Gunnar Heinsohn / 12.12.2020 / 14:00 / Foto: Pixabay / 37 / Seite ausdrucken

Hightech: Deutschlands Abschied, Koreas Aufstieg

Im Jahr 1994 führt Deutschland 22:1 gegen Südkorea bei den scharf gesiebten PCT-Patentanmeldungen. 2019 steht es 1:1. Die Ostasiaten mit heute 50 Millionen Einwohnern haben einen damals hoffnungslos wirkenden Rückstand gegen mittlerweile 83 Millionen Deutsche furios aufgeholt.

Diese Dynamik wirkt durchaus rätselhaft, weil im Koreakrieg (1950–1953) beide Hälften des Landes die Auslöschung von über 90 Prozent ihrer Industrieanlagen hinnehmen müssen. US-General Curtis Lemay (1906–1990) verkündet, dass „fast alle Städte in Nord- und Südkorea“ durch Brand- und Sprengbomben zerstört wurden. Verliert das Deutsche Reich zwischen 1939 und 1945 durch alliierte Flieger rund 500.000 Menschen, so kommen in Korea zweimal so viele um. Als Deutschland bereits acht Jahre Wiederaufbau hinter sich hat, kämpfen sich die Koreaner erst aus den Trümmern.

Und Südkorea hat weitere Handicaps. So erreicht es beim Schutz von Eigentumsrechten, ohne die es Patente nicht gäbe, 2020 zwar einen passablen Wert von 6.68, aber Deutschland kann 7.74 aufweisen. Finnland steht mit 8.65 unter 131 gemessenen Nationen an der Spitze. Das Ende markiert Haiti mit 2.66. Kritisiert wird Südkorea überdies im Bereich ethnischer Diversifizierung, von der sich deutsche Politiker so viel erhoffen. Mit 139.600 anerkannten Asylanten des Jahres 2018 schneidet die Bundesrepublik gut tausendmal stärker ab als Südkorea mit nur 107.

2:1 für Südkorea

Ungeachtet ihrer Exklusivität sind selbst unter PCT-Patenten nicht alle gleich. Es gibt die respektablen, aber darüber hinaus die für die Zukunft entscheidenden. Dabei geht es um Innovationen für die – 2011 zuerst von Deutschen ausgerufene – Industrie 4.0, also um die Vierte Industrielle Revolution (4IR) beziehungsweise das Internet der Dinge. Diese Artificial-Intelligence-Anwendungen ermöglichen das Kommunizieren von Maschinen mit Maschinen und von Programmen untereinander. Das Europäische Patentamt hat für diese Nobel-Kategorie eine Sonderauswertung von knapp 40.000 der insgesamt 253.000 Anmeldungen des Jahres 2018 vorgelegt.

2.051 Patente im 4IR-Sektor stammen 2018 aus Deutschland, aus Südkorea jedoch 4.370. Wo es rasant nach vorne geht, steht es zwischen den beiden also nicht mehr 1:1, sondern mit steigender Tendenz 2:1 für Südkorea. Deutschlands Spitzenreiter Siemens, der zwischen 2000 und 2009 noch 1,8 Prozent der globalen 4IR-Patente vorlegt, sackt – bei fallender Tendenz – auf nur noch 0,8 Prozent zwischen 2010 und 2018. Südkoreas Samsung-Erfinder hingegen klettern von 2,8 auf 5,2 Prozent und sind sechseinhalb mal stärker als die Münchener.

Seoul mit 9,9 und Tokio mit 9,8 Prozent der 4IR-Patente sind die Top-Städte der Menschheit. München mit 1,1 und Stuttgart mit 0,9 Prozent bilden keineswegs ein Nullum, kommen aber immer näher an den Ausgang des Hightech-Palasts.

Akademiker verlassen Deutschland

An welcher Schraube ließe sich in Deutschland noch drehen? Der Staat könnte mehr für Forschung und Entwicklung ausgeben. Das hat er aber durchaus brav getan. Parallel zum Absinken deutscher Firmen und Städte steigt der öffentliche Mitteleinsatz zwischen 2005 und 2018 von 9,0 Milliarden auf 17,3 Milliarden Euro. Mit insgesamt 3,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Forschung und Entwicklung im Jahr 2019 liegt man auf der Höhe Japans, allerdings hinter Südkorea (gut 4 Prozent). Wird man mit noch höheren Aufwendungen die Nase wieder vorne haben? Oder werden auch diese Mittel verpuffen? Denn wer könnte das Geld produktiv umsetzen? Absolventen von Sozial- oder Theaterwissenschaften und so weiter für das einfallsreiche Ausgeben von einer Milliarde Euro gegen Rechte werden sich zwischen 2021 und 2024 schon finden. Aber der 4IR-Ertrag dieser Summe dürfte bei null liegen.

Man muss also den Gründen für den Aufstieg der Ostasiaten nachgehen. Bei PISA 2018 hat Südkorea unter 1.000 Fünfzehnjährigen 69 mathematisch Fortgeschrittene („level 6“), während es in Deutschland 28 sind. Bei TIMSS 2015 (S. 115), wo die Gleichwertigkeit der Talente genauer beachtet wird, sind unter 1.000 südkoreanischen Kindern 409 „advanced“, in Deutschland aber lediglich 53.

Unter Nationen mit ähnlich solidem Eigentums- und Vertragsschutz kommen diejenigen nach oben, die ihre Kompetenz bewahren oder gar ausbauen können. Wie schlechtes Geld gutes Geld verdrängt, so verdrängen schlecht qualifizierte Migranten gut qualifizierte Einheimische. Die Besten erkennen diesen Zusammenhang zuerst. Schließlich müssen sie den 4IR-Karren für die Prosperität der Nation ziehen. Sie verstehen also, dass selbst bei ihrem Hierbleiben das Abrutschen der Heimat nicht zu verhindern ist. Deshalb klopfen sie vorsorglich bei Kompetenzfestungen an. Auch zwischen Rhein und Oder gibt es noch junge Leute, die eine solche Analyse anstellen können. Deshalb ist „der durchschnittliche deutsche Auswanderer unter vierzig, beruflich erfolgreich und hat einen akademischen Abschluss.“ Diese Könner entstammen demografisch noch stärkeren und zugleich smarteren Jahrgängen. Unter den Nachwachsenden sind solche Köpfe von vornherein rarer, aber das Finis Germaniae werden sie ebenso schnell verstehen wie die heute Weggehenden.

 

Gunnar Heinsohn (*1943) lehrte von 2011 bis 2020 Kriegsdemographie am NATO Defense College in Rom. 2019 hat er sein Buch „Wettkampf um die Klugen“ (Orell&Füssli) publiziert. Weitere Informationen finden Sie auf seiner Homepage.

Foto: Staff Sgt. Marianique Santos via Wikimedia Commons

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Karsten Dörre / 12.12.2020

2018 stand es bereits 2:0 zwischen Südkorea und Deutschland.

Ralf.Michael / 12.12.2020

Dank Kohl`s “Datenautobahn ist Ländersache”  hinken wir 20 Jahre hinterher. Die asiatischen Länder werden Wir auch nicht mehr einholen können, die sind bereits digitalisiert und haben Lehrkräfte an Schulen und Universitäten, die bereita die 2. Generation ausbilden. Zu Spät, zu Spät, Du rettest den Anschlussnicht mehr. Für Deutsche halt alles noch Neuland. Wissen ist Macht, hahahahaha, wenn man Nichts weiss, macht das auch Nichts. Wir sind bereits Abgestiegen und ein weiterer Abstieg ist leider unumkehrbar :o((

Thomas Brox / 12.12.2020

@ Albert Pflüger. Alles richtig. Aber hoffnungslos. Schon hier im Forum wird die Entstaatlichung nur von einer Minderheit unterstützt. Für die deutsche Gesellschaft hat der “Staat” einen naiv idealisierten, nahezu göttlichen Status. Das massive Eigeninteresse und die inhärente Ineffizienz des ÖD werden ausgeblendet. Unter anderem eine Folge von penetranter Propaganda und Zensur.

a.ziegler / 12.12.2020

Es nützt alles nichts. Ostasiaten sind einfach die intelligenteren Menschen. Als diese Länder ihren zum Teil selbstverschuldeten zum Teil durch Krieg verschuldeten Rückstand aufholen konnte, haben sie genau das getan. Asiaten wollen so leben wie Europäer und Amerikaner und sie brauchen nicht mehr auswandern, um das zu erreichen. Das ganze ist also ein leicht erklärbarer Vorgang und auch nicht zu ändern, der Zug ist abgefahren. Wir können noch so viel Geld in die Hand nehmen. Multikulti erhöht nirgendwo die Kompetenz, vor allem wenn man die falschen „mischt“. Man kann eine Weltkarte der Intelligenz im Netz finden. Die sagt alles.

Albin Sperrhausen / 12.12.2020

Deutschlands Abschied, Koreas Aufstieg-.-.- Das wundert mich aber ganz und gar nicht . Die Letzen Pisa Studien und das Internationale Universität ranking sind schlagende Beweise genug . Desweiteren verzichtet man in Erfolgreichen Industrie Nationen wie Japan und auch Südkorea so gut es geht darauf sich die Islamische Krankheit ins Land zu holen .(dagegen ist die aktuell erfundene Corona Pandemie ein Kindergeburtstag)  auch weil das andere Staaten wie zum Beispiel Deutschland viel besser machen nicht umsonst auch noch ein Milliarden Geschäft für einige wenige zum nachteil für die Mehrheit . Geschätzte Jährliche Zahlung um die Neuen, zumeist Moslems rundum zu alimentieren inzwischen ca.4000-5000 Millionen Euro . Aber man gönnt sich ja sonst nichts ... Alahu Akbar !.

Frances Johnson / 12.12.2020

Solche Brücken wie abgebildet halte ich selbst für überflüssige menschliche Hybris. Die meisten werden zum Jux gebaut, damit Touristen mit dem ultimativen Kick runtergucken und ihre inflationären Bilder machen können, und damit Architekten und Statiker ihr Know-How unter Beweis stellen können. Irgendwann stürzt die erste davon ab. Die Patente: “An welcher Schraube ließe sich in Deutschland noch drehen? Der Staat könnte mehr für Forschung und Entwicklung ausgeben. Das hat er aber durchaus brav getan.” Ich hatte aber den Eindruck, dass das Gros der Gelder in Klimawissenschaft floss und hier einseitig. Als Forschungsgelder gelten sicherlich auch Investitionen in Genderforschung. CRISPR - der Chemie-Nobelpreis an eine Französin und eine Amerikanerin zusammen. In Deutschland wird an politischer Korrektheit gearbeitet. Das ist kein Patent wert. Die Unis lasse ich außen vor. Die Oberstufenschüler, wenn sie Sprachen und MINT nicht können, machen den G-Zweig. Das heißt Gesellschaftswissenschaften. Die Klassen sind meistens größer. Das Menetekel fängt in der Schule an, auch bei zu großen Klassen und dem Fehlen einer Eliteförderung. Eliten, geistige, werden von Mitschülern gern gemobbt. Die können, wechseln, oft ins Ausland, der Rest passt sich an. Mobbing ist unangenehm. Es fängt ganz unten an, das Problem. Bei der inzwischen herrschenden Mentalität - siehe Covid - wird sich nichts ändern. Das Land ist als geistig-techniche Führungsnation verloren. Wenn man das ändern wollte, müsste man die Mentalität ändern und das schnell.

Dieter Kief / 12.12.2020

Finis Germania (der Titel von Rolf Peter Sieferles ober-trennscharfer Deutschland-Streitschift)  und Finis Germaniae (Gunnar Hieinsons Spott über das bevorstehende Ende des Weltmarktführers Deutschland) sind den meisten unterdessen Jacke wie Hose. Superdrollig sind jene Linken, die Südkorea und Japan auf dem absteigenden Ast wähnen, wg. zuviel Stress, zu hoher Schulden (Japan) usw. - und zu geringer Diversität…Mundus also die Welt, sagt der Lateiner, vult decipi - will betrogen sein. Wohlan - sie bekommt erneut ihr Teil. - : - Plus ca change, plus c’est la meme chose - je mehr sich alles ändert, desto mehr beibt_ sisch_ alles_gleisch. - Spotten unsere Nachbarn in Fronkraisch, ne.

Albert Pflüger / 12.12.2020

Eines habe ich noch vergessen: Wir brauchen weniger Studenten und mehr Handwerker!

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