “Merkel plant Büro mit massig Mitarbeitern – und üppigem Gehalt für diese”. Unsere Uckermark - Plönse muss sich da keinesfalls verstecken!! Was neben all den exorbitanten Aufwendungen stört? Nun ja. Der deutsche steuerzahlende Doofmichel steht daneben und klatscht Beifall.  Das kostet mich jedenfalls richtig Nerven. Fazit. Die ganze abgehobene Gesellschaft ins Raumschiff Orion stecken und auf den Uranus schießen. MfG

sybille eden / 18.01.2022

Auch meine 26 qm Wohnung ist ein Ideenlabor ! Denn Ich brauche immer viele Ideen, wie und wo ich was verstauen kann. Das ist ein konstanter ,kreativer Prozess, der mir Schwung und Elan, sowie eine ewige Jugend bringt.  Ich brauche mich auch nicht mehr tätowieren lassen, denn meine Gliedmaßen sind mit blauen Flecken geschmückt. Und auf meinem “Balkon” steht der Wäscheständer, mehr passt da nicht hin. Also nicht meckern Leute, so ein Ideenlabor ist ne tolle Sache !

Sirius Bellt / 18.01.2022

Ein sehr bescheidener und ausgesprochen sympathischer Mann, der uns künftig noch viel Freude bereiten wird mit seinen exzellenten Ideen aus seinem Ideen-Labor. Er hätte sich auch ein Bernsteinzimmer einrichten können. Hat er nicht gemacht. Weil sich das mit seinem edlen Charakter nicht vereinbaren ließ. Großartiger Mann!

Klaus-Peter Gerlach / 18.01.2022

Lieber Herr Bonhorst, das wichtigste haben Sie überlesen:-) Der Herr Vizepräsident ist ja nur der “Tester” für die Abgeordneten des EU-Parlaments, an welche die Technik nach Abschluß der Tests ausgerollt werden soll. Bei 705 EU-Parlamentariern macht das dann schlappe 445 Millionen Euro, und ich gehe jede Wette ein, dass kein einziger Parlamentarier ablehnen wird. Schlielich geht es nicht “um persönliche Annehmlichkeiten, sondern um eine moderne und effiziente Bürotechnik.”

Sebastian Weber / 18.01.2022

Rainer Wieland - den Namen wird man sich merken müssen. Wenn er in irgendeinem Golfclub auftaucht, kann er ja mal ne Runde ausgeben ...

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