Ulli Kulke / 04.04.2020 / 06:25 / Foto: Pixabay / 100 / Seite ausdrucken

Coronabonds – ein AfD-Wahlhit kehrt zurück

Es ist schon rührend, wie sehr gerade aus der linken Ecke, für die der Kampf gegen Rechts oberste Priorität genießt, dieser Tage eine Forderung immer lauter wird, deren Einlösung vor allem auf eines hinauslaufen dürfte: Das Ende des derzeitigen Sinkfluges der AfD, eine Reanimierung in ihrer derzeitigen Krise. Die Erinnerung daran, welche Argumente vor sechs, sieben Jahren in ihren ersten Monaten noch unter Bernd Lucke zum steilen Aufstieg dieser Partei beigetragen haben, scheint bei jenen Zeitgenossen verblasst.

Es ging damals um Regelbrüche in gigantischem Ausmaß im gemeinsamen europäischen Euro-Währungssystem, um ein Land darin zu halten, das in dieser gemeinsamen Währung gar nichts zu suchen gehabt hätte, wenn es mit rechten Dingen zugegangen wäre. Ihr Protest dagegen bescherte der Partei ihre ersten Parlamentssitze, machte sie groß.

Jetzt, in der Coronakrise, soll der Regelbruch eine ganz neue Dimension erhalten, und es ist absehbar, dass, sollten sich CDU und CSU auf dieses Spiel einlassen, sie ihr derzeitiges Umfragehoch gleich wieder vergessen können: Eurobonds, die Ausgabe gemeinsamer Schuldscheine, bei der jene Staaten, die auf dem Kreditmarkt (heute noch) höchste Bonität genießen – zum Beispiel Deutschland, Niederlande und andere – in gemeinsame Haftung eintreten mit Ländern, die latent hart an der Staatspleite operieren.

Um solche Papiere, deren Ausgabe bei der Begründung der Euro-Währung mit gutem Grund ausgeschlossen wurde, jetzt salonfähiger scheinen zu lassen, nennt man sie nun „Coronabonds“. Das Ziel: Italien soll in den Genuss der günstigen Kreditbedingungen der seriös wirtschaftenden Staaten kommen, um die eigene drohende Pleite abzuwenden. Doch schon hier, im Ansatz, liegt der Trugschluss.

Die günstigen Kreditbedingungen auf dem Geldmarkt – vor allem niedrige Zinsen – genießen die solventen Länder schließlich nur deshalb, weil sie von den Ratingagenturen als zahlungsfähige Schuldner eingestuft werden und ihr Gütesiegel „AAA“ erhalten haben. Ob dies bei einer Haftungsunion mit höchst gewichtigen Pleitekandidaten (Italien ist die drittgrößte Volkswirtschaft der EU) so bleibt, steht auf einem ganz anderen Blatt, da könnte sich in das Triple-A mittelfristig das eine oder andere „B“ einschleichen – auch für Deutschland. Wenn nun aus Italien, Portugal und anderen Ländern nahezu ultimativ die Coronabonds gefordert werden, so heißt dies nichts anderes, als dass die jetzt so kreditdürstenden Staaten die Kuh, die über den europäischen Rettungsschirm ESM und dank ihrer solventen Situation ja durchaus bereit ist, den schwächeren Partnern gehörig Milch zu geben, auf den Weg zum Schlachthof schicken wollen.

Italien-Begeisterung der Deutschen kriegt Knacks 

Die Belohnung für die Regierungschefs und Finanzminister der Südländer: Sie bräuchten, wenn sie mal wieder auf die Website der Ratingagenturen klicken, nicht mehr auf so herabwürdigenden Minderbewertungen hinter den Triple-A-Staaten schauen, alle wären gleich, Corona sei Dank. Und dass auf den Einstieg in den Coronabond irgendwann der Ausstieg aus dem Eurobond folgen würde, können diejenigen, die dies jetzt betreiben, vielleicht jemandem erzählen, der sich die Hose mit der Kneifzange anzieht – hätte man in jenen Zeiten gesagt, als solide Haushaltsführung noch etwas galt.

Alle politische Erfahrung mit neuen, angeblich nur vorübergehend eingerichteten Finanzquellen für die öffentliche Hand – angefangen von Kaiser Wilhelms Sektsteuer bis zum Soli für die deutsche Einheit – straft solche Behauptung Lüge. Dies sollten auch jene Handvoll eher konservativer Ökonomen bedenken, die sich jetzt erstaunlicherweise ebenso für die Coronabonds aussprechen.

Dass diese ganz besondere Situation, der beispiellose Wirtschaftseinbruch, solche ganz besonderen Ausnahme-Maßnahmen rechtfertigen, ist ein durchschaubares Argument, was regelmäßig in solchen Krisen aufkommt. Zum einen sind die einstmals festen Regeln für den Euroraum – besonders die „No Go's“ – nicht für den gut funktionierenden Normalbetrieb geschaffen, sondern mit viel Bedacht genau für solche besonderen Lagen, in denen der leichte Griff nach dem Geld besonders verlockend erscheint. Und zum zweiten könnte man ganz besonders in solchen Krisenzeiten froh sein, dass es noch solvente, kreditwürdige Partner gibt, die als „Last Resort“ den Schwächeren unter die Arme greifen können, deren Bonität man noch nicht mit nach unten gerissen hat. Besonders, wenn die Lage sich weiter dramatisiert.

Italien muss geholfen werden, und es wird geholfen werden. Der Eurorettungsschirm ESM steht bereit. Aber wenn Premier Conte jetzt mit treuherzigem Blick in die Fernsehkameras den Nachbarn im Norden beteuert, die Auflage von Coronabonds werde sie nicht belasten, darf man ihm schon entgegnen, dass die Verschlechterung der Bonität Deutschlands natürlich Geld kostet. Haftungsunion bedeutet höhere Zinsen für die an sich höchst kreditwürdigen Länder. Gewiss, die Zinsen sind derzeit – noch – niedrig. Doch nur deshalb dürfen wir überhaupt an die Kreditaufnahme in dieser nie dagewesenen Höhe denken, die jetzt in der Coronakrise nötig ist, ohne dass wir wegen nächtlicher Gedanken an die Generation der Urenkel um den Schlaf gebracht werden. Und deshalb können wir auch Italien helfen.

Von den politischen Kosten, die eine Haftungsunion mit sich brächte, ganz zu schweigen: Die Behauptung, dass die EU, wie jetzt manche behaupten, durch dieses Un-Instrument gestärkt würde, darf man getrost ins Märchenregal verstauen. Spätestens, wenn Deutschlands Solvenz bei den Rating-Agenturen leidet, könnte die Italien-Begeisterung der Deutschen einen Knacks bekommen. Wie auch die derzeitigen Umfrage-Konstellationen. Aber vielleicht finden ja dieser Tage manche den Gedanken attraktiv, den Kampf gegen Rechtsaußen lieber auf der Straße zu führen statt durch kluge, vorausschauende Politik. Sie dürften sich wundern.

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Heribert Glumener / 04.04.2020

Die Begebung der Corona-Bonds, zum objektiven Schaden Deutschlands, halte ich für eher wahrscheinlich. Genauso wahrscheinlich ist es, dass dies keineswegs besagter AfD eine Revitalisierung bereiten wird (was U. Kulke wohl meint). Im Gegenteil: Die Mehrheit der Deutschen ist doch völlig besemmelt. Diese Deppen glauben, sie lebten in einem reichen Land (dazu gern den Ökonomen Daniel Stelter mit seinem “Märchen von reichen Land” lesen). Die Deppen realisieren auch nicht, dass Deutschland hinsichtlich Vermögen EU-weit und international zur 2. oder gar 3. Liga gehört. Sie kapieren auch nicht, was solche Corona-Bonds rechtlich und haftungsbezogen überhaupt sind. Nein, die Deppen glauben einer alten malignen Frau (die sie noch dazu als Mutti wahrnehmen) und dem GEZ-Nachgequatsche, dass wir uns in der schwersten Krise / größten Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg befinden. Irgendwas stimmt mit den Leuten nicht. Ich habe mal gelesen, dass die Zustimmung zum Adolf 1944 größer denn je gewesen sein soll, und wollte so etwas nicht glauben. Aber vielleicht war das damals doch so. Hoffentlich wird unsere Zukunft nicht zu übel.

René Haid / 04.04.2020

Es werde in der europäischen Schuldenkrise keine gemeinsame Haftung geben, “solange ich lebe”, sagte Angela Merkel vor der FDP-Fraktion (2012). ... auch Schnee von gestern.

Richard Kaufmann / 04.04.2020

@ Frances Johnson: Recht haben Sie. Sogar das Virus nehmen die Reichen den Armen weg. Was für eine Ungerechtigkeit! Und wenn es um zwingen geht, so sollte man die komplette Bundesregierung samt der galaxisweit geschätzten Anführerin zwingen, sich in die Wüste zu verp… dünnisieren.

Steffen Rascher / 04.04.2020

Die von der AfD machen ihre Sache nicht schlecht, die werden schlecht gemacht. Nach einem fulminanten Start gibt es immer einen Einbruch. Die Altparteien haben zusätzlich jede Möglichkeit, auch die Unanständigste genutzt, um ihrem politischen Kontrahenten zu schaden. Warum die Mühe, wenn die von der AfD sowieso keine Ahnung haben und also scheitern müssen? Wer allerdings den Journalisten droht, der braucht sich über schlechte Presse nicht zu wundern. Da sind die besser gefahren, die gemacht haben was Journalisten für richtig befunden haben. Sind Journalisten gewählt worden? Haben die ein Programm vorgelegt? Nein, das haben sie nicht gemacht, aber regieren wollen sie trotzdem. Die Regierung kontrollieren die schon lange nicht mehr, denn die Politik macht ja schon lange was die Journaille sich wünscht. Der Wähler wird dann so informiert, dass es schön passt und das System ist rund. Corona kommt da wie bestellt und man ist bemüht die Erregung hochzuhalten, um die Steuerbarkeit der Massen zu gewährleisten. Und die lassen sich gerade super steuern.

Stephan Bujnoch / 04.04.2020

Literarisch war der erste Bond wohl James Bond von Ian Fleming. Europäisch finanztechnisch gesehen war der erste Bond der Euro. Durch ihn wurden die notorischen Pleitiers Europas in die Lage versetzt, statt der unter der eigenen Währung auf den Finanzmärkten aufgerufenen hohen Zinssätze deutlich niedrigere €-Zinsen beim Begeben von Anleihen zu zahlen. Aber ich habe diese Spezies nicht umsonst Pleitiers genannt, denn es kam wie es kommen musste : Statt den deutlich niedrigeren Zinsdienst zu nutzen, um sich langfristig zu entschulden, rief man kollektiv hurra, jetzt können wir mit gleichen Zinstitel im Haushalt noch mehr Geld aufnehmen! Und weil das so gut funktioniert hat, will man jetzt die nächste Eskalationsstufe der Verschuldung erklimmen. Wie blöde oder wie verlogen können Politiker eigentlich sein? Warum sollten denn die mediterranen Pleitiers ihre Gewohnheiten des Lebens von der Hand in den Mund aufgeben, nur weil es “Eurobonds” gibt? Sie werden genau dasselbe tun, was sie schon bei der Einführung des € getan haben, noch mehr Schulden machen. Und die blöden Nordländer zahlen die Zeche, im wahrsten Sinn des Wortes. Wenn Corona dieses verlogene politische Betrugsgebilde namens EU über die Wupper schickt, wird der alte Spruch, daß in jeder Krise auch eine Chance steckt, auf geradezu atemberaubende Weise bestätigt!

Eberhard Berger / 04.04.2020

Herr Kulke, wann soll es den steilen (!) Aufstieg der AfD gegeben haben? An den Wahlergebnissen sehe ich nichts dergleichen. Und die Mehrheit der hier schon länger lebenden sieht die Brisanz der Schuldenvergemeinschaftung einfach nicht.  Davon ab: Anfangs war der ESM-Topf mit mindestens 700 Mia EURO gefüllt, jetzt sind noch 411 Mia EURO übrig (lt Tagesschau). Man hat also still und heimlich schon ca 300 Mia EURO unter die Leute gebracht, und das zusätzlich zu der indirekten Staatsfinanzierung durch die EZB (s. Kauf von Staatsanleihen, s. Target2-Salden). Wie lange geht das noch gut?

Rolf Mainz / 04.04.2020

“Sollten sich CDU und CSU auf dieses Spiel einlassen, können sie ihr derzeitiges Umfragehoch gleich wieder vergessen.” Ihren Optimismus kann ich nicht teilen. Das Gros der deutschen Bevölkerung wird (erneut) gar nicht verstehen, was jene Bonds bedeuten und welche Risiken sie in sich tragen - wie schon das Gros nicht versteht, dass die vermeintlich schönen EU-Exporterfolge Deutschlands allzu oft “auf Pump” bei Deutschland (Target 2) basierten. Weite Teile des Wahlvolks werden erneut der Regierung ihre Stimme hinterherwerfen, samt künftigem grünen (also tiefroten) Koalitionspartner. Wetten, dass?

Rudolf George / 04.04.2020

Die Linke arbeitet konsequent daran die deutsche Wirtschaft zu ruinieren, da sie hofft, dass soziale Not sie an die Macht spülen wird. Die Grünen fahren ein ähnliches Programm, allerdings dient die zu erwartende Massenverarmung der „Rettung“ des Planeten. Die SPD irrlichtert führungslos hinterher. Und die Union? Sie macht alles, um der Kanzlerin eine weitere Amtsperiode zu ermöglichen. Daher wird sie sich jedem Schwachsinn anschließen, der von den Medien ausreichen lautstark propagiert wird.

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