Wolfgang Meins / 21.04.2022 / 06:15 / Foto: Olaf Kosinsky / 81 / Seite ausdrucken

Auch das noch: Deutsche Entwicklungspolitik wird feministisch

Mit einer „feministischen Entwicklungspolitik“ will Svenja Schulze, Ministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, „für alle Menschen auf der Welt ein gutes Leben ermöglichen". Inklusive Gender-Ansatz, der Afrika sicher entscheidend weiterbringen wird.

Der eine oder andere Leser wird sich bereits gefragt haben, was eigentlich Svenja Schulze macht – die Umwelt-Ministerin im letzten Merkel-Kabinett und aktuelle Ministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Man hört und liest kaum etwas über sie oder von ihr. Das liegt teils sicherlich an der aktuellen Dominanz anderer Themen, steht auf jeden Fall aber im deutlichen Gegensatz zu ihrem CSU-Amtsvorgänger Müller, der es anhaltend verstand, notfalls auch mit den abwegigsten, teils bedrohlich eng am Größenwahn angesiedelten Themen mediale Aufmerksamkeit zu erzeugen.

Dabei ist Ministerin Schulze eigentlich doch auch eher der Typ „Betriebsnudel“, der sich lieber einmal zu häufig als zu selten ins Zentrum medialer Aufmerksamkeit drängt. Warum dieser Sinnes- oder gar Wesenswandel? Was sind ihre politischen Ziele? Nach welchem Prinzip will sie unsere Steuergelder unter den Bedürftigen dieser Welt verteilen? Fragen über Fragen und damit Zeit für einige Antworten. 

Formal gelungen

Scrollt man durch den – aus formal-ästhetischer Sicht – durchaus gelungenen Internetauftritt ihres Ministeriums, fällt dem kritischen Betrachter sofort auf: Frau Schulze macht jetzt einen auf Staatsmännin. Das ist nicht mehr die schlicht, meist farbenfroh und gelegentlich auch mal etwas nachlässig gekleidete Ministerin mit – in gebotener Zurückhaltung formuliert – der nicht immer perfekt sitzenden Frisur. Jetzt sind die Haare etwas länger und deutlich ondulierter, dabei ist sie zurückhaltend-modisch und damenhaft gekleidet. So eine Art Christine Lagarde für Arme, dafür aber jünger und blonder. Auch das ihr bisher immer ein bisschen anhaftende Flair miefiger sozialdemokratischer NRW-Hinterzimmer scheint verflogen: Ministerin Schulze ist jetzt erkennbar bereit für die große internationale Bühne, jedenfalls wenn man ihrem Internetauftritt vertrauen will. Schließlich konferiert sie jetzt mit den Potentaten dieser Welt oder deren Vertrauten, vorzugsweise mit denen vom Schwarzen Kontinent. 

Es gibt undankbarere Jobs

Dabei genießt sie als „Entwicklungshilfeministerin“ selbst im tiefsten Inneren des afrikanischen Kontinents bei beruflichen Terminen immer eine Art Heimspielvorteil: Ist sie doch die Ministerin mit dem dicken Scheckheft, mit der es sich niemand verderben will. Für einen Politiker gibt es da durchaus undankbarere Jobs. Selbstverständlich verteilt sie unsere Steuergelder nicht nach Gusto, sondern folgt dabei einer bestimmten politischen Programmatik, vielleicht gar ergänzt durch ihre beruflichen Erfahrungen.

Immerhin verfügt sie über einen Magister-Abschluss in Germanistik und Politikwissenschaften und hat zwischen 2000 und 2004 als damalige Ex-NRW-Juso-Vorsitzende und Ex-Landtagsabgeordnete als „Unternehmensberaterin mit Schwerpunkt auf Public Sector“ gearbeitet, genauer: „für öffentliche Verwaltungen und Krankenkassen“. Der zielführende und gewinnbringende Einsatz von persönlichen Netzwerken dürfte ihr also gut bekannt sein. Im knietiefen afrikanischen Korruptionssumpf werden in dieser Hinsicht allerdings deutlich größere Räder gedreht.

Für alle ein gutes Leben

Jetzt berät Svenja Schulze also nicht mehr irgendwelche piefigen Orts- oder Betriebskrankenkassen, sondern denkt und handelt im globalen Maßstab. Dabei strebt sie nicht nach höheren, sondern gleich nach höchsten Zielen: „Es muss unser (Deutschlands) Bestreben sein, für alle Menschen auf der Welt ein gutes Leben zu ermöglichen.“ Im gleichen Duktus von Entgrenzung und Selbstüberschätzung heißt es in ihrer Kernprogrammatik – die „wichtigsten Aufgaben“ – weiter: „Deutschland trägt in der globalen Zusammenarbeit eine besondere Verantwortung – als Brückenbauer und als Unterstützer.“

Eine inhaltliche Begründung für diese ganz besondere Verantwortung Deutschlands sucht der Leser allerdings vergeblich – wieso nicht Dänemark? Welche „wichtigsten Aufgaben“ gehören ansonsten noch zur deutschen Entwicklungspolitik? Natürlich „die weltweite Verwirklichung der Menschenrechte, die Bekämpfung von Hunger und Armut, der Schutz des Klimas und der Artenvielfalt, Gesundheit und Bildung“ usw. usf.

Feministische Entwicklungspolitik setzt an den Wurzeln an

Eine besondere Rolle soll künftig der sogenannten „feministischen Entwicklungspolitik“ zukommen, denn die „nimmt alle Menschen in den Blick und setzt an den Wurzeln der Ungerechtigkeiten an: den Machtverhältnissen zwischen den Geschlechtern, sozialen Normen und Rollenbildern.“ Logisch, dass dabei nun auch der „Gender-Ansatz“ gepflegt werden soll, denn „Frauen, Männer und Menschen mit anderen Geschlechtsidentitäten* sollen gleichberechtigt an Entwicklungsprozessen teilnehmen.“ 

Auch aus Sicht des Autors dieser Zeilen zweifellos ein ganz, ganz wichtiger Punkt: Ist die westliche Entwicklungspolitik etwa in Afghanistan möglicherweise daran gescheitert, dass die „anderen Geschlechtsidentitäten“ von den „Entwicklungsprozessen“ ausgeschlossen blieben? Aber das wird zum Glück nun nicht noch einmal vorkommen, denn ab sofort gilt für die Entwicklungshilfe: „Frauen, LSBTI*-Personen und andere marginalisierte Gruppen müssen gleichberechtigt an internationalen Verhandlungen, an Regierungsvereinbarungen, an der Entwicklung neuer Strategien oder bei der Konzeption neuer Vorhaben teilhaben.“ Mit diesem ideologischen Narrenkostüm – untenrum feministisch, obenrum genderistisch – tarnt sich hier der westliche Kultur-Imperialismus mit seinen universalistischen Ansprüchen. Außerhalb dieses Weltbildes stehende Kulturen sollen offensichtlich noch geduldet werden, die Gelder künftig aber woanders hinfließen. 

Nun wird es den meisten afrikanischen Potentaten und ihrem nachgeordneten Personal schlicht egal sein, ob irgendwo in ihrem Lande eine Handvoll „Entwicklungshelfer*innen“ versuchen, Frauen und Menschen mit anderen Geschlechtsidentitäten an irgendwelchen Entwicklungsprozessen teilnehmen zu lassen, so lange das nicht ausufert und dadurch nicht ihr ganz persönlicher Anteil am Entwicklungshilfekuchen geschmälert wird. Keinesfalls sollte man allerdings die Kreativität der Afrikaner unterschätzen, schon gar nicht, wenn es ums Geld geht. Kommt es hart auf hart, findet sich doch immer eine Möglichkeit, das gewünschte feministische Gender-Theater wirkungsvoll zu inszenieren. Für ein bisschen Hartgeld wird sich schon die eine oder andere LSBTI*-Person finden – und sei es, dass die sich just heute nur als solche fühlt. Für die einheimischen Hilfstruppen der Entwicklungshilfe mögen diese Absurditäten vielleicht noch etwas ungewohnt sein. Aber schließlich haben sie sich doch auch längst an den westlichen Klimazirkus adaptiert und beherrschen die gewünschte und vor allem großzügig honorierte Klaviatur mittlerweile aus dem Effeff.  

Die Kolonialzeit ist schuld

Spätestens wenn es eng wird, ziehen afrikanische Politiker – darauf weist der ehemalige deutsche Botschafter in Kamerun, Volker Seitz, in einem lesenswerten Interview hin – gerne ihr Ass aus dem Ärmel, indem sie die Misere in ihren Ländern ausschließlich auf die Kolonialzeit zurückführen, um so als vermeintliches Opfer vom eigenen Versagen abzulenken. Weil es auf der anderen Seite deutschen Politikern schwerfalle, zum Thema Entwicklungshilfe Irrtümer einzugestehen, bleibe letztlich weitgehend alles beim Alten. Nur Überschriften, Terminologie und handelnde Personen ändern sich beständig in diesem sehr speziellen Biotop, das sogar Oberhäuptern von ausgesprochen armen Ländern wie dem Tschad oder Simbabwe den Sprung in die Top 8 der reichsten Präsidenten/Könige in Afrika ermöglicht. 

Keine kritische Bestandsaufnahme

Diese Immunität der Entwicklungshilfe-Bürokratie gegenüber den eigenen Irrtümern und Irrwegen während der letzten Jahrzehnte trifft in der Tat den Kern des Problems, gilt uneingeschränkt bis heute und charakterisiert dementsprechend auch den programmatischen Teil vom Internet-Auftritt des Ministeriums, dem Frau Schulze jetzt vorsteht. Es findet sich darin auch nicht ein Hauch von kritischer Bestandsaufnahme. Stattdessen wird der Eindruck erweckt, dass mit der nun geltenden „feministischen Entwicklungspolitik“ die letzte noch verbliebene programmatische Leerstelle geschlossen wird und man so mit dem Bestreben, allen Menschen auf der Welt ein gutes Leben zu ermöglichen, entscheidend vorankommen wird. 

Und das ungeachtet der Tatsache, dass in wohl keinem anderen politischen Feld – abgesehen vielleicht vom Verteidigungs-Ressort – so viele Milliarden an Steuergeldern überwiegend sinnlos und kontraproduktiv, weitgehend ohne irgendeinen anhaltenden positiven Effekt verballert wurden. Oder, wie es der Filmemacher und Afrikakenner Volker Schlöndorff jüngst formulierte: Ich besitze kein Patentrezept. Aber so, wie die Entwicklungshilfe jetzt läuft, kann es nicht weitergehen, es hat sich in 60 Jahren fast nichts entwickelt.“

Es profitieren von dieser Politik vorzugsweise Teile der jeweiligen Eliten und natürlich die meist gut bezahlten Mitarbeiter der zahlreichen Entwicklungshilfe-Organisationen, die naturgemäß kein Interesse an einer wirklich kritischen Evaluation ihrer Tätigkeit haben. Denn wer macht schon sich oder seine Organisation durch eine allzu ehrliche Bestandsaufnahme überflüssig? Eine dem Bürger und Steuerzahler verpflichtete Politik sollte das eigentlich in Rechnung stellen. Aber die raue Wirklichkeit ist nicht das Biotop, in welches sich unsere amtierenden Politiker freiwillig begeben. Da macht auch Ministerin Schulze keine Ausnahme.  

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Anton Huber / 21.04.2022

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