Susanne Baumstark / 19.12.2019 / 17:00 / Foto: Pixabay / 15 / Seite ausdrucken

Posten-Wucherung im Bundestag

„Die Zahl der Mitarbeiter von Bundestagsabgeordneten ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Derzeit gibt es laut Bundestagsverwaltung 5.336 Mitarbeiter, die die Abgeordneten zur Unterstützung ihrer parlamentarischen Arbeit auf Kosten der Steuerzahler beschäftigen“, berichtet die Süddeutsche Zeitung. Die beeindruckende Entwicklung der Ausgaben für den Bundestag ist im Luftwurzelarchiv (2016) dokumentiert, siehe auch auf dieser Seite (2018) sowie auch an jener Stelle (2019).

Trotz mehrfacher Ermahnung zur Reduzierung des Bundestags und damit der immensen Folgekosten – man erinnere sich etwa an diesen Aufruf der 100 Staatsrechtler aus ganz Deutschland – wird erfahrungsgemäß genau das Gegenteil eintreten: „Die Normgröße des Bundestages liegt bei 598 Abgeordneten.“ Wegen etlicher Überhangmandate sitzen dort derzeit aber 709 Leute. „Nach der nächsten Wahl könnten es sogar mehr als 800 Abgeordnete werden.“ Entsprechend werden wieder die Mitarbeiter der Parlamentarier steigen.

Oberflächlich, aber wirksam loyal

Auf die Bemühungen von Wolfgang Schäuble ist eher wenig bis kein Verlass. Schon im April 2018 versprach der Bundestagspräsident: „Wahlreform kommt noch in 2018.“ Aktuell ist er „grundsätzlich zuversichtlich“, dass sich der Bundestag auf eine Reform einigt. „Zur Sicherheit habe seine Verwaltung jedoch bereits ‚ein Genehmigungsverfahren für den Bau von Bürocontainern beantragt‘, um auch mehr als 800 Abgeordnete samt ihrer Mitarbeiter unterbringen zu können.“ Betrachtet man die stetige personelle wie finanzielle Aufblähung des Bundestags zusammen mit den zusätzlich engagierten tausenden „Beratern“ sowie der teils auch ideologisch aufgesetzten Schaffung neuer Stellenpools – etwa der 600 neuen Posten zur „Bekämpfung von Rechtsextremismus“ in den Sicherheitsbehörden des Bundes –, dann braucht man sich nicht wundern, wenn der Eindruck einer sich formierenden Front aufkeimt: In der Breite bestehend aus einer oberflächlich, aber wirksam loyalen, weil lohnabhängigen und unreflektiert eitlen Gefolgschaft.

Die Bedenken der 100 Staatsrechtler sind durchaus realitätsnah: „In Sorge um das Ansehen der Demokratie appellieren wir deshalb an den Deutschen Bundestag, die Reform des Bundeswahlgesetzes alsbald in Angriff zu nehmen. Die Zeit drängt. Auf keinen Fall darf der Eindruck entstehen, viele Abgeordnete würden die dringend nötigen Änderungen verzögern, weil das eigene Hemd ihnen wichtiger sei als der Gemeinwohlrock. Das würde das Vertrauen der Menschen in unsere Demokratie schwer erschüttern“ – nachhaltig, ist anzufügen.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Susanne Baumstarks Blog Luftwurzel.

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Heinz Becker / 19.12.2019

Naja, allzuviel Vertrauen kann nicht mehr verloren werden, wenn man den Civey-Umfragen z.B. auf LÜGEL-Online glauben kann. Dort meinen jeweils etwa 30 Prozent der Befragten, dass die sogen. BRD keine oder keine richtige Demokratie ist. Vertrauen in die Staatsmedien wie z.B. die aktuelle Kamera ist auch minimal, mittlerweile sinkt auch das Vertrauen in die früher über jeden Zweifel erhabenen bewaffneten Organe des Regimes rapide. Weiter so, kann ich da nur sagen. Ihr werdet auch die restlichen 40 Prozent noch überzeugen…

Jochen Lindt / 19.12.2019

DDR Volkskammer. Oder anders formuliert Parasitismus auf Kosten des Volkes. (Nein- leider gibt es dafür keinen anderen Begriff).

S. v. Belino / 19.12.2019

Hätten wir chinesische Verhältnisse, würden unserem Land mit seinen ca. 83 Millionen Einwohnern um die 175 Parlamentarier genügen. In China kommen nämlich jeweils nur 3e davon auf 1.4 Millionen Einwohner. Am Ende ist das Regieren in Deutschland viel komplizierter als in dem riesigen fernöstlichen Land. Wer weiß das schon? - Allmählich dürfte, was das stetige Anwachsen unseres Parlaments angeht, nun wirklich das Maß voll, übervoll, möchte man meinen. Seltsam nur, dass sich die Öffentlich kaum um diesen teuren Missstand schert. - In jungen Jahren schmiss ich, zusammen mit einer einzigen tüchtigen Kollegin, die Zimmerreservierungs-Abteilung eines Fünfsterne-Hotels in einer süddeutschen Großstadt. Dies komplett analog, mit zwei Schnurtelefonen, einer Speicherschreibmaschine (wow!) und einem Fernschreiber (weiß man hier noch, was das war?). Nur wenige Jahre, nach meinem Jobwechsel suchte ich meinen ehemaligen Arbeitsplatz erneut auf. Und, was sag’ ich - inzwischen waren dort vier Mitarbeiter beschäftigt, die durch ebenso viele Computer unterstützt wurden. Auf meine Frage, ob man die Bettenzahl des Hotels inzwischen verdoppelt hätte, erntete ich höchst verwunderte Blicke, und die bezeichnende Antwort bestand aus der Gegenfrage: Nö, wieso…? Wenn auch in diesem Fall die Dimension eine andere ist, mag mir vielleicht dennoch der Vergleich mit den wundersamen Blähungen unseres Parlaments gestattet sein.

Michael Kunath / 19.12.2019

Ich kann mich an September 2013 erinnern, als die kleine FDP-Fraktion mit 4,8%  aus dem Bundestag flog. Das waren um die 600 Personen…

Rolf Menzen / 19.12.2019

Mehrheitswahlrecht und 300 MdB reichen vollkommen aus.

Dr. Günter Crecelius / 19.12.2019

In absehbarer Zeit kann man den Verein ‘Deutscher Bundestag’ dann abschaffen und durch Volksentscheide ersetzen, da dann ohnehin alle hier Lebenden im B. vertreten sind.

Rainer Niersberger / 19.12.2019

Ehrlich gesagt finde ich die lobenswerten Aufrufe, Appelle und Ermahnungen der Wohl einsenden inzwischen genauso rührend wie die Versprechungen des parasitaeren Establishments. Warum um alles in der Welt sollten die Frösche etwas aendern, warum um alles in der Welt sollte der Staatsfunk zu seinen Aufgaben zurückfinden, wenn die Herr-und Frauschaften wie Fettaugen auf der immer mager werden Suppe herumschwimmen und sich gegenseitig halten und schützen. Mir scheint das Problem oder der reale Zustand einfach nicht erkannt oder besser verdrängt zu werden. “Die” wollen das so und noch mehr, das sind keine Fehler oder Versäumnisse. In jedem Fachbuch vor 50 oder mehr Jahren kann man diese Entwicklungen bis hin zur Negativauslese nachlesen, allein es nützt nichts. Die einzige! Methode zur Lösung aller dieser Probleme verlangt nach einer Ausmistung von unten, einem zurueck auf Los und einem Restart, mit voellig anderen Regeln und einem anderen System zur Vermeidung von Wiederholungen, und in Gaenze ausgewechseltem Personal. Viel Erfolg dabei, Die kleinen, abhängigen Tierchen werden sich mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln wehren und da es sie inzwischen überall gibt, findet man kaum einen archimedischen Punkt. Wahlen waeren eine Option, aber sicher nicht so, wie man gut erkennen könnte. Die Wahl des Blocks oder der Kaderparteien ändert nichts und eine AfD muesste nach der - unwahrscheinlichen-Mehrheit an die Reformen des durch und durch maroden Systems gehen. Das wird nicht lustig und mit der immer wieder gefaselten Beteiligung der hoch alimentierten Betroffenen geht es schon mal gar nicht.

Roland Stolla-Besta / 19.12.2019

Der aufgeblähte Parlamentarierhaufen ist leider so nie in den TV-Aufnahmen aus dem Bundestag zu sehen, da hocken wohl nur die paar Hansel herum, die nix Besseres zu tun haben. Ich kann mir nicht vorstellen, daß die semistaatlichen Sender diese Bilder gefaket haben. Wozu also die anschwellende Menge von nicht einmal Herumsitzern und -innen (oder richtiger: Herumsitzenden?), und wofür brauchen die auch noch einen Stab von Mitarbeitern? Wenn sie die wenigstens zur Lückenfüllung in den Bundestag schicken würden, aber nicht mal auf eine solche Idee kommen die. Na ja, mit Ideen waren diese Herrschaften eigentlich noch nie gesegnet.

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