Rainer Mohr, Gastautor / 04.01.2024 / 06:15 / Foto: Pixabay / 100 / Seite ausdrucken

Vertreibung der Alten gegen Wohnraumnot?

In Zeiten der Wohnungsnot sollen ältere Eigentümer auch durch entsprechende Medienberichte dazu überredet werden, zugunsten junger Familien ihre Häuser zu verkaufen. Dass sie dabei vor allem nur draufzahlen, wird übersehen. Zum Beispiel neulich beim SWR.

Am 20. Dezember 2023 veröffentlichte Achgut meinen Artikel, der sich mit der Frage beschäftigte, welche Folgen es hat, wenn alte Hauseigentümer ihr Eigentum zugunsten junger Familien aufgeben und in kleinere Wohnungen ziehen. Jener Beitrag betraf nicht so sehr den Aspekt der Wohnraum-„Gerechtigkeit“, sondern primär die finanziellen Folgen einer Weitergabe von alten Immobilien an junge Familien. Hingewiesen wurde im Text auf die erheblichen Vorteile, die dem Staat durch Windfallprofits bei der Steuer erwachsen.

Zur gleichen Thematik erschien am 19. Dezember 2023 ein Beitrag beim SWR, dieser jedoch mit eher sozialem Schwerpunkt. Das Team der „SWR-Reporter:innen“ betrachtete ebenfalls diesen durchaus denkbaren Lösungsansatz, Alt (ehemals große Wohnung) gegen Jung (ab jetzt große Wohnung) zu tauschen. Inbegriffen war auch der Wohnungstausch bei Mietern.

Geschildert wurde beispielsweise die Situation eines Ehepaares („Rentner:innen“), das sein Haus verkauft und in ein Miet-Wohnprojekt zieht. Diese erhoffen sich für das alte Haus mit 2.000 m² Grundstück einen Verkaufspreis von 500.000 Euro, den sie dann zukünftig gegen eine Monatsmiete von derzeit mehr als 1.300 Euro auflösen müssen; jährlich also etwa 19.000 Euro. Gleichzeitig wird der Verkaufspreis, wenn er aufs Sparkonto kommt, mit Kapitalertragssteuer besteuert werden (halbe Million bei 3 Prozent Zinsen anfänglich ergibt jährlich 3.750 Euro Steuerlast).

Wer findet so etwas sinnvoll?

In geschätzten runden Zahlen bedeutet das, dass der Verkaufspreis jährlich mit fast 25.000 Euro (neue Belastung durch Miete plus Quellensteuer) aufgefressen werden wird, wodurch (ebenfalls ohne Zinseszins geschätzt) das Kapital in 20 bis 25 Jahren verbraucht sein wird. Das selbstbewohnte Eigenheim hingegen würde seinen Wert behalten, ohne Mietausgaben zu verursachen. Wer findet so etwas sinnvoll? Diese mit dem Wechsel verbundene Kapitalvernichtung wird nicht erwähnt. Auf die Frage, wie viele Ausgaben der Käufer für öffentliche Kosten (Grunderwerbsteuer, Notar) aufwenden muss, verzichtet der Bericht.

Ein anderes Paar entscheidet sich dafür, die 200 m² große Wohnung zu teilen und einen Mieter in einer nachträglich geschaffenen Einliegerwohnung mit circa 80 m² aufzunehmen. Dass anschließend dann progressiv-aufgepimpte Einkommensteuer gezahlt werden muss, verschweigt der Bericht (wobei man gleichzeitig sagen muss, dass Werbungskosten für den Umbau geltend gemacht werden).

Die genannten Investitionskosten von mehr als 100.000 Euro für die Aufteilung eines Hauses in zwei getrennte Wohnungen werden sich vermutlich nicht rentieren und zudem spätere Verkaufsverhandlungen deutlich erschweren, denn welche junge Familie mit Platzbedarf wird sich im eigenen Gebäude einschränken wollen, um fremde Leute in einem Teil des eigenen neuen Hauses wohnen zu haben? Die werden doch lieber gleich kleiner und damit billiger kaufen, zumal sie dann keinen Mieter betreuen und die Einnahmen der Miete zusätzlich versteuern müssten.

Dieser Umbau wird nach der Darstellung des SWR von einer Architektin betreut, die zu diesem Zweck beschäftigt wird. Träger ist die „Energieagentur Freiburg“, die unter anderem von der Stadt Freiburg und der EU finanziert wird, also durch Steuern. Das beispielhaft dokumentierte Projekt ist das einzige, welches nach 22 Beratungen verwirklicht wird – 95 Prozent der Bemühungen waren mithin vergebens.

„Nehmen die Alten den Jungen den Wohnraum weg?“

Ein weiteres Beispiel liefert ein Senior, der seinen Wohnraumbedarf vorbildlich gesenkt hat. Für die räumliche Einschränkung hat er eine Lösung gefunden. „Wenige Kilometer entfernt“ von seiner neuen Wohnung hat er noch einen Lagerraum angemietet.

Auch hier wird der zusätzliche Aufwand durch Miete des Lagerraums und Trennung von Wohn- und dem räumlich getrennten Nutzraum nicht erkennbar beschrieben. Die Analogie, dass junge große Familien ebenso einen Lagerraum in einigen Kilometern Entfernung nutzen könnten, um Freizeitgerät und so weiter außerhalb einer zu kleinen Wohnung zu lagern, wird nicht aufgegriffen. Warum auch, wenn die Abstrusität offenkundig ist?

Bei der Vorbereitung der „Story“ wird man einen (hoffentlich neutralen) Arbeitstitel gewählt haben. Dieser wird dann nach Abschluss der Nachforschungen in einen knackigen Titel geändert worden sein, damit sich das Fazit der Erkenntnisse der „Reporter:Innen“ publikumswirksam widerspiegelt.

Der Titel der Reportage nach Abschluss der journalistischen Fleißarbeit lautet: „Raus aus dem Haus!“, Ausrufezeichen inbegriffen. Das Fazit, welches der öffentliche Rundfunk seinen Konsumenten präsentiert, ist damit klar. Versöhnlicher ist der Untertitel „Nehmen die Alten den Jungen den Wohnraum weg?“, wobei zwei Fragen auftauchen.

Eine totgeborene Idee

Erstens ist die Fragestellung im Untertitel logisch vollkommener Unsinn, weil die Quintessenz bereits eindeutig der Schlagzeile zu entnehmen war; die untergeordnete Fragestellung mit „nein“ zu beantworten, würde der Überschrift widersprechen.

Zweitens nehmen die sogenannten Alten mit Eigentum niemandem irgendwelchen Miet-Wohnraum weg. Im Gegenteil gehört ihnen das Verdienst, bereits langjährig für ihren Wohnraum gesorgt zu haben, wenn auch beschränkt auf das eigene Wohl. Wenn die Alten ihren Wohnraum verringern sollen, damit die Jungen mehr Platz bekommen, dann wird vielmehr einerseits den Alten Wohnraum entzogen und andererseits der Mietmarkt mit jedem suchenden Senior stärker belastet werden.

Das mag sinnvoll sein, moralisch geboten oder einfach ein netter Zug der Oldies, aber dennoch ist der Untertitel vollkommen irreführend, denn der Verlust an Platz belastet die Alten, während die Jungen von einem unverdienten Zugewinn profitieren würden. Der Wechsel von Mietern großer Wohnungen in kleinere Wohnungen entlastet ebenfalls nicht, er verschiebt lediglich. Und ein Alter in einer kleineren Wohnung nimmt einem Single den kleineren und damit erschwinglicheren Wohnraum weg – ein Nullsummenspiel. Journalismus kann so einfach sein, wenn das Ergebnis schon von Anfang an festgelegt ist.

Wirkliche Abhilfe schaffte nur der Tod der Alten und die folgende Belegung großer Wohnungen durch vielköpfige Familien, um es brutal zu sagen. Oder aber die Bereitschaft der Alten, ihr Erspartes in neu geschaffenen Wohnraum zu investieren, was sich aber derzeit aus verschiedenen wirtschaftlichen, rechtlichen und zuletzt auch politisch geschaffenen Gründen nicht lohnt.

Wer sich für die Meinung des Volks interessiert – vielleicht die Politik –, der sollte die Kommentare unter der beschriebenen Reportage lesen. Die betroffenen Alten scheinen für die dargestellte Art der Problemlösung der Wohnungskrise kein Verständnis zu haben. Damit wäre derzeit jeder Euro und jede politische Initiative zugunsten eines solchen Lösungsvorschlags eine totgeborene Idee und die Werbung dafür Geldverschwendung. Insofern vermittelt der Inhalt der Reportage immerhin doch Erkenntnisse.

Rainer Mohr, Diplom-Verwaltungswirt, arbeitete 30 Jahre lang in der niedersächsischen Kommunalverwaltung, unter anderem als stellvertretender Behördenleiter. Aktuell ist er als selbstständige Aushilfskraft im Öffentlichen Dienst tätig.

Foto: Pixabay

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Sam Lowry / 04.01.2024

@A.Lisboa: Mir fällt da aktuell aber nur noch Ungarn als Reiseziel ein… außer, das Wohnmobil ist auch noch hochseetauglich…

Sam Lowry / 04.01.2024

@finn waidjuk: Ist zwar hart formuliert, aber ist so und nicht anders.

Sam Lowry / 04.01.2024

Man hat ja nicht nur irgendwo sein kleines Häuschen, sondern auch meistens soziale Kontakte dort, wo man wohnt. Und wer weiß, was man als Rentner, ohne besondere Ersparnisse, am Ende für Nachbarn im sozialen Wohnungsbau bekommt? Dazu noch Stress und Kosten mit Umzug. Neuen Haus-Arzt suchen und so vieles mehr, was sich ändert. Lieber bei den Problemen bleiben, die man kennt…

Peter Groepper / 04.01.2024

@Claudius Pappe “Deutschland könnte es ohne Migranten, EU, und mit einer klugen Politik sehr gut gehen.” Sind Sie mit Ihrem Denken wirklich so altmodisch? Ohne Migranten? Wer soll dann die Ampelparteien wählen,, um Schlimmstes zu verhindern? Ohne EU? Wer soll denn dann einzahlen und uns sagen, was wirklich für uns gut und richtig ist? Mit einer klugen Politik? Sie wollen doch wohl nicht allen Ernstes - nein, das kann und will ich mir nicht vorstellen! Und überhaupt: Was soll denn hier das hässliche Wort Deutschland? (——- hier noch eine kleine Anekdote: Um 1992 beim Kaffee nach dem Mitagessen bei einer Int´l Organisation kam das Gespräch auf “Deutschland”. Am Tisch außer uns “alten Hasen” ein junger Graduierter, also frisch gebackener Uni-Absolvent aus dem Saarland, der bei uns ein technisches Auslands-Praktikum absolvierte. Seine Originalworte: “Ich fühle mich entweder als Saarländer oder als Europäer. Deutscher ist für mich eher ein Schimpfwort”——Unfassbar, aber ich bescheinigte ihm daraufhin eine erfolgreich absolvierte Umerziehung)

Peter Wagner / 04.01.2024

Merke: Sozialistisch-kommunistisch-faschistische Diktaturen erzeugen - prinzipbedingt - IMMER Wohnungsprobleme!

P. F. Hilker / 04.01.2024

Hahahaha. Ja, es ist nicht so einfach an anderer Leute Geld zu kommen. Das sind so sozialistische Winkelzüge, um das Vermögen fleißiger Leute zu ergattern. Ich habe vor Lachen Tränen in die Augen bekommen. Das muss ich meinem Steuerberater mal erzählen, damit auch er was zu lachen hat.

Günter H. Probst / 04.01.2024

Ich habe in den Propagandamedien noch nie diese Frage gehört. Wie kommt es, daß bei einer eigentlich sinkenden Bevölkerung, 300 000 Gestorbene mehr als Geborene, die Wohnungsknappheit zu- und nicht abnimmt? Dann müßte man nämlich antworten, daß bei einer Masseneinwanderung von knapp 1 Million pro Jahr die Nachfrage das Angebot weit übersteigt, und somit die Mieten steigen und die Wohnungsnot zunimmt. Da die Masseneinwanderung in den nächsten Jahren zunehmen wird, werden auch die Mieten und die Anzahl der Wohnungslosen weiter steigen. Übrigens kommt die 1 Million pro Jahr, weil sie in ihren Herkunftsländern weder Jobs, noch Wohnungen, noch Klimiken, noch Schulen haben. Und im Slum sieht selbst ein warmer Container, freier Lebensunterhalt, freie Bildung und freie Heilfürsorge verlockend aus.

Matthias Böhnki / 04.01.2024

@Alex Gross, auch Ihre Rechnung ist falsch und suggeriert eine andere Realität. Der Autor hat geschrieben, daß sich das Ehepaar einen Verkaufspreis von 500.000€ erhofft. Hoffen kann man natürlich auf vieles, im Kontext des Textes kann man ( muß man nicht ) davon ausgehen, daß das Ehepaar sich schlau gemacht hat und die von Ihnen benannten Modernisierungsmaßnahmen schon abgerechnet hat und dabei nun bei 500.000€ angekommen ist. Beim Makler haben Sie einen Punkt. Allerdings verlieren Sie denn anschließend schon wieder, denn Sie müssen sich schon darauf einigen, ob der Makler, wie beim Verkauf, vom Verkäufer zu zahlen ist, oder wie bei der Mietung ( oder dem Kauf einer kleineren Eigentumswohnung ) plötzlich vom Käufer. Dazu kommt Ihre Warmmiete von 400,00€/Monat, mithin 4.800,00€ im Jahr - das glauben Sie doch selber nicht ! Sie unterstellen dem Ehepaar eine Durchschnittsrente, das dürfte statistisch gesehen schwer zu bestätigen sein, denn Menschen mit Häusern, die 500.000€ wert sind, haben in der Regel während ihres Berufslebens Einkommen bezogen, die überdurchschnittliche Renten bewirken. Und zum Schluß Ihre Wärmepumpenstromrechnung von 2.000€/Monat, also 24.000€ im Jahr - du lieber Himmel, wenn das Ihre “konkreten Erfahrungen” sind…...................................................

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