Volker Seitz / 20.06.2022 / 12:00 / Foto: Imago / 25 / Seite ausdrucken

Christen-Verfolgung in Nigeria

Die jüngste Ermordung von 40 Gläubigen in einer katholischen Kirche im Südwesten Nigerias hat die Besorgnis über die religiöse Gewalt gegen Christen in dem Land neu entfacht. Die Anteilnahme verebbt aber rasch und es wird wieder verschämt geschwiegen, wenn es um die Not der Christen in Nigeria geht.

Fanatiker aus dem mehrheitlich muslimischen Norden machen jetzt auch Jagd auf Christen im christlich-animistischen Süden Nigerias. Die Christian Association of Nigeria (CAN), ein Dachverband, der kirchliche Gruppen vertritt, erklärte, dass seit 2019 die Angriffe auf Kirchen und gegen Christen erneut deutlich zugenommen haben. Demnach gab es in diesem Jahr bereits 23 Angriffe auf kirchliche Einrichtungen und Personen. In den Jahren 2021 waren es 31 und 2020 waren es 18. Das ist nicht neu, denn bereits vor einem Jahrzehnt, 2012, gab es 46 Angriffe auf christliche Ziele. Die von Event Data Project (ACLED) gesammelten Daten beruhen auf lokalen Gruppen und Medienberichten, und viele Anschläge bleiben möglicherweise unentdeckt. Es ist schwierig, genaue Zahlen zu bekommen, wie viele Menschen bei gezielten Angriffen auf Christen ums Leben gekommen sind. 

Gesichert scheint, dass jährlich mehr als 3.000 Christen in Nigeria sterben. Sie werden von blindwütigen Muslimen und islamischen Terrorgruppen ermordet. In keinem Land der Welt werden mehr Menschen aus religiösen Gründen getötet. Nach Angaben des Priesters und Universitätsprofessors Obiora Ike wurden in Nigeria mehr als zwei Millionen Nigerianer, mehrheitlich Christen, aus ihren Dörfern vertrieben. Das scheint die Weltöffentlichkeit nicht ernsthaft zu beschäftigen. 

Am Pfingstsonntag in der Stadt Owo im südwestnigerianischen Bundesstaat Ondo töteten Terroristen mit Sprengsätzen und Maschinengewehren während der Pfingstmesse in der katholischen St-Francis-Kirche 40 Menschen, zumeist Frauen und Kinder. 

Zum ersten Mal ein Anschlag im überwiegend christlichen Süden

Weitere zeitnahe Vorfälle: Der Leiter der Methodistenkirche, Samuel Kanu Uche, wurde am 29. Mai im Südosten des Landes entführt und im Bundesstaat Katsina wurden am 25. Mai zwei katholische Priester entführt. 

Bis jetzt gab es immer wieder Anschläge von Islamisten im Norden Nigerias. Die Terrorgruppe Boko Haram lehnt das Christentum und westliche Bildung strikt ab. Sie terrorisiert schon seit Jahren die Bevölkerung im Norden Nigerias. 

Jetzt wurde zum ersten Mal ein Anschlag im überwiegend christlichen Süden verübt. Dschihadistische Gruppen haben in den vergangenen Jahren zahlreiche Anschläge auf Kirchen im mehrheitlich muslimischen Norden begangen. Im Süden leben bisher Christen und Muslime seit Jahrhunderten weitgehend friedlich zusammen. 

Der Gouverneur des Bundesstaates Ondo, Oluwarotimi Akeredolu, bezeichnete den Mord am Pfingstsonntag als „ein großes Massaker“ und sprach von einem „gemeinen und satanischen Angriff“. Es handele sich um einen kalkulierten Angriff auf friedliebende Menschen in Owo. 

War es Boko Haram?

Die Hintergründe des Verbrechens liegen bislang noch im Dunkeln. Aber Angriffe auf Kirchen und Geiselnamen auch von Geistlichen wurden im Norden schon häufig von der Gruppe Boko Haram verübt: Bereits 2002 ist die fundamentalistische Gruppe um den Prediger Mohammed Yusuf in einer Moschee in Maiduguri/ Bundesstaat Borno entstanden. Terroraktionen begannen 2014. 

Innenminister Ogbeni Rauf Adesoji Aregbesola macht die Terrororganisation „Islamic State of West African Province“ (ISWAP) für den Mord in Owo verantwortlich. ISWAP ist eine Splittergruppe von Boko Haram.

Staatspräsident Muhammadu Buhari (79) war 2015 (wieder gewählt 2019) mit zwei Prioritäten angetreten: Kampf gegen die Korruption und Vernichtung der islamistischen Terrorgruppe Boko Haram. Bei beiden Punkten sind die Ergebnisse dürftig. Bei der Korruption hat er wenig erreicht, auch weil er bei seinen Angehörigen, die der Korruption verdächtig sind, die Augen schloss. Im Kampf gegen Boko Haram gab es Erfolge. Aber der Norden des Landes leidet weiter unter Angriffen und Massakern. Die Terrormiliz ist zwar in den Busch zurückgedrängt worden, aber etliche Male haben Terroristen in den letzten Monaten die Zivilbevölkerung, Militäreinrichtungen und vermutlich zuletzt die Kirchenbesucher in Owo angegriffen. 

Der nigerianisch-amerikanische Autor Teju Cole („Open City“, Suhrkamp, 2012) äußerte sich in einem Interview mit Angela Schader, NZZ-Online am 30.9. 2014:

„Bei Boko Haram spielt neben dem theologischen Aspekt ein anderer Faktor eine bedeutende Rolle: Der Norden Nigerias wurde über Jahrzehnte vernachlässigt, und ich glaube nicht, dass die Bewegung dort hätte Fuß fassen können, wenn die Menschen besser versorgt gewesen wären. Von Lagos aus gesehen ist der Norden eine ferne, andere Welt. Nigeria hatte eine ganze Anzahl Präsidenten, die aus dem Norden stammten, und alles, was ich als Heranwachsender in Lagos hörte, war: Die rauben uns aus, der Norden kriegt alles, während der Süden geplündert wird. Oh ja, die Herren Präsidenten haben geplündert, aber nur, um sich selbst zu bereichern; der Norden blieb de facto noch ärmer als der Süden des Landes. Aus diesem Elend gehen perspektivlose junge Männer hervor, denen es nichts ausmacht, zu töten und getötet zu werden. Und leider ist die Ähnlichkeit von Boko Haram und dem IS nicht mehr von der Hand zu weisen; in den letzten Monaten hat Boko Haram erstmals Ortschaften erobert und Territorium zu besetzen begonnen. Nun haben sie die Menschen unter Kontrolle und machen ihnen das Leben zur Hölle.“

Leider ist diese Aussage auch nach mehr als acht Jahren nicht veraltet. Boko Haram ist immer noch ein Sammelbecken für junge Leute ohne Bildung und Job. Boko Haram ist ein Begriff der Haussa-Sprache und bedeutet so viel wie „die westliche Erziehung ist eine Sünde“.

Nach dem Pfingst-Attentat kamen einmal mehr auch bei uns von Politik, Kirche, Medien gut geölte Betroffenheitsfloskeln und sehr abwägende Beurteilungen über das mörderische Verbrechen. Eindeutige Positionen für die verfolgten Christen und das Entsetzen über die Tat überdauern nur wenige Tage. In einem Land, in dem Bischöfe manchmal das Kreuz ablegen und in Predigen staatsnah politisieren, verebbt die Anteilnahme rasch und es wird wieder verschämt geschwiegen, wenn es um die Not der Christen in Nigeria geht. 

Volker Seitz war von 1965 bis 2008 in verschiedenen Funktionen für das deutsche Auswärtige Amt tätig, zuletzt als Botschafter in Kamerun, der Zentralafrikanischen Republik und Äquatorialguinea mit Sitz in Jaunde. Er gehört zum Initiativ-Kreis des Bonner Aufrufs zur Reform der Entwicklungshilfe und ist Autor des Bestsellers „Afrika wird armregiert“. Die aktualisierte und erweiterte 11. Auflage erschien am 18. März 2021. Volker Seitz publiziert regelmäßig zu afrikanischen Themen und hält Vorträge. 

Foto: Imago

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H.Milde / 20.06.2022

Nachtrag: etwas off topic, andererseits doch nicht, irgendwie. In/bei Kassels #15 Documenta, haben wohl Kunstschaffende aus einem Land mit hohem Gläubigenanteil der wahren Friedensreligion, ein Großgemälde gezeigt, was irgendwie zu “Irritationen” geführt haben soll? Die sinistroviride Kulturstaatsministerin des besten D€utschland das es bisher gab, diejenige also, die auch mal gerne mit netten Mullahs die Israel so gerne atomisieren möchten, Hi5 macht,  gibt sich protokollgemäß und staatsraisonabel empört, ebenso wie ein bekannter Gratulant zu deren gelungener “Revolution”. Ad nauseam…....Quelle: WOnline

A.Lisboa / 20.06.2022

Mitglieder der Boko Haram sitzen ja bereits zahlreich in deutschen Parlamenten und Institutionen. Hier in D bzw. Westeuropa heißen sie nur anders, sowas nennt man Labeling. Die Einheiten, die den Kampf gegen die Ungläubigen auf breiter Front aufnehmen werden, sobald die Muslime ca. 30 % an der Bevölkerung haben, stehen bereits Gewehr bei Fuß. Aktuell gilt noch die Hudna, also der Waffenstillstand nach der Scharia während des Dschihad. Im islamischen Recht (Scharia) ist eine Hudna die einzige Form friedlicher Koexistenz zwischen dem Gebiet des Islam (Dar al-Islam) und einem nicht unter islamischer Herrschaft stehenden Gebiet (“Haus des Krieges”, Dar al-Harb), da ein Friede zwischen beiden Gebieten im islamischen Rechtsdenken unmöglich ist. Bald werden wir in D und Westeuropa also unsere eigenen Boko Haram-Terrorüberfälle haben, dann müssen wir nicht mehr nach Nigeria schauen.

Albert Dambeck / 20.06.2022

Vielen Dank für den Artikel, bzw. für den Hinweis auf diese Situation.

A.Schröter / 20.06.2022

Was geht das uns hier in Deutschland an? Nichts! Dann soll sich der Papst drum kümmern.

H.Milde / 20.06.2022

Nun, wann wird man hier wohl über solche “Einzeltaten” von geschenkten “Einmännern” mit den obliagtorischen psychischen Problemen, vllt. sogar nur über “Feindsender”, hören dürfen? In der Grande Nation hat man sich ja anscheinend auch schon dran gewöhnt, oder weiß man was Neues über die Brandstiftung von Notre Dame, die demonstrativen Priester-, und Christenabschlachtungen, die vielen, vielen Anschlägen auf Kirchen, Synagogen, Priester, Rabbiner, Nonnen, Christen, Juden? Gibt es eine Statistik, die nicht nach innerd€utschen Maßstäben “bearbeitet” wird? Werden dann bald auch hier die christlichen Kirchen gesichert werden müssen, wie die Synagogen im besten D€uttschland das es bisher gab? Á propos Synagogen, werden in Ländern die weniger oder fast gar keine mehr als Gold werten Fachkräfte va. seit 2015 eingeladen haben, diese auch so vor Mordanschlägen geschützt? Ich meine ma hier ad Achse gelesen zu haben das zB. in Ungarn und Polen es nicht so sei? Das die AmtsGeschäfts-Kirchen, insbes. der CEO Vatican Inc., Bergoglio, so schreiend schweigt, wundert irgenwie auch nicht mehr irgendeinen. Aber sein Chef, der bemerkt es .

Martin Schmitt / 20.06.2022

@H.Reichmuth - ihr Satz: “Ich verabscheute schon als 20-jähriger Sozialdemokraten-Wähler die Kommunisten,...”, in welchem Jahr waren Sie den 20 Jahre alt? Es muß vor 1980 gewesen sein, weil ab da waren die Sozialdemokraten auch schon Kommunisten.

Martin Schmitt / 20.06.2022

Die Vertreter unserer beiden großen Kirchen in Deutschland interessiert das natürlich nicht, weder die katholische noch die evangelische Kirche sind noch Christen - es sind jetzt sozialistische Verbände mit rotgrüner Ideologie. Egal wo auf der Welt Christen von den Moslems verfolgt und getötet oder schikaniert werden/wurden, ob jetzt da in Nigeria oder irgendwo in der Türkei, Syrien, Libanon etc. - diesen schwachsinnigen, naiven Volltrotteln der Kirchen -vom Kardinal bis zum einfachen Priester- ist doch gar nicht klar was da abgeht. Im Gegenteil, diese Schwachmaten unterstützen doch sogar den millionenfachen Zuzug von Moslems nach Europa. Das Schlimme an dem Ganzen ist aber auch der Umstand, daß selbst wenn ein Aufschrei in den Medien oder durch die Politik erfolgen würde, was würden/könnten wir tun? NIX, denn wir sind so geschwächt daß wir mit den moslemischen Invasoren in den eigenen Ländern in Europa nicht mehr fertig werden.

Ludwig Luhmann / 20.06.2022

“Gesichert scheint, dass jährlich mehr als 3.000 Christen in Nigeria sterben. Sie werden von blindwütigen Muslimen und islamischen Terrorgruppen ermordet.”—- So einfach und so ehrlich kann und muss man es ausdrücken. Denn, immer wenn das Wort “Islamisten” verwendet wird, weiß man, dass es eigentlich darum geht, den Islam reinzuwaschen.

Herbert Müller / 20.06.2022

Unsere Supermoralisten schweigen hierzu. Hier zeigt sich die ganze Verlogenheit. Keine Lichterketten im Land. Im Gegenteil, sie versuchen Islamkritikern “verfassungsschutzrelevante Islamfeindlichkeit” anzudichten und sie damit als Verfassungsfeinde darzustellen. Man schützt eine Ideologie, welche keine anderen “Wahrheiten” zulässt als die des Koran und der Hadithen. Toleranz können sie von Seiten des Islam nicht erwarten. Die Unterscheidung zwischen Islam und Islamismus ist eine westliche Erfindung, die davon ablenken soll, dass der Islam an sich eine gewalttätige Religion ist. Mohammed war gewalttätig und gilt im Islam als perfekter Mensch, den jeder gläubige Moslem nachzuahmen hat.

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