Wolfram Weimer / 01.08.2019 / 06:29 / Foto: EPP / 74 / Seite ausdrucken

Auf dem Grünstreifen überholen: Söder will Kanzler

Im Hofgarten der Bayerischen Staatskanzlei sind drei Bienenvölker eingezogen. Markus Söder hat sie persönlich begrüßt und einen dazugehörigen “Blühstreifen” im Park der Presse präsentiert. Die grün belaubten Fotos sollen ganz Deutschland demonstrieren: Söder ist jetzt Deutschlands neuester Klimafreund. Grüner als die Grünen. Denn Bayerns Ministerpräsident stellt – während Berlin in der politischen Sommerpause schlummert – ein ziemlich ambitioniertes Klimaschutzprogramm vor.

Es liest sich wie der Weihnachtswunschzettel der Grünen mitten im Hochsommer. Von rechtlichen Meilensteinen (Klimaschutz ins Grundgesetz und in Bayerns Staatsverfassung) bis zu handfesten Massenbegrünungen (mehr als 30 Millionen neue Bäume sollen in Bayern gepflanzt werden) reicht das überraschende Maßnahmenpaket des ergrünten CSU-Vorsitzenden.

Schneller noch als der Bund soll Bayern klimaneutral werden. Selbst kleinste Öko-Anordnungen werden plötzlich reihenweise erteilt. Die Staatskanzlei wird sofort zu 100 Prozent mit Ökostrom versorgt. Der Fuhrpark von Regierung und Behörden wird radikal auf Verbrennungsmotor verzichten. Zugtickets sollen durch einen günstigeren Mehrwertsteuersatz billiger werden, ein umfassendes Artenschutzgesetz ist beschlossen, Bayern wird mit Biotopen und Streuobstwiesen übersät, wildblumige Randstreifen erblühen an Feldern, Wäldern, Wegen und Bächen, es soll mehr Bio-Lebensmittel geben, mehr Insektenschutz und sogar verringerten Flächenverbrauch. Söder hat seine grüne Offensive geschickt geplant, sie mit medialen Paukenschlägen inszeniert und das passend pathetische Wording gleich mitgeliefert: “Wir stehen vor einer Jahrhundertaufgabe, daher brauchen wir auch einen Jahrhundertvertrag.”

Deutungshoheit über ein Megathema

Politische Freunde und Feinde reiben sich die Augen. Ausgerechnet die CSU überholt die gesamte Berliner Politik auf dem grünen Randstreifen. Söders Kalkül ist dreifacher Natur:

Erstens will er für die Union die Deutungshoheit über ein Megathema endlich zurückholen. Die CSU betreibt Politik ungerne aus der Defensive. Damit wiederholt Söder eine strategische Erfolgsmechanik seiner Amtsvorgänger. Die hatten sich vor Jahrzehnten in der sozialen Frage ebenfalls für einen offensiven, arbeitnehmerfreundlichen Kurs entscheiden (oft zum Leidwesen des Wirtschaftsflügels der Union) und die SPD in Bayern damit thematisch beinahe enteignet. Die Arbeiterschaft in Bayern fühlt sich seit Jahrzehnten bei der sozialpolitisch profilierten CSU gut aufgehoben. Nun versucht Söder das Gleiche mit dem ökologisch gesinnten Bürgertum der Metropolen. Sigmar Gabriel beschrieb diese systematische Umarmungsstrategie der CSU einmal so: “Die sind dadurch die letzte wirkliche Volkspartei in Deutschland.”

Zweitens will Söder den Aufschwung der Grünen endlich einbremsen. Die starken Ergebnisse der Grünen bei der Europawahl haben in München die Alarmglocken klingen lassen. Man müsse der grünen Kanzleroption Einhalt gebieten – am besten durch sachliche Regierungslösungen. Neben der Deutungsmacht müsse Gestaltungsmacht demonstriert werden. “Grüne sind Besserwisser, wir sind Bessermacher” lautet das neue Leitmotiv der CSU.

Drittens öffnet sich er eine strategische Tür zu eigenen Kanzlerkandidatur. Söder hatte mit dem holprigen Stabwechsel von Horst Seehofer einen schweren Start als CSU-Vorsitzender und Ministerpräsident, die Wunden des Machtkampfs bluteten nach, bescheidene Umfragewerte drückten die Stimmung, jede Menge negative Prognosen prasselten auf ihn ein. Doch Söder macht seinen Job – selbst aus Sicht mancher Kritiker – ausgleichend und umsichtig.

Das relativ starke Wahlergebnis der CSU bei der Europawahl gibt ihm ebenso Rückenwind wie die neuen Umfragen. Nach einer Erhebung des Instituts GMS halten ihn inzwischen 60 Prozent der Befragten für einen guten Ministerpräsidenten, im Januar hatten das erst 49 Prozent gesagt. Bei den bürgerlichen Wählern von CSU und Freien Wählern erreicht Söder sogar eine Zustimmung von je 79 Prozent. Auch in der Forsa-Umfrage zur Beliebtheit von Ministerpräsidenten kann Söder mit 49 Prozent im Vergleich zum Vorjahr am stärksten zulegen: Damals waren nur 31 Prozent der befragten Bayern mit der Arbeit des Regierungschefs zufrieden.

Söder kann so oder so abwarten

Mit seinem wachsenden Rückhalt und dem ohnedies starken Potenzial Bayerns schlägt Söder nun eine grüne Schneise für seine Berliner Perspektive. Angesichts schwächelnder Werten der CDU und einer offenen Kanzlerkandidatenfrage kommt er zusehends in die Rolle einer denkbaren Option. Mit Franz Josef Strauß 1980 und Edmund Stoiber 2002 gab es bereits zwei Unions-Kanzlerkandidaten aus der CSU; warum soll Söder 2021 (alle 20 Jahre wäre es so weit) nicht der Dritte werden?

Bei der Europawahl verlor die Union überall, nur eben nicht in Bayern. Das stärkt seine Position. Zudem hat Söder ein Veto-Recht bei der Nominierung. Der Kanzler-Kandidat muss von CDU und CSU gemeinsam aufgestellt werden. Söder verfügt damit von vornherein über einen großen Trumpf im Unions-Personalpoker. Vor allem, wenn die Umfragewerte von Annegret Kramp-Karrenbauer mäßig bleiben sollten, steigen seine Chancen. Er kann es mit seinen 52 Jahren so oder so abwarten. Und bis dahin die strategische Linie der Union nach der Migrationsfrage nun auch in der Klimadebatte festlegen. Denn genau das tut er in dieser Woche. Er legt das Umwelt-Programm für die schwarz-grüne Bundesregierung 2021 vor.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf The European

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Rosché Thorsten / 01.08.2019

Mir ist jetzt klar geworden. Ich wohne hier im falschen Land, ich gehöre hier nicht mehr hin !  Zu einer Demo gegen die CDU/CSU Politik hatten sich im Ort 6 Leute gemeldet und sind auch gekommen. Aber vorher große Fresse, ein Spediteur wollte die Strassen mit geparkten LKW’s dicht machen.  Hinter den Gardienen, haben sie dann gestanden und geglotzt - feiges Pack.

B. Jacob / 01.08.2019

Während Söder sich damals noch als böser Bub präsentierte und mit Themen der AFD punkten wollte, weil die Massenmigration uns noch das Genick brechen wird, muss er zwischenzeitlich zuviel an Muttis Busen gelutscht haben, jetzt auch noch mit Themen der Grünen zu punkten. Ich könnte ja noch nachvollziehen, wenn er Themen der ÖDP aufgreift, aber der Grünen mit Wurzeln in der RAF, das ist ja wohl das Letzte. Wird das Oktoberfest demnächst ein islamisches Fest, wo man offiziell Halal Fleisch aus Tierquälerei serviert? Söder ist ein billiger Schwätzer und viele Menschen sind für den Erhalt unserer Naturressourcen, da kann man aber nicht Millionen Gäste einladen und Flächen versiegeln, wertvolle Wälder und Ackerflächen die unser harmonisches Gleichgewicht und Lebensqualität erhalten dafür opfern und mit gefährlichem Windtierkillermühlen, wo die obersten Grünen wieder etwas Geld aufs Händchen bekamen und selbst den Thüringer Wald damit ruinieren wollen und Solarparks zupflastern. Das ist Ressourcenvernichtung unseres natürlichen Naturreichtums für die Gier unserer Politbonzen. Söder ist ein Blender, auch ich habe es erst spät erkannt und hängt sein Mäntelchen gerne in den Wind. Nun ja, auch das Christkindel von Nürnberg wird wohl mit Hilfe durchgeknallter antichristlicher Pfaffen bald weichen müssen, vielleicht zuerst dem Dauer bimmelnden Hähnchen von Nürnberg, jener lesbischen Pastorin, die gegen das eigene Volk Sturm läutet. Söder ist ein Wendehals par excellenz. Hauptsache die Dummschafe wählen ihn. Er hat ja schon einmal das Christentum auf dem Nürnberger Christkindelmarkt brüskiert, indem er neben Koran lesenden Muslimen als Kultur Bereicherung stand.

F. Hoffmann / 01.08.2019

Die CSU als Aufbauverein der Grünen… Der kapiert immer noch nicht, daß man den Grünen Wähler zutreibt, wenn man auf „Grün“ macht. Siehe die Entwicklungen im Bund: (Fast) alle Parteien wollen grüner sein als die Grünen und die Grünen wachsen dabei. Der Markus mag der Hintertriebenste sein ( wenngleich sein Spiel doch arg durchsichtig ist), der Hellste scheint er nicht zu sein.

Markus Knust / 01.08.2019

Söder ist scheinbar nicht besonders schlau, denn sonst hätte er schon begriffen das die Übernahme von Themen den politischen Gegner nutzt. Die Strategie seiner Chefin wurde ja lange Zeit bejubelt, aber sie funktioniert nicht mehr. CDU/CSU sind auf dem absteigenden Ast, die Grünen im Aufwind. Und wenn es mit der Wirtschaft bergab geht und die Leute ihre Rechnungen nicht mehr zahlen können, wird auch die AfD massiven Zulauf erhalten. Oder glaubt jemand ernsthaft. Deutschland bliebe vom Trend nach rechts, der viele Länder in Europa bereits ergriffen hat, verschont? Den Leuten geht es bloß noch zu gut. Aber das wird sich ändern, daran wird ja hart gearbeitet. Und auch die Migration wird eher noch zunehmen, Gewalttaten usw. Söder setzt auf`s falsche Pferd. Gott sei Dank! Denn wie schon der alte Napoleon bemerkte, soll man einen Feind niemals stören, wenn er gerade Fehler macht.

Martin Stumpp / 01.08.2019

“Die Staatskanzlei wird sofort zu 100 Prozent mit Ökostrom versorgt.” Na dann fällt dort künftig der Strom wohl öfter aus. Wenn nicht ist es eine Lüge, aber von Politikern ist man ja nichts anderes gewohnt.

Gabriele Klein / 01.08.2019

Ob ich sie noch erleben werde? Die erste deutsche Regierung, die sich nicht am Volksvermögen vergreift und an Stelle des “Wunsch"prinzips, das Leistungsprinzip für der Regierung durchsetzt, verbunden mit laufenden Wertungen. so wie bei den Amis. Herr Trump lässt sich laufend freiwillig von unten werten,  Und, da wäre noch was, für “Regierende” mit “Urwaldvisionen” um den “Urwald” wieder herzustellen brauchen wir keine Regierung. Das “Nichts-Tun” tuts auch. Man müsste es nur   vom Bundestags auf den Steuerzahler ausdehnen

Belo Zibé / 01.08.2019

Noch erfolgsversprechender wäre es ,im Hofgarten der Bayerischen Staatskanzlei »Kobolde« einziehen zu lassen.

Gabriele Klein / 01.08.2019

@A.Müller. “Söder will Kanzler ? Geht´s auch noch in ganzen Sätzen ? Geht´s auch intelligent ?” Jooo, wie der Herr, so’s Ge·scherr.  Aber mal im Ernst: Wie wärs denn mit mindestens “5% “Urwald” in der deutschen Sprache?”  Mein Tipp: Wo Urwald beginnt und endet entscheidet die DIN.

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