Herr Etscheid, ich beneide Sie. Sie haben noch einen “italienischen Feinkosthändler um die Ecke”. Dies hatte ich zuletzt vor ca. 30 Jahren; auch damals nicht gerade “um die Ecke”, aber immerhin in erreichbarer Nähe (in einer Entfernung von vier Straßenbahn-Haltestellen). In jener guten alten Zeit gab es um den zentralen Platz meines Vororts auch noch drei Metzgereien. Tempi passati. Jetzt ist dort nur noch ein Supermarkt mit kleiner Frischwurst- und Fleischtheke. Dafür gibt es jetzt anderes, was damals noch nicht geboten wurde: Jetzt habe ich - anders als seinerzeit - jede Woche vier bis fünf Prospekte von Lebensmittel-Discountern mit deren aktuellen Sonderangeboten im Briefkasten. So hat halt jede Zeit ihre eigenen kulinarischen Höhepunkte.
Leider gehen Sie mit keinem Wort darauf ein, wie wichtig die Qualität des Ausgangsproduktes ist. Was nützen einem beim Kaffeekochen Angebergeräte, die so viel kosten wie ein Gebrauchtwagen, wenn man den billigen heißluftgerösteten Dreck, der beim Discounter als “Kaffee” verkauft wird, dort einfüllt? Für das Geld, dass man für für diese Geräte ausgibt, könnte man sich auch jahrelang einen perfekt gerösteten Kaffee einer kleinen Rösterei leisten. Der dann, frisch gemahlen und einfach mit heißem Wasser aufgebrüht, tatsächlich auch nach Kaffee schmeckt und nicht nach erhitztem Altöl.
Ich erlaube mir die blasphemische Bemerkung, dass einige Instant-Pulver-Espressos ganz hervorragend sind. Natürlich nur wenn man ohne Crema leben kann.
Wie wahr. Es ist halt das Geprotze der heutigen Zeit. Bleikristall, Porzellan und Silberbesteck interessieren nur noch polnische Omas und bei aller Kritik ist Wikipedia trotzdem besser als ein Goldschnitt -Brockhaus. Womit zeigt der Bürger seinen Reichtum, wenn nicht in der Küche? Sehr oft ist dann die ganze Küche eh nur Deko, weil man das Abendessen dann doch lieber beim Nobelitaliener ordert und per E-Bike liefern lässt.
Bialetti , 3 Tassen- Kocher , bei Amazon 27 Euro . - So bleibt mehr Geld übrig für eine Auswahl an Dessous und anderer Kleinigkeiten als Geschenk für ... “die Frau , die man zum Spielen abholt” .
Dieser Tage erhielt ich per Mail die Werbung eines Elektronik-Versenders, der eine “Refurbished”-Kaffeemaschine anbot, Markengerät mit Neupreis nahe der 200€, angepriesen mit Top-Features: Touchbedienfeld ( 3 Kaffeestärken + Over-Ice Kaffee), 7 Portionsgrößen über Multiserve-Drehregler auswählbar, Leistungs-aufnahme: 1750 W, Brühtemperatur von 92…96 °C innerhalb von 60 Sekunden, kann sowohl in eine Glaskanne brühen, als auch Einzeltassen. Alles schön und gut, aber keine integrierte Kaffeemühle, also Selbstmahlen/Dosieren von Hand/Auge erforderlich, was die ganzen Komfort-Features zunichte macht. Beim Lesen der Rezensionen auf AMAZON stellte sich dann heraus, daß das Gerät ein Problem hat, nämlich den Wasserbehälter, was vermutlich auch das Refurbished-Angebot erklärt: Rückgabe durch unzufriedene Kunden, da das Gerät teils schon im Neuzustand den Fehler E21 auf dem wunderbaren Display anzeigte: Wasserbehälter sitzt nicht richtig, herausnehmen, neu einsetzen, bzw. Neustart der Maschine. Das ist natürlich schwach, bei dem Preis, und darf nicht vorkommen, auch wenn Bedienfehler der Kunden mit verantwortlich wären. Nun zu den Profis: beliebt ist es ja, sündteure “Profi”-Kaffeemaschinen in Betrieben mit Kundenverkehr aufzustellen, zwecks Eindruck schinden, ich kenne auch ein Beispiel, wo darauf geachtet wurde, nur Kondensmilch der Marke mit dem Braunpelz zu reichen, um jedes Billig-Image zu vermeiden. Nur wurde die Maschine nicht oft genug gereinigt, und war innen voll Schimmel. Guten Appetit. Und sicher werden jeden Tag teure Kaffeemaschinen von Leuten ausgemustert, “weil der Kaffee nicht mehr schmeckt”, dabei sind sie nur innen zugesetzt mit ranzigen Fettrückständen und Kaffeemehlresten, weil der Service zu selten gemacht wird. “Abhilfe” schaffen dann die cleveren Hersteller mit pro Jahr Hunderte € teuren Reinigungsmitteln, natürlich im Abo. Da ist für den Haushalt oft die 29€ Billig-Kaffeemaschine aus dem Großmarkt günstiger, da weniger mit Technik überfrachtet.
Ein Freund hat eine wunderschöne, sündteure, blitzsaubere Profiküche. Er kann & will nicht kochen; wozu gibt es Restaurants & Lieferdienste? Die Küche wird mal als alte Jungfer verschrottet werden. Ja, es geht ums Prestige, aber wenn man es sich leisten kann, warum nicht? Es ist ja nicht so, dass er seine Profiküche den armen Somaliern vorenthält.
Ich bin schon an meiner stinknormalen Eismaschine gescheitert ( es lag vermutlich am Rezept) und habe sie beleidigt in den Keller verbannt. Saft wird bei uns von Hand gepresst, hauchdünner Krautsalat wird mit einer guten Reibe gehobelt. Alleine mein teurer Blender macht mich immer wieder glücklich, weil wir sehr viele Smoothies trinken.
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