Oft werde ich mit der Frage konfrontiert wieso ich hier im Blog und im Blatt so oft gegen die zügige Umsetzung der Energiewende anschreibe. Egal, wie schlimm es mit dem globalen Klima werden wird, die Abkehr von fossilen Brennstoffen sei doch allemal sinnvoll. Sie sind endlich, und bei ihrer Vernutzung wird schließlich neben Kohlendioxid auch anderes in die Luft gepustet, was nicht nur vorteilhaft ist.
In der Tat: Gegen einen Umbau ist grundsätzlich überhaupt nichts einzuwenden. Energieeinsparung und Hinwendung zu eneuerbaren Energien stünden über kurz oder lang sowieso auf der Agenda, und standen dort ganz nebenbei auch schon seit Jahrzehnten (ob die Welt außerhalb von Deutschland auf die lange Frist bereit sein wird, die Atomenergie auf den Scheiterhaufen ihrer Technikgeschichte zu werfen, wenn sie denn sicher eingesetzt werden kann, ist eine andere Frage).
Was indes in der heutigen Debatte immer deutlicher wird, ist das völlig überstürzte Vorgehen beim Umbau. Der geradezu revolutionär fesselnde Gedanke an die “Große Transformation” mal eben der gesamten Weltwirtschaft, an die “Umverteilung des Weltvermögens” (beide Ansprüche propagiert man leidenschaftlich in der Führungsetage des Potsdam Institut für Klimafolgenforschung), und das alles unter deutschen Führung (“Vorreiterrolle” heißt es etwas vornehmer), macht die Menschen hierzulande leider immer blinder, um nicht zu sagen blindwütiger im Dienste ihrer Sache.
Wie ein aufgescheuchter Hühnerhaufen sind die Deutschen derzeit aus den unterschiedlichsten wirtschaftlichen, ideologischen, psychologischen Gründen, teils aus gut gemeinten, teils aber auch aus notorischem Größenwahn dabei, sich bei der Energiewende ständig selbst zu überholen. Komplette bewährte Energielinien werden von heute auf morgen abgeschaltet, andere werden durch strangulierende Gesetze wie das EEG schlicht abgewürgt. Und all dies, ohne dass eine gesicherte, und vor allem bezahlbare Energie rechtzeitig nachwächst. Immer wieder muss die staunende, aber offenbar gelähmte Öffentlichkeit über einen Schildbürgerstreich nach dem anderen staunen.
Besonders reich an Schildbürgerstreichen ist das Feld der Bioenergie. Mit unglaublicher Verve aufs Gleis gesetzt besonders von deutschen Nachhaltigkeits-Strategen, denen die immer anspruchsvolleren Vorgaben und Plansollzahlen in der EU nicht hoch genug sein konnten, verstellte der vermeintlich immergrüne Ansatz den Blick für die Probleme. Inzwischen liegen sie auf der Hand: Die Welternährung wird dadurch gefährdet, der Umweltschutz, der Artenschutz, die Landschaften.
Also: Alles anders. Nur noch zertifizierte Ware sollte für die Bioenergie zugelassen werden, hieß es in der EU. Wieder waren die Deutschen Musterknaben, haben als erste schon für die Rapsernte 2012 ein Zertifizierungssystem erstellt. Ob dadurch die Umweltprobleme wirklich gelöst worden wären, war gar nicht erst feststellbar, so schnell war dieses System schon wieder ad acta gelegt. Wieder haben sich die Klimaschutz-Strategen selbst überholt, wie man hier in dem Beitrag von Welt Online nachlesen kann. Inzwischen gilt nämlich ein EU-Zertifikat und das deutsche nicht mehr, der ganze deutsche Raps ist inzwischen in den EU-Mitgliedsländern als Biosprit unverkäuflich. Dumm gelaufen. Dumm genug, doch das ist noch nicht alles.
Statt Raps importieren die Biosprit-Fabriken jetzt Palmöl, um dies in Benzin zu verwandeln. Sicher zur “Freude” aller Regenwaldschützer und Umweltfreunde in Indonesien oder Südamerika. Warum das Palmöl von Plantagen auf oftmals ehemaligen Regenwaldflächen umweltfreundlicher produziert worden sein soll, kann einem vorerst nämlich niemand erklären. Bei der Zertifizierung von Palmöl sei man einfach noch nicht so weit, heißt es in der Branche, deshalb setze man vorerst darauf, dass man das umwandeln und anschließend verkaufen kann. Mal sehen. Es ist das reinste Chaos ausgebrochen. Der Eile geschuldet, auch hier, mal wieder.
Die Kritik an allzu großer Schwarzmalerei in der Klimadebatte wird oft als Erbsenzählerei abgetan, als Nörgelei am gemeinsamen Konsens. Dabei zeigt sich immer häufiger, wie sinnvoll hierbei eine differenzierte Sicht ist. Es schält sich in der Wissenschaft immer deutlicher heraus, dass für diese unglaubliche Hektik beim Umbau kein Grund besteht, die Welt wird nicht um drei, vier oder acht (warum nicht 20?) Grad wärmer in diesem Jahrhundert, worauf in diesem Blog regelmäßig und durch Belege untermauert hingewiesen wird. Abkehr von den fossilen Energien ja, aber auf eine längere Frist, um endlich mal überlegt handeln zu können. Es wird noch Jahrzehnte, wenn nicht das komplette Jahrhundert dauern, bis die Infrastruktur und die wirklich ausgereifte Technologie vorhanden ist für den Komplettumbau der Energieversorgung. Wenn wir uns diese Zeit nicht nehmen, werden wir noch ganz andere Schildbürgerstreiche erleben.
Zuerst erschienen auf Ulli Kulkes Blog bei der WELT