Ramin Peymani, Gastautor / 07.11.2020 / 14:00 / Foto: Pixabay / 22 / Seite ausdrucken

Das gestörte Verhältnis junger Menschen zur Demokratie

Vor Kurzem ließ eine umfangreiche Studie der renommierten University of Cambridge aufhorchen. Sie kam zu einem bedenklichen Befund: Die Mehrheit der „Millennials“, also der Altersgruppe der 25- bis 35-Jährigen, hat ein Problem mit der Demokratie. „Moment“, werden Sie fragen, „welche Studie?“ In Deutschland blieb die Berichterstattung dazu dünn. Nur wenige Redaktionen berichteten überhaupt. Dies könnte vor allem daran liegen, dass die Studienverfasser ein überraschendes Fazit präsentierten, das den Medien-„Millennials“ so gar nicht geschmeckt haben dürfte. Aber der Reihe nach.

Die Wissenschaftler der Cambridge-Universität haben Daten aus 47 Jahren ausgewertet. Fast fünf Millionen Rückmeldungen aus über 160 Ländern wurden auf diese Weise vergleichbar gemacht und einander gegenübergestellt. Im Zentrum stand dabei die Frage nach der Zufriedenheit mit der Demokratie. Das alarmierende Ergebnis: Erstmals steht eine Altersgruppe der 25- bis 35-Jährigen dem Konzept der Demokratie mehrheitlich skeptisch gegenüber.

Keine vergleichbare Kohorte zuvor hatte sich auch nur annähernd so negativ geäußert. Während 55 Prozent der „Millennials“ ein Problem mit der Demokratie haben, lag der Anteil der Skeptiker bei den Vorgängern der „Generation X“ und der „Baby Boomer“ ungleich niedriger. Besonders aufschlussreich sind die Begründungen der Befragten, die der herrschenden Politik ein vernichtendes Zeugnis ausstellen, weil diese der fortschreitenden Spaltung der Gesellschaft Vorschub leistet, statt ihr zu begegnen.

Die Perspektiven einer ganzen Generation verschlechtert

Offensichtlicher Wendepunkt war die Staatsschuldenkrise. Wer heute um die 30 Jahre alt ist, hat als Jugendlicher mitbekommen, dass seinerzeit nicht Währungen und Staaten gerettet wurden, sondern Finanzkonzerne und Großinvestoren. Vor allem aber verfügt er heute über einen deutlich geringeren Wohlstand als die Altersgenossen in den Vorgängergenerationen. Die Abhängigkeit der Regierenden von einer erst durch exzessive Deregulierung geschaffenen Bankenmacht nehmen die „Millennials“ der Politik übel. Die Auswirkungen sind deutlich spürbar. Sie haben die finanzielle Situation und die Perspektiven einer ganzen Generation verschlechtert.

Doch nicht nur diese offensichtliche Ursache für die zunehmende Demokratieskepsis fördert die Studie zutage. Sie legt auch eine narzisstische, selbstzentrierte und zugleich von Hypersensibilität geprägte Mentalität offen, die sich vor allem bei den Nachfolgern der „Millennials“, den „Snowflakes“, zeigt. Das Streben nach maximaler persönlicher Zufriedenheit ist das alles überstrahlende Lebensmotto. Der Wunsch, alles immer und überall tun zu können, sich rund um die Uhr völlig flexibel und ohne Verpflichtungen oder gar Zwänge selbst zu verwirklichen, ist dabei ebenso ausgeprägt wie der Reflex, an allem und jedem Anstoß zu nehmen.

Man muss die junge Generation dafür nicht verurteilen. Ihre Einstellungen sind das Produkt der Zeit. Und sie sind – dort schließt sich der Kreis – eine Zwangsläufigkeit fortgeschrittener Demokratien, die es auch dem Letzten recht zu machen versuchen. Eine Politik, die suggeriert, dies sei realistisch, ist hauptverantwortlich für den Vertrauensverlust, weil sie durch ihre nicht einlösbaren Versprechen eine Enttäuschung nach der anderen schafft.

Politisch Andersdenkende als „moralisch fehlerhaft“ betrachten

Es ist kein Zufall, dass die weltweite „Woke“-Bewegung, also die ausschließliche Konzentration auf moralische Fragen, in unseren Tagen eine besondere Dynamik entfaltet, findet sie doch gerade in der U35-Gruppe ihre Unterstützer, weil sie deren Lebensgefühl wie keine andere politische Strömung anspricht. Die Cambridge-Studie hat ergeben, dass viele „Millennials“ politisch Andersdenkende als „moralisch fehlerhaft“ betrachten – das verbindende Element sämtlicher Kampagnen des linken und grünen Spektrums. Offene gesellschaftliche Diskussionen, das Ringen um die besten Lösungen, das Finden von Kompromissen – all das ist ein anstrengender und oft auch frustrierender Prozess. Für „Millennials“ ist dieses zentrale Element lebendiger Demokratien wohl zu anstrengend.

Tatsächlich scheinen die Studienergebnisse nahezulegen, dass gerade dies ihre Demokratieskepsis nährt. Wer sich moralisch auf der richtigen Seite wähnt, sieht wenig Anlass, sich in der Überzeugungsarbeit mit dem politischen Gegner aufzureiben. Demokratische Gepflogenheiten können da nur stören.

Einen wahren Paukenschlag hält die Studie aber auch bereit: Die Erfolge sogenannter Populisten haben in den vergangenen Jahren offenbar zu einer deutlich höheren Zufriedenheit der „Millennials“ mit der Demokratie geführt. Dies ist ein Schlag ins Gesicht der Aktivisten in den Redaktionen und könnte der Grund dafür sein, dass die Cambridge-Studie hierzulande weitgehend unter dem Radar durchgeflogen ist. Wo man doch berichtet hat, wurde diese Kernaussage mitunter umgedeutet. Wer will schon schlafende Hunde wecken, nachdem er sich so viel Mühe gegeben hat, seine „Haltung“ anderen aufzuzwingen.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Ramin Peymanis Blog Liberale Warte.

Foto: Pixabay

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Leserpost

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giesemann gerhard / 07.11.2020

Fazit: Viele junge Leute halten nicht viel von Ihresgleichen.

J.Moennig / 07.11.2020

Empfehle das Lesen von Roland Baader’s Büchern, zB” Warum Intellektuelle unsere Welt zerstören” oder” Kreide für den Wolf”.

D. Schmidt / 07.11.2020

Demokratie ist nicht gleich Demokratie. Das Demokratieverständnis von 20-30-Jährigen unterscheidet sich von dem der 50-70-Jährigen. Die Jungen verstehen darunter meist nur, alles tun, lassen und sagen zu können wonach sie gerade Lust haben. Wenn jemand dann sagt: STOP, sind sie beleidigt und fühlen sich missverstanden bzw. fühlen sich undemokratisch/unfair behandelt.  Die Älteren wissen, dass man auch Kompromisse machen muss und ab und an auch in den sauren Apfel beißen muss, um das Gleichgewicht wieder herzustellen. Für die Jungen gibt es nur “entweder ... oder”. Kurz: Die Studie sagt eigentlich nichts Relevantes.

Christian Sporer / 07.11.2020

Also ich persönlich kann diese Beobachtung nicht teilen. Für meine drei Millenials ist entscheidend ob sich eine website in 0.5sec oder 5sec aufbaut oder ob Netflix zu jeder sekunde verfügbar ist. Über ihre wirtschaftliche Zukunft und Politik machen sie sich null Gedanken solange der Alte die Mobilfunkrechnung bezahlt. Geld ist ihrer Meinung einfach da wie Strom aus der Steckdose. Notfalls kommt es vom Staat. Grün-sozialistische Phantasien befürworten sie zum Teil, weil es ja um das Ganze geht. Persönlicher wirtschaftlicher Erfolg ist ihnen unbekannt solange der Alte dafür sorgt. Anstrengung und Gewinnstreben sind uncool weil es dem Planeten schadet. Ich habe da wenig Hoffnung auf eine Generation die ihr eigenes Schicksal in die Hände nimmt.

Rupert Reiger / 07.11.2020

Demokratie? Die Gewählten sind Machtmenschen im Deckmantel des Gutmenschen, die Wähler sind Neider im Mantel des Gutmenschen, Neider die vorgeben immer nur für andere zu handeln, das ist die große Gutmenschenlüge, keiner gibt Neid zu. Das stabilisiert sich gegenseitig! Wesentlich ist auch der Machterhalt der Gewählten auf Pump. In einer Phase der Stagnation folgt die Jagd nach Steuern, das mindert konsumierbares/investierbares Vermögen. Bleibende Versprechen auf Pump und so anwachsende Staatsschulden führen zu Minuszinsen zum Verhindern des Staatsbankrotts. Der resultierende Vertrauensverlust, immer der große Verhinderer,  mindert Investitionen und so Innovation. Alle Innovation und wirtschaftliche Entwicklung kam aus dem privaten Bereich und aus unternehmerischer Kraft, nie ! aus dem Mittelmaß des Politischen. So wird Sicherheit gesucht, das einzige was noch steigt sind die Immobilienpreise. Es folgt wirtschaftliche Stagnation und trotz Geldschwemme Deflation, aber der politische sowie wählende Gutmensch will die Welt retten. Alle verlieren, aber auch das wird akzeptiert von denen, die weniger verlieren, weil es dann ja auch diejenigen gibt, die mehr verlieren; das ist wesentlich für eine gewisse Stabilität! In der Stagnation antworten die Gewählten mit Totalitarismus; die dürfen das, denn sie sind ja die Guten. Und Katastrophen sind willkommen, wofür man die Schulden maximiert, damit man auch rechnerisch die Schuld darauf schieben kann, wie auch die Schuld für den wirtschaftlichen Niedergang. Und die Gewählten können die Retter sein, bis zum Staatsbankrott. Der Staat steigt in die Wirtschaft ein. Es wird schon schwierig mit den Grundbedürfnissen, das System schwankt (Nur ein Endstadium a la Nord-Korea hat eine gewisse Totalitarismus basierte Stabilität). Erst wenn dieses System durch Hungerkatastrophen (z.B. durch den „Great Reset“) zusammenbricht erfolgt die Phase eines frei-unternehmerischen Neustarts. Dann: da capo al fine. DAS IST DER „DEMOKRATISCHE“  ZYKLUS.

Wolf Hagen / 07.11.2020

Vollkommen richtig, was die Studie da herausgefunden hat. Hinzu kommt, dass ein Großteil der Millenials und Snowflakes weitestgehend bildungsbefreit ist, zumindest was Allgemeinbildung und historisch-politische Bildung betrifft. Nicht ihre Schuld vielleicht, schließlich sind sie die Opfer von Jahrzehnten einer links-grünen Bildungsmisere. Sie wähnen sich, wie alle Ungebildeten, im Besitz der einzigen Wahrheit, wie dämlich diese auch immer sein mag. Meist kennen sie sich nur mit einer Sache wirklich aus, nämlich dem App-Store auf ihren Handys.  Aber keine Sorge, die Jugend aus anderen Erdteilen, wird ihnen zeigen, wo der Hammer hängt und sie notfalls vom globalen Brett fegen. Ich wage zu bezweifeln, das wokes Gejammer und Gefühlsduselei dann helfen werden, oder irgendwen außerhalb von Europa, oder den USA beeindruckt. Entweder lernt die heutige “Jugend” dann schnell zu kämpfen, oder sie fällt dem alten Naturgesetz der Evolution zum Opfer, das da lautet: Friss oder stirb! Das war schon immer so und wird auch immer so bleiben. Besser, wenn man als Elternteil seine Kinder entsprechend erzieht und vorbereitet, Zeitgeist hin oder her.

Gerhard Hotz / 07.11.2020

Dass die Millenials angeblich “heute über einen deutlich geringeren Wohlstand verfügen als die Altersgenossen in den Vorgängergenerationen” kann man anzweifeln. Die 70er, zum Beispiel, waren geprägt von Stagflation (Nullwachstum plus Inflation), massgeblich ausgelöst durch Preisexplosionen beim Oel. Alles schlug ständig auf und schmälerte damals auch das Taschengeld von uns Jugendlichen. Fliegen war für die meisten von uns unerreichbar. Man reiste per Autostopp oder Interrail durch Europa. Die wirtschaftlichen Aussichten waren trübe und es herrschte auch noch kalter Krieg.

Dr. med. Jesko Matthes / 07.11.2020

“...die der herrschenden Politik ein vernichtendes Zeugnis ausstellen, weil diese der fortschreitenden Spaltung der Gesellschaft Vorschub leistet, statt ihr zu begegnen.” - Danke! Das macht mich dann im Kontext der Studie quasi um fünfunddreißig Jahre jünger.

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