Es gibt viele Verschwörungstheorien. Ich kann damit wenig anfangen. Die meisten „Verschwörungen“ erscheinen mir abwegig und paranoid. Außerdem setzen sie etwas voraus, woran ich nicht glaube: die Kontrollierbarkeit großer Ereignisse über lange Zeiträume hinweg, mit hunderten, ja tausenden von Mitwissern, die alle den Mund halten.
Die Amerikaner sind nie auf dem Mond gelandet? Im Jahr 2001 haben die Amerikaner selber die Twin Towers zum Einsturz gebracht, um im Irak einfallen zu können? Die Erde ist in Wahrheit eine Scheibe? Die Regierungen Europas werden von Schattenmächten kontrolliert (Multis, NGO’s, Freimaurer, Juden)? Wenn viele Menschen an solche Dinge glauben, ist das bemerkenswert. Es bedeutet: Viele vertrauen weder den gewählten Regierungen noch den Institutionen noch den klassischen Medien. Sie fühlen sich belogen und getäuscht. Das wiederum bedeutet aber: Die Menschen wollen nicht belogen werden, sondern in der Wahrheit leben. Sie glauben an Wahrheit, deswegen wehren sie sich gegen das, was sie als Lüge empfinden.
Angst, als Gedankensklave zu enden
Covid-19? Ist diese Pandemie nicht ein Instrument der Mächtigen, um die Weltwirtschaft neu zu ordnen, um die Massen gefügig zu machen, mit Masken, Verboten und heimtückischen Impfungen? Agieren die Medien dabei nicht wie Brainwashing-Maschinen? Wollen uns Millardäre wie Bill Gates nicht umpolen, für den „Great Reset“ mit einer genetisch verbesserten Menschheit? Wer an solche Theorien glaubt, hat Angst, seine Individualität zu verlieren. Er hat Angst, als Schäfchen zu enden, als Gedankensklave der Macht. Das aber bedeutet: Die Leute wollen keine Schäfchen und Sklaven sein, sondern freie Personen. Die Leute glauben an Freiheit, deswegen wehren sie sich gegen das, was sie als Unfreiheit empfinden.
Wahrheit und Freiheit: Eigentlich ist es eine gute Nachricht, wenn Menschen daran glauben und danach leben wollen. Aber eine schlechte, wenn sie das Gefühl haben, das politisch-kulturelle Establishment verwehre ihnen Wahrheit und Freiheit. Anstatt Verschwörungstheorien zu belächeln, sollte sich das Establishment also lieber fragen, warum ihnen viele Menschen offenbar zutrauen, dass sie lügen, dass sie die Menschen unfrei machen. Diese Frage könnte zu einer wertvollen Selbstkritik führen.
Giuseppe Gracia (53) ist Schriftsteller und Medienbeauftrager des Bistums Chur. Sein neuer Roman „Der letzte Feind“ ist erschienen im Fontis Verlag, Basel.