Wer in Bayern lebt oder zumindest einmal Gerhard Polt im Fernsehen zugeschaut hat, weiß, was ein Zwetschgenmanderl ist. Laut Polt handelt es sich um einen „kleinen mickrigen Kerl, ausgestattet mit einem Schädel, der wo nichts aushält“. Zwetschgenmanderl gibt es zur Weihnachtszeit bundesweit auf den Weihnachtsmärkten, zumindest solchen, die nicht abgesagt worden sind. Das ganze Jahr über kann man ein prominentes Exemplar in Berlin beobachten oder in Köln-Mülheim, wo sich das Wahlkreisbüro von Karl Lauterbach befindet, unserem neuen Gesundheitsminister.
Lauterbach erfüllt ohne Zweifel zentrale Anforderungen an ein Zwetschgenmanderl, er könnte sogar als Prototyp eines solchen durchgehen. Der Mann ist nicht besonders groß und ausgesprochen schmächtig, woran auch jene auffällige Fliege, die lange Zeit als sein Markenzeichen galt, nichts ändern konnte. Seine Stimme klingt kraftlos und dünn und wirkt mit ihrem ausgeprägten dialektalen Akzent, der es ihm nicht gestattet, ein sattes „sch“ so auszusprechen, wie es sich gehört, irgendwie niedlich, was dem ganzen Mann die Anmutung einer gewissen kindlichen Hilfsbedürftigkeit verleiht.
In der Linguistik spricht man von einem stimmlosen alveolopalatalen Frikativ (Reibelaut), der in einigen deutschen Dialekten anzutreffen ist. Auch der Pfälzer Helmut Kohl tat sich schwer, ein „sch“ auszusprechen („Mantel der Geschichte“), wobei der frühere Bundeskanzler im Gegensatz zu Karl Lauterbach kein Zwetschgenmanderl war.
„Viele Dinge, die nicht dem entsprechen, was ich anderen empfehlen würde“
Ob Lauterbachs Schädel einer ist, der wo nichts aushält, kann ich aus der Ferne nicht beurteilen. Aber ich fürchte angesichts seiner Gesamterscheinung, dass er im Ring ein noch schlechteres Bild abgeben würde als Helmut Fischer alias Monaco Franze bei seinem selbstmörderischen Boxkampf mit dem Provinz-Champion „King“ Ludwig, dem „Killer“ oder „Stier von Sendling“. Dafür lief er, Lauterbach, im Ring der Talkshows zu seinem Lieblingsthema Corona immer zu großer Form auf, wobei die fürsorgliche Auswahl der Gäste durch die Verantwortlichen der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten zuverlässig dafür sorgte, dass er nur selten in echte Bedrängnis kam.
In seiner Eigenschaft als Zwetschgenmanderl vom Dienst der Ampelregierung kann man ziemlich sicher sein, dass ein Mann wie Lauterbach nicht über die Stränge schlägt, zumindest nicht kulinarisch. Dafür bürgt schon die Tatsache, dass er angeblich seit 30 Jahren vollständig auf Salz verzichtet, „wenn es über die natürlichen Spuren in den Lebensmitteln hinausgeht“. Er bestelle sogar Speisen in Restaurants mit diesem Extrawunsch. Auf Fleisch verzichte er ebenfalls, verriet er dem „Spiegel“. Zu seinen „ganz normalen Lastern“ zählt Lauterbach dagegen den Genuss von Kaffee (schwarz) und Wein (jeden Tag). „Ich mache viele Dinge, die nicht dem entsprechen, was ich anderen empfehlen würde“, sagte er „ganz offen“, wie der Spiegel-Reporter geflissentlich notierte.
Faible für Lachsfisch
Hoffen wir, dass es auch im neuen Amt des obersten Wächters über die deutsche Volksgesundheit dabei bleibt und Lauterbach nicht auf die Idee kommt, seinen Untertanen nach dem normalen Leben auch noch das Salzen von Speisen zu verleiden, während der Vegetarier Cem Özdemir im Zusammenspiel mit dem stellvertretenden Chefredakteur der ZEIT und bekennenden Veganer, Bernd Ulrich, dem Fleischkonsum zu Leibe rückt. In einem Tweet als Reaktion auf Özdemirs Willen, Fleisch und Wurst unerschwinglich zu machen, erklärte er jüngst das karnivore Begehren von Menschen generell für illegitim. „Wo es möglich ist, zu leben, ohne zu töten, ist es auch geboten.“ Ob es auch geboten ist, zu leben, ohne zu leben, ließ Ulrich offen.
Hier könnte nach der von der EU als „grün“ deklarierten Atomenergie bereits ein weiteres innerkoalitionäres Konfliktfeld lauern, hat sich Lauterbach doch in einem Video als Liebhaber von „Lachsfich und anderen fichvegetarichen Gerichten“ (nach dem Original transkribiert) geoutet. Bei Lachsfisch handelt es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um die große Familie der Salmoniden, zu der auch so beliebte Speisefische wie Forellen, Renken und Äschen zählen. Was Lauterbach mit „anderen fischvegetarischen Gerichten“ meinte, bleibt dagegen unklar, aber gehen wir davon aus, dass der SPD-Politiker zur Gattung jener Menschen gehört, die zwar Fleisch verschmähen, jedoch auf Fisch partout nicht verzichten wollen, was als Ausdruck eines rheinisch-katholisch konnotierten Verständnisses subsidiärer Askese verstanden werden kann.
Sein Faible für Lachsfisch, kurz Lachs, macht mir Lauterbach nun doch wieder ein wenig sympathischer, denn dieser Fisch ist alles andere als ein schwimmendes Zwetschgenmanderl, sondern ein sehr nahrhafter und bei der Zubereitung selbst durch untalentierte Hobbyköche fast unverwüstlicher Geselle. Frisch gekauft als Steak oder Filet, sollte man ihn nur kurz in einem aromatischen Wurzelsud dünsten und dann idealerweise mit einer Beurre blanc, Pellkartoffeln und Blattspinat à la Lauterbach servieren. Das geht schnell und mundet vorzüglich, wenn man sich für eine gehobene Qualität, etwa einen schottischen Lachs mit Label Rouge, entschieden hat statt für ein „Unterwasserhähnchen“. Ein wenig Salz sollte allerdings schon sein, sonst schmeckt selbst der geschmacklich überaus markante Meeresbewohner wie eingeschlafene Füße, also etwa so, diese Spitze muss noch sein, wie Karl Lauterbach aussieht.