Quentin Quencher / 02.01.2016 / 09:20 / 5 / Seite ausdrucken

Ängste zum neuen Jahr: Wer hört schon dauerhaft auf jemanden, der ihn nicht ernst nimmt.

Meine Kinder sind halbe Migranten. Sie sind, bis auf den Jüngsten, nicht in Deutschland geboren, besitzen zwei Pässe, haben einen deutschen Vater, mich, und eine Philippina als Mutter. Sie sollten sich also empathisch gegenüber den Flüchtlingen derzeit zeigen. Tun sie aber nicht, weil sie alles durcheinanderbringen. Heute am Neujahrstag war der Terroralarm von München ein Thema. Ich lausche nicht heimlich an den Kinderzimmertüren, wahrscheinlich entgeht mir dadurch einiges was so die Kids beschäftigt. Ich kontrolliere nicht ihre Rechner, ihre Handys, schaue nicht einmal in ihre Schränke. Irgendwann erfahre ich doch, was passiert, und hoffe dabei immer, dass es nicht zu spät ist um noch helfend oder korrigierend einzugreifen.

So war es auch diesmal, meine Frau hatte mitbekommen, wie sich zwei der Töchter über den Terroralarm unterhielten und sie diesen mit dem Thema Flüchtlinge in einen Topf geworfen haben. Sie unterscheiden nicht, dass es zwei verschiedene Sachen sind. Beides bricht in ihre Lebenswirklichkeit ein und wird zu einem Bedrohungsszenario.

Mit mir unterhalten sie sich selten darüber, und wenn, dann nur verschämt. Der Papa ist ja immer der, der alles versteht, der erklärt warum Lehrer so ticken wie sie ticken, oder die Jungs in der Klasse. Ja selbst wenn die Mama mitunter ihren Rappel hat, dann weiß der Papa warum das so ist. Kürzlich unterhielten wir uns über die Pubertät, drei von den Kindern stecken da mittendrin, und ich erklärte ihnen, wie ich mich in ihrem Alter gefühlt habe, wie ich mich vom Weltbild meiner Eltern verabschiedet habe, und das nun gerade sich entwickelnde eigene als die ultimative Wahrheit empfand.

Es wäre besser gewesen, ich hätte geschwiegen. Nun glauben die Kinder, ich könne sie durchschauen, und sie trauen sich nicht mehr mir mitzuteilen was sie wirklich bewegt. Vielleicht komme ich auch zu Lehrerhaft daher, immer mit einen besserwisserischem Unterton. Auf so was haben sie wahrscheinlich keinen Bock, und gehen mit ihren Problemen, in dem Fall mit ihren Ängsten, zur Mutter.

Immerhin hatte die schon persönliche Erfahrungen mit islamistischen Terror gemacht, als es sie in jungen Jahren nach Mindanao, in ein Rebellengebiet der dortigen Islamisten, verschlagen hatte. Selbstverständlich hätte ich nun erklärt, dass man dies nicht vergleichen kann, die Moslems dort, mit denen hier. Terroristen, nicht selten einfach Gangster, mit normalen Gläubigen. Auf solcherart Erklärungen wollten sie offensichtlich verzichten, dies bekommen sie jeden Tag von irgendwoher vorgekaut. Sie wissen es ja auch, rationales Denken ist ihnen nicht fremd, nur haben sie eben Angst und befürchten offensichtlich, ich würde ihre Ängste nicht ernst nehmen, ihnen von oben herab ihre jungendlichen Unzulänglichkeiten deutlich machen.

Ob allerdings die Erläuterungen meiner Frau dabei hilfreich waren, den Kindern ihre Ängste zu nehmen, daran habe ich ernste Zweifel. Sie erzählte nämlich einige Erlebnisse, wie beispielsweise Rebellen in die Bergdörfer gekommen sind, um Geld oder Lebensmittel von der Bevölkerung zu erpressen. Wer nichts gab wurde umgebracht. Dass sie selbst, meine Frau, ihr eigenes Überleben einer muslimischen Freundin verdankt, bleibt natürlich nicht unerwähnt, doch dies ist was zwischenmenschliches, eine ganz andere Erzählung, die nichts mit den Ängsten der Kinder zu tun hat. Die befürchten nämlich, dass mit den Flüchtlingen auch mehr Terroristen ins Land kommen, und meinen außerdem, dass die Politiker einen Knall hätten, wenn diese meinen, wir könnten in Deutschland die ganze Welt aufnehmen. So jedenfalls fasste meine Frau ihr Gespräch mit den Töchtern zusammen.

So neu war mir diese Haltung meiner Kinder nicht. Schon vor Monaten wurde ich einmal gefragt, wie wir denn unser zu Hause vor Terroristen schützen könnten. Diese Frage hatte mich schon damals einigermaßen überrascht. Von allein wäre ich nicht auf die Idee gekommen, dass es eine Notwendigkeit wäre, unser zu Hause extra wegen des islamischen Terrors schützen zu müssen. Doch die Kids sehen sowohl das zu Hause als auch die Heimat bedroht. Anders sind diese offensichtlich zu Tage tretenden Ängste nicht zu erklären.

Diese Ängste mag man für Quatsch halten, und ich werde auch alles tun, damit meine Kinder einen mehr durch Hoffnung geleiteten Blick in die Zukunft entwickeln, als einen Angst geleiteten, nur Tatsache ist, die Ängste sind real wie sie in dem Moment empfunden werden. Dagegen hilft alles relativieren oder jede sachliche Analyse nicht viel. Es gibt auch Leute, sogar Erwachsene, die haben Angst vor Atomkraft oder Genfood. Auch bei denen nützt sachliche Aufklärung nicht viel. Die gehen dann zu Greenpeace oder anderen einschlägigen Angstmachern, um sich bestätigen zu lassen. So wie meine Kinder zu meiner Frau gehen, weil sie wissen, hier bekommen sie bestätigt, was sie empfinden.

Sind nun meine Töchter repräsentativ für ihre Altergruppe der Kids zwischen 12 und 15? Sie selbst geben an, die Mehrzahl ihrer jeweiligen Klassenkameraden würde es genau so sehen. Eine Lehrerin hätte sogar ziemlich ruppig eine Diskussion abgebrochen mit den Worten: „Ich will jetzt hier nicht mehr über Flüchtlinge sprechen.“ Offensichtlich passte es ihr nicht, was sie so hören bekam.

Falls es also stimmt, dass diese neuen Ängste um Heimat und zu Hause so im Vordergrund stehen, egal ob diese irrational sein mögen, dann wird dies über kurz oder lang in der Gesellschaft Bedeutung bekommen. So wie die Atomangst meiner Generation Bedeutung bekam. Unsere Kinder sind schließlich die Zukunft dieses Landes, ihre Ängste gehören dazu. Und sie werden auf diejenigen hören, die ihre Ängste ernst nehmen. Da nützt es auch nichts, dass ich gerne korrigierend und helfend tätig werden möchte, meine Erläuterungen sind offensichtlich nicht erwünscht.

Ob das den Bürgern dieses Landes nicht vielleicht genau so geht? Angesichts der Weihnachts- und Neujahrsansprachen von Bundeskanzlerin oder Länderfürsten bis hin zum Bundespräsidenten, deren Reden mehr wie Beschwichtigungsversuche anmuten. Genauso als ob ich meinen Kindern erklären würde, dass sie sich keine Sorgen machen sollen, es wird schon alles gut werden. Sie wären zu Recht sauer auf mich, ich werde ja auch stinkig, wenn ich nicht ernst genommen werde.

Freilich kann man Ängste schüren, oft und gerne getan von Leuten die ihre ganz eigene Agenda verfolgen, von der man manchmal erst im zweiten Moment erkennt, welchen Kernaussage diese hat. Die Mechanismen sind überall die gleichen, egal ob es um Klimaangst, Fremdenangst oder Strahlenangst geht. Was sich aber mindestens genau so schlimmauswirkt, ist die Ängste herunter zu spielen, sie als Einbildung zu bezeichnen.

Ich will mal einen weiten Bogen schlagen: Würde es heute die Grünen geben, hätte man damals die weit verbreiteten Ängste wegen der Kernkraft ernst genommen? Und welche Bewegung wird in zwanzig Jahren politischer Mainstream sein, werden die heutigen Ängste weiterhin diffamiert? Mit jeder weiteren Terrorwarnung werden diese Ängste, gerade bei Jugendlichen, weiter wachsen. Und mit jedem weiteren Beschwichtigungsversuch, wie in den Neujahrs- und Weihnachtsansprachen, wird Zukunft geschrieben. Doch höchstwahrscheinlich ganz anders als es die Beschwichtiger hoffen. Wer hört denn schon dauerhaft auf jemanden, der einen nicht ernst nimmt.

Siehe auch Quentin Quenchers Blog Glitzerwasser

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Leserpost

netiquette:

Alexander Rostert / 04.01.2016

“Würde es heute die Grünen geben, hätte man damals die weit verbreiteten Ängste wegen der Kernkraft ernst genommen?” Gegenfrage: Gibt es - damals wie heute - außerhalb Deutschlands in nennenswertem Umfang Leute, die Angst vor der Kernkraft haben?

Johannes Fritz / 02.01.2016

Herr Quenchers Artikel gefallen mir, sie haben eine unaufgeregte, deskriptive Art.

Phoebe Lesch / 02.01.2016

Interessant, was sie schreiben, und offensichtlich, dass unsere Ängste nicht ernst genommen werden. Der Umweg über die Kinder ist dennoch etwas irreführend. Ich hatte mit zehn Angst vor der RAF, mit siebzehn fand ich sie toll, mit zwanzig war ich Kommunistin und mit fünfundvierzig bin ich liberal. Der klassische Wendehals. Ob derlei Meinungsumschwuenge Ihre Kinder nicht auch ereilen werden?

Martin Wolff / 02.01.2016

Genau! Ergänzend: Die Atomkraftwerke konnte man schnell abschalten. Wie wird es bei mehreren Millionen Einwanderern sein, bei denen ein Teil keine Lust auf unsere Spielregeln hat? Umtauschen? Und an den Grünen sieht man, dass selbst dann, wenn das Kernthema weg ist, das Verbundenheitsgefühl stark genug ist, um die Partei am Leben zu erhalten. Dann müssen (!!) neue Ängste her, damit der Laden weiter läuft: Zu Silvester gab es die Meldung im Radio, wieviel Feinstaub die Silvesterfeuerwerke verursachen.

Magdalena Schubert / 02.01.2016

Sehr geehrter Herr Quencher, mit großem Interesse habe ich Ihren aktuellen Beitrag gelesen. Ganz zufällig berührt er eine sehr persönliche gestrige Mail an einen guten Freund. Es sprengt nun wahrscheinlich den Rahmen eines Kommentars, aber da es wohl jeden von uns in irgendeiner Weise betrifft, erlaube ich mir, Ihnen einen Auszug davon zu schicken: ... “Alle allein von mir geschriebenen Briefe ergäben einen dicken Schmöker. Und in großen Teilen vermutlich nicht mal langweilig - jedoch häufig deprimierend - denn es überwiegt die bei allen thematisierte schwierige Kommunikation zwischen den Liebenden. Mein Lebensthema! Das Grundübel dieser unserer Welt! Schau in die Familien, in die Nachbarschaften, in die Politik, in andere Länder. Egal wohin du schaust: nahezu nirgends gelingt ein verbindender Dialog. Nirgends gibt es tieferes Verständnis füreinander, sinn- und friedensstiftende Kommunikation. Meines Erachtens die Ursache für alle Missverständnisse, für Hass, Streit und Krieg. Fast niemand ist willens oder fähig, sich in den anderen hineinzufühlen, aktiv zuzuhören, die andere Meinung zu reflektieren und zu respektieren. Wäre es für jeden selbstverständlich, den jeweiligen Gesprächspartner zu achten und wertzuschätzen, ihn ERNST ZU NEHMEN, müssten wir keine Angst vor Gewalt haben. Aber das ist Utopie, leider, denn es gibt ja sogar Kulturen, die darauf bedacht sind, das Andere zu zerstören, auszurotten. Und das im 21. Jahrhundert! Und wie wir in den letzten Monaten fassungslos realisieren mussten, ist nicht einmal der aufgeklärte Westen in der Lage, seinen eigenen Bürgern die Meinungsfreiheit zuzugestehen und droht unverhohlen mit Existenzvernichtung. Wir entwickeln uns menschlich offensichtlich nicht weiter, ganz im Gegenteil fallen wir diesbezüglich zurück ins finsterste Mittelalter.” Herzlichst Magdalena Schubert

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