112-Peterson: Denken als säkularisiertes Gebet

Ging das Gebet dem Denken entwicklungsgeschichtlich voraus?

Lassen Sie mich ein wenig ausholen und sagen Sie mir, was Sie davon halten. Ich habe das Denken als säkularisiertes Gebet konzeptualisiert. Der Grund, warum ich das tue, ist wohl bis zu einem gewissen Grad anthropologisch, denn ich denke, dass das Gebet dem Denken entwicklungsgeschichtlich vorausging.  Ich denke, dass die historischen Beweise darauf hindeuten, dass wir noch nicht sehr lange rational denken. Ich versuche hier nicht, ein qualitatives Primat zu begründen, sondern den Tatsachen Rechnung zu tragen. Ich werde also skizzieren, was wir meiner Meinung nach tun, wenn wir denken, und ich möchte, dass Sie mir sagen, was Sie von dieser Skizze halten. 

Als erstes würde ich sagen, dass Gedanken uns auf eine Art und Weise orientieren, die unseren Wahrnehmungen und unseren Emotionen ähnlich ist. Sie sind also vom „selben Unternehmen“. Wir nutzen Gedanken, um uns auf unsere Ziele zuzubewegen und um unsere Ziele zu verändern. Das tun wir. Das ist das Abstrakte. Und dann würde ich sagen, dass Gedanken sich in Bezug auf unser Ziel manifestieren, genau wie unsere Wahrnehmungen, und dass sich unsere Gedanken zumindest teilweise durch unser Ziel unterscheiden. Das ist es, was ich denke. 

Das Erste, was ich tue, wenn ich denke, ist zuzugeben, dass ich etwas nicht weiß, also gehe ich in Demut an den Prozess heran und gebe zu, dass ich ein Problem habe. Es könnte etwas sein, das ich nicht verstehe, etwas worauf ich neugierig bin, oder was mich stört. Ich habe ein Problem, und ich gebe zu, dass ich das Problem habe und ich nehme an, dass es eine Antwort gibt. Ich nehme an, dass es gut wäre, wenn ich die Antwort bekomme. Ich würde sagen, ich tue etwas, das man so beschreiben könnte: Ich erlaube mir, einen Gedanken zu empfangen. Ich könnte auch sagen, ich denke oder ich denke mir etwas aus, aber ich mag diese Formulierung nicht wirklich, weil ich denke, dass es keine gute Beschreibung dessen ist, was tatsächlich passiert.

Dies ist ein Auszug aus einem Video von Jordan B. Peterson.

Foto: jordanbpeterson.com

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Leserpost

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Ralf Pöhling / 08.05.2024

Zum letzten Absatz: Das tun die meisten Menschen leider nicht. Zuzugeben, dass man etwas nicht weiß, wird bei uns immer noch als Schwäche gewertet. Dabei ist das eigentlich keine Schwäche, sondern eine Stärke. Wer aufgrund andauernden Konkurrenzdrucks vorgibt Wissen oder Fähigkeiten zu haben, die (noch) gar nicht vorliegen, der bringt das gesamte Unternehmen in existenzielle Gefahr. Und das gilt nicht nur unten beim Bodenpersonal, sondern auch oben in den Chefetagen. Aus dieser Denke müssen wir schnell raus, denn wenn man den Menschen die Waffen in die Hand drückt, ohne dass die wissen, was das Ziel ist, muss man ihnen wenigstens klar machen, dass sie das eigentliche Ziel erst kurz vor dem Schuss erkennen werden und dass sie deshalb mental so offen bleiben müssen, wie es gerade geht. Knallhartes Durchprügeln von Propaganda zerstört diese Offenheit. Es geht derzeit noch um das Erlernen des Handwerks, aber noch nicht wirklich um das Problem, das repariert werden muss. Hinter den Kulissen läuft es gut. Auf der Bühne und bei den Zuschauern aber nicht. Und gerade die letzteren müssen offen genug sein, den enormen Spin in der Handlung mental akzeptieren zu können. Wer das Theater vorzeitig verlässt, weil ihm das Stück nicht gefällt, der wird dann am Ende zu denen gehören, die dumm dastehen. Ich wiederhole: Wir brauchen derzeit maximale mentale Offenheit. Die Menschen müssen bereit sein, sich auch überraschen und aufklären zu lassen. Dann wird alles gut.

Volker Kleinophorst / 08.05.2024

Wen. der erste Gedanke beim Gebet kam, war es wohl: “Was mach ich hier eigentlich für einen Scheiß?”

Sam Lowry / 08.05.2024

WELT: “Hirnforschung: Die Deutschen denken zu wenig”...

Lutz Liebezeit / 08.05.2024

Die älteste Flöte der Welt ist 40.000 Jahre alt und wurde in Deutschland gefunden. Die ist das älteste musikalische Artefakt und pentatonisch gestimmt (was für Musiker). Ein Archäologe spielte auf der Flöte Star sprangled Banner. Die zweitälteste Flöte der Welt ist 35.000 Jahre als und auch aus Deutschland. Leider ist die in der Mitte durchgebrochen, aber es beweist, das Musizieren war kein Einzelfall.  Das Alter läßt sich mit der Radiokarbon-Methode bestimmt, ALLERDINGS ist die Methode nur BIS 50.000 Jahre möglich. Älteres läßt sich mit keiner Methode der Welt datieren. Was darüber ist, sind Analogien, Hoffnungen, Mutmaßungen. Ich denke, daß die Wissenschaft unehrlich ist, besonders Archäologie und Anthropologie, Teilchenphysik und Astrophysik. Die können nicht zugeben: Keine Ahnung! Die zaubern sich Erklärungen aus dem Hut, weil sonst die Forschungsgelder versiegen. Geld macht erfinderisch. Milliarden Jahre wegen der Rotverschiebung - Blödsinn! Wir wissen nicht, wie das alles entstanden ist!

Olga Thon / 08.05.2024

Gebet soll also dem Denken vorausgegangen sein. Die Gebeten wurden somit nicht von Menschen erdacht. Denn dann wäre ja das Denken den Gebeten vorausgegangen. Gehen Sie davon aus, dass uns die Gebete vom Himmel gesandt wurden? Also als fertige Wort- oder Gedankenform? Wobei Sie ja sicherlich den Christlichen Gott meinen. Gebete zu den Götter gab es aber schon weit zuvor. Hat der gute Zeus und alle seine Mitgötter ihre Gebete also auch den Menschen fertig mitgeteilt? Was ist mit den Götter der sogenannten Primitivvölker? Haben sie die Gebeten auch von ihren Götter aus dem Himmel/Erdreich/Wasser/wasauchimmer mitgeteilt bekommen? Vermutlich über das “Bodenpersonal” - also die Priester des entsprechenden Gottes. Es gab aber schon Götter, bevor sich das entsprechende Bodenpersonal entstand. Vermutlich haben dann die Gebete an den Donnergott von Blitz in den Himmel gezeichnet wurden. Frage ist nur - wie haben die Urmenschen diese gelesen, ohne Schrift ausgedacht zu haben? Fragen über Fragen.

Gabriele Klein / 08.05.2024

@ J. Schuster: Genau den Vorwurf, Hauptsache eine Pointe geschleudert würde ich gegen Sie richten, auch wenn ich Ihren Kommentaren teils einige sehr wichtigen Überlegungen /Hinweise verdanke. Ich sehe hier keinen Grund für eine solch aggressive Replik wenn sich jemand auf die Suche nach einer Antwort begibt und andre auffordert sich daran zu beteiligen. Die Bedeutung des Gebets in Bezug auf Psyche und Denkvorgänge einzubeziehen scheint mir in Zeiten wo man es wieder zu verbieten trachtet wichtig. Die Ambitionen v. Marxisten in Bezug aufs Gebet sehe ich irgendwie so wie wenn man das Weinen und Lachen (auch nur beim Menschen vorhanden) verbieten würde, was sie ja auch teils durch Zensur bereits tun. Die einzige Kritik die mir hier käme richtet sich eher die Selektion d. Peterson Passagen. Diese könnte man sehr viel besser gestalten. Was hier rausgegriffen wird und wie es rausgegriffen wird, scheint mir auch nicht ideal und wird Peterson auch nicht gerecht. So mein Eindruck den ich zwar nicht immer, aber des öfteren bei dieser Rubrik gewinne. Die besten Kommentare von Peterson fand ich nicht auf Achgut, das ist schade

Gabriele Klein / 08.05.2024

Nachdem ich mich etwas mit G.H. Mead befasst habe, glaube ich dass man ohne diesen Autor in den Fragen die Peterson da stellt nicht weiterkommt. Kein Weg scheint mir an G.H. Mead u. diverse andre Autoren aus seinem Wirkungskreis herumzuführen. Ich finde Mead den einfachste Autor zum Lesen sicherlich nicht aber es lohnt die Auseinandersetzung mit ihm er scheint mir nicht hinreichend beachtet. Eine Hilfe bei der Lektüre ist sicherlich David L Millers Abhandlung George Herbert Mead: Self, Language, and the World. Bin noch nicht durch aber bis jetzt äußerst hilfreich. Kann es nur als Arbeitsabkürzung bis jetzt empfehlen, leider nur noch gebraucht verfügbar u. keine kindle version was sehr schade ist.

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