Der angebliche Konsens in der Klimadebatte, den manche Forscher für ihr Fachgebiet reklamieren, hatte uns ja bereits im letzten Blog beschäftigt. Wir müssen heute trotzdem kurz noch einmal darauf eingehen, nicht zuletzt auch in eigener Sache, was diese Zeitung angeht. Denn jetzt hat dieser Anspruch auf die Einheitsmeinung eine neue Qualität erhalten. Das Umweltbundesamt (UBA), eine Vorfeldorganisation des Bundesumweltministeriums, hat in einer umfangreichen Broschüre mit dem Titel “Und sie erwärmt sich doch” das Thema aufgegriffen, und beansprucht nichts geringeres als: Ende der Debatte, Ausschluss aller Kritiker.
Als Statemement einer Behörde, die an dem Diskurs und vor allem an der Klimaschutzpolitik Anteil hat, ist eine solche Haltung erbärmlich genug. Es gibt derzeit wohl kaum einen Forschungsbereich, der in mehr wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Einrichtungen hineinragt, der das Programm von mehr wissenschaftlichen Instituten, öffentlichen wie privaten, bestimmt als die Klimaforschung und die Klimafolgenforschung. Und in einer solchen Disziplin jedwede Nuancen von Unterschieden in der seriösen Beurteilung abzustreiten, jedwede Differenz in der Vorausschau auf die nächsten Jahrzehnte schlichtweg unter den Tisch zu kehren, darf man wohl im Verhältnis von Staat und Wissenschaft als einmaligen Vorgang bezeichnen. Die armen Autoren, die sich auf diesen Auftrag einließen, eine hilflos-defensive, von keiner Neugier getriebene Verteidigungsschrift für eine unsägliche Einheitsduselei. Wie gesagt: Schlimm genug.
Was das Projekt des UBA aber regelrecht anrüchig macht, ist die Tatsache, dass das UBA mit öffentlich-rechtlichem Gewicht quasi all jene Journalisten und andere Vertreter der Öffentlichkeit, die sich mit diesem vorgeblichen Einheitsdenken kritisch auseinandersetzen, an den Pranger stellt (Seiten 92ff). Dabei mehreren von ihnen - zumindest indirekt – Motive am Rand der Korruption unterstellt, ist ein starkes Stück, das rechtliche Konsequenzen haben könnte. Betroffen von solcher amtlichen Schelte sind unter anderem die beiden Buchautoren und Kolumnisten der “Welt”, Dirk Maxeiner und Michael Miersch. Maxeiner, früherer Chefredakteur des Magazins “Natur”, ist der Autor unter anderem des Buches “Hurra, wir retten die Welt! Wie Politik und Medien mit der Klimaforschung umgehen”. Miersch ist Leiter des Wissenschaftsressorts des Magazins Focus.
Auch der frühere Hamburger Umweltsenator und Autor des Ökoklassikers “Seveso ist überall”, Fritz Vahrenholt, der zu den Wegbereitern der Umweltbewegung zählte, wird vom UBA “gelistet”. Über Vahrenholt, der mit dem Geowissenschaftler Sebastian Lüning das Buch “Die kalte Sonne. Warum die Klimakatastrophe nicht stattfindet” veröffentlichte, inzwischen ein Standardwerk der Weltuntergangskritik, heißt es in der UBA-Broschüre, er sei früher Shell-Vorstand gewesen und “seit 2001 Manager des Energieversorgungskonzerns RWE”. Verschwiegen wird, dass er bei Shell sich um Solarenergie kümmerte und bei RWE den Bereich der Windenergie zum weltweiten Branchenführer ausbaute. Wenn ihn etwas hätte korrumpieren können, dann die Erneuerbaren Energien. Unter Bundeskanzler Schröder saß er im Rat für Nachhaltige Entwicklung.
Wie in jener Metastudie, auf die ich im letzten Blog hinwies, werfen auch die UBA-Autoren alle jene, die nicht in den einheitlichen Chorgesang der Apokalypse einstimmen wollen, oder die da vielleicht nur eine etwas andere Tonart anschlagen, in einen Topf, egal ob man grundsätzlich den CO2-Einfluss akzeptiert oder ganz ablehnt, ob man davon ausgeht, dass die derzeitige langjährige Pause in der Erwärmung auch ihr Ende bedeutet oder nur ihre Unterbrechung, ob die menschengemachte Erwärmung zumindest zum Teil anerkannt wird, nicht aber ihre katastrophalen Folgen – wer nicht die Angaben und den Tonfall des Weltklimarates IPCC oder ersatzweise des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung bis ins letzte Komma teilt, den setzt das UBA auf den Index mit dem Etikett: inkompetent, fachfremd, Vorsicht!.
Wo sind die Hinweise auf die fachlich überprüften (peer reviewten) Studien aus den letzten Jahren von integren, anerkannten Klimaforschern, die die Klimasensitivität des Kohlendioxid plötzlich viel geringer einschätzen, wo geht man auf Papiere ein, die die Gefahren des Auftauens des Permafrostes oder der arktischen und antarktischen Gletscher als geringer ansehen im Vergleich zum Weltklimarat IPCC? Wo sind die Anmerkungen zu den Forschungsansätzen, laut denen die Sonne durch ihre Magnetfelder das Klima beeinflusst, und zwar deutlich (siehe zu allem die Blogs von Donner und Doria vor allem aus den letzten zwei, drei Monaten)? Die bleiben aus, stattdessen beschäftigt man sich lieber mit dem ewig gleich starken Sonnenschein. Sind alle Klimaforscher, die zu abweichenden Ergebnissen kommen, sämtlich auch fachfremd?
Man könnte noch vieles sagen zu den einzelnen Kapiteln, etwa zu dem Weißwaschen jener Klimaforscher aus dem inneren Zirkel, deren überaus verräterische Emails durch einen Hackerangriff 2009 ans Licht kamen und die über ihre Arbeitsweise so viel aussagten. Oder über Forschungen zum Einfluss der Sonne, über die großen Differenzen in der Fachwissenschaft darüber, ob der Klimawandel bereits zu Wetterextremen geführt hat oder nicht. Auch zu den Lobbyinteressen, die hinter mancher apokalyptoschen Äußerung steht. Der geneigte Leser dieses Blogs wird auf vieles in der UBA-Broschüre stoßen, was er nicht als bare Münze nehmen dürfte.
Die Broschüre des UBA hat inzwischen viele Kritiker im Netz. Auch auf der Website des ZDF können wir scharfe Töne dagegen lesen. “Klimawandel. Skeptiker amtlich unerwünscht”, schreibt dort Reinhard Schlieker: “Das Dokument vergreift sich im Ton”.
Ein Zitat aus der Broschüre will ich hier doch noch im O-Ton vorstellen, denn es zeigt die Denkweise, die dahinter steht nur zu gut. Die Pause in der Klikmaerwärmung, die inzwischen seit 15 Jahren anhält und – nach “offizieller Lesart” – mindestens noch ein paar Jahre anhalten dürfte, kann und darf uns demnach nicht zum Nachdenken veranlassen, oder gar zum Überprüfen eingefahrener Theorien – weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Auf Seirte 55 der Broschüre heißt es: “Es gibt keinen physikalisch plausiblen Grund, das Jahr 1998 als Wendepunkt der globalen Erwärmung anzunehmen. Diesen Grund gäbe es vielleicht, wenn wir in diesem Zeitraum die atmosphärischen Treibhausgaskonzentrationen auf einem bestimmten Niveau stabilisiert hätten, mehrere große Vulkane ausgebrochen wären und eine lange – über mehrere Dekaden dauernde – Phase vornehmlich inaktiver Sonne prognostiziert worden wäre. Wohlgemerkt: diese Gründe müssten schon zusammenkommen. Denn trotz Stabilisierung der Treibhausgaskonzentrationen würde die Erwärmung zunächst andauern.” Bliebe der Satz hinzuzufügen: “Wenn denn die Sensitivität des CO2 tatsächlich so stark ist wie bisher angenommen”. Doch der Satz steht nicht darin. Wäre ja auch noch schöner. Da wäre ja die Einheitswissenschaft in Gefahr.
Hier die große Einigkeit unter den Wissenschaftlern, da ein paar nörgelnde Journalisten? Wenn es so einfach wäre, hätte es das UBA nicht nötig, ein so aufwendiges Blendwerk zu bezahlen. Man fühlt sich in der Defensive. Und das wird auch so bleiben, bis es endlich zu einer offeneren Diskussion kommt.
Zuerst erschienen auf Ulli Kulkes Blog bei der WELT
Siehe auch:
Die Broschüre des Umweltbundesamtes
http://www.umweltbundesamt.de/uba-info-medien/4419.html
Jan-Eric Peters (Chefredakteur WELT-Gruppe) auf Facebook:
http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/umweltbundesamt_warnt_vor_unbotmaessigen_journalisten
Henryk M. Broder in DIE WELT
http://www.welt.de/debatte/henryk-m-broder/article116332834/Eine-Behoerde-erklaert-die-Klimadebatte-fuer-beendet.html
heute.de (ZDF)
http://www.heute.de/Klimawandel-Skeptiker-amtlich-unerwünscht-28010994.html
Prof. Dr. Thorsten Koch, Universität Osnabrück
http://vorschriften.blogspot.de/2013/05/das-wahrheitsministerium-schlagt-zu.html
Liberales Institut (Stiftung für die Freiheit)
http://liberalesinstitut.wordpress.com/2013/05/20/beendigung-einer-offenen-debatte/#comments
„Klimazwiebel“ (Blog des Klimaforschers Hans von Storch und des Ethnologen Werner Krauss):
http://klimazwiebel.blogspot.de/2013/05/das-uba-informiert-was-hinter-der.html