112-Peterson: Psychologie und Korruption

Jede Form der Therapie ist im Prinzip eine Konversionstherapie. Man konvertiert den armen, elenden, blinden, stolpernden Patienten in einen einigermaßen lebenstüchtigen Menschen. Und wer das als Therapeut nicht tut, ist einfach keiner.

Man kann auch an schrägen Uni einiges lernen. Zum Beispiel wie man Korruption widersteht. Man kann lernen, als Student ein Argument zu formulieren, das so solide ist, dass sogar ideologisch motivierte Professoren durch ihr letztes Bisschen Bewusstsein gezwungen werden, den Studenten anständig zu bewerten. Schwierig, aber möglich.

Als Psychologe, vor allem als klinischer Psychologe, ist Wahrheit das einzige, was man innerhalb des Heilungsprozesses anbieten kann. Die Leute gehen zum Psychologen, um zu beichten. Und das meine ich todernst. Der diagnostische Prozess ist ein Bekenntnisprozess. Im Grunde sind klinische Psychologen nichts anderes als säkulare Priester. Auch historisch gesehen. Der berühmte Psychologe und Psychotherapeut Carl Rogers beispielsweise war ein Seminarist, ein christlicher Missionar. Natürlich gab es auch säkulare, humanistische Psychologen, aber das waren im Grunde auch Christen, die es bloß nicht wussten. 

Der Patient geht also zum Psychologen und erzählt ihm seine Sorgen. Und das ist auch notwendig, denn sonst kennt weder der Therapeut noch der Patient seine Probleme. Das alles geschieht also in einem Bekenntnisprozess. Und wenn man als Zuhörer besonders aufmerksam ist, glauben die Patienten, sie können ihrem Psychologen vertrauen, was natürlich auch der Fall sein sollte. Dann können sie alle Karten auf den Tisch legen und der Therapeut kann begreifen, warum sie leiden.

Beschämend, Akademiker zu sein

Wenn man ihnen dann hilft, Strategien in Bezug auf ihr Leiden zu entwickeln, kann man sie darin unterstützen, ihren Weg zu finden. Dies ist ein Erlösungsprozess mit dem Ziel der Wiedergutmachung. All das basiert letztlich auf Logos. Dem Kern des dialogischen Prozesses. Logos ist der Geist der Wahrheit, der sich an der Liebe orientiert. Und so funktioniert der therapeutische Prozess. Man könnte ihn auch als eine Wiederherstellung der optimierten elterlichen Umgebung beschreiben. Aber all das zerfällt, wenn es keine strikte Verpflichtung zu Demut und Wahrheit gibt.

Doch das Berufsbild des Psychologen verlässt diesen Bereich gerade aufgrund von gesetzlichem Zwang, weil man die Identität des Patienten bestätigen muss. Das ist jedoch das allerletzte, was man als Psychologe tun sollte. Wenn sich einer bereits im Garten Eden befindet, bestätige ich gerne seine Identität, aber wenn er genauso dümmlich und leidend umherstapft wie alle anderen, sollten wir einige Nachforschungen anstellen, um herauszufinden, was genau mit seiner Identität nicht stimmt. Und nicht, inwiefern sie bereits perfekt ist. Ich will das ganze nicht verharmlosen. Es trifft nur den Kern der Sache.

Jede Form der Therapie ist im Prinzip eine Konversionstherapie. Man konvertiert den armen, elenden, blinden, stolpernden „Bastard“ in einen einigermaßen lebenstüchtigen Menschen. Das gleiche sollte man übrigens mit sich selbst tun – und zwar wahrhaftig und mit offenen Augen. Und wer das als Therapeut nicht tut, ist einfach keiner. Dann hält man sich wahrscheinlich für jemanden, der glaubt, sein Job bestünde darin, 13-jährige Mädchen davon zu überzeugen, ihre Brüste abzuschneiden. Einfach nur schrecklich und barbarisch. Und Teil einer sehr weitreichenden Lüge. Es ist unglaublich, wie komplizenhaft sich Vertreter meines Berufes hier vehalten und angesichts dessen erscheint es entsetzlich beschämend, Akademiker zu sein.

 

Dies ist ein Auszug aus einem Video von Jordan B. Peterson.

Foto: Gage Skidmore CC BY-SA 2.0 via Wikimedia Commons

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Leserpost

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W. Renner / 22.11.2023

Demnach bräuchten wir jetzt nur noch einen Therapeuten zum konvertieren all der Olafs, Roberts, Annalenas, Christians, Nancys, Heiners, et Gefolge?

Klara Altmann / 22.11.2023

Der gute Therapeut im Sinne der humanistischen Psychologie verändert eben gerade nicht den Klienten in manipulativer Weise in Richtung des gesellschaftlich Gewünschten. Sondern er hilft dem Klienten, eigene Blockaden zu lösen und verdrängte Persönlichkeitsanteile und Emotionen zu integrieren, um wieder vollständiger und stärker zu werden und seinen eigenen Weg zu finden. Das weicht sehr stark ab von den Vorstellungen, die Peterson hier darstellt. Das Ergebnis der Ich-Stärkung des Klienten wird aber mit hoher Wahrscheinlichkeit auch keine Geschlechtsumwandlung eines Teenagers werden. Die aktuelle Modeerscheinung bringt höchstwahrscheinlich viele Teenager dazu, in fragilem Alter ihre Geschlechtszugehörigkeit zu hinterfragen. Stärkt man sie in ihrer Persönlichkeit, werden wohl fast alle lernen können, sich und ihren Körper wieder anzunehmen. Immerhin gibt es sehr viele Varianten Mann oder Frau zu sein, das eröffnet schon einen sehr großen Spielraum.

Klaus Keller / 22.11.2023

Psychologie und Korruption: Der Patient erzählt dem Therapeuten, seine Sorgen und der bekommt auch dann Geld wenn er nicht helfen kann da der Erfolg nicht geschuldet ist. Die Korruption beginnt aber schon bei der Terminvergabe. Eine sexuell missbrauchte drogenabhängige Kassenpatientin muss länger warten als eine narzisstische Selbstzahlerin. Ich gehe davon aus das Professoren für unter 150€/50min überhaupt nicht tätig werden.

Gabriele H. Schulze / 22.11.2023

Eine Psychologin, die ich vor Jahrzehnten zu Rate zog, ist mir in guter Erinnerung wegen zweier Manöver: erstens hat sie mir neue Blickwinkel auf meine Probleme ermöglicht - “ach, so kann man das auch sehen!” Läuft heute wohl unter “ressourcenorientiert”. Und zweitens den Spruch “Sie müssen nicht alles aushalten”. Thumbs up.

Gerd Quallo / 22.11.2023

Mit Psychologen, Psychiatern, Therapeuten und Pädagogen verhält es sich so: Es gibt immer mehr davon, sie wissen angeblich immer mehr, und gleichzeitig wird die Welt immer meschuggener. Paradox oder stringent?

Thomas Szabó / 22.11.2023

@ Marta Geist: Ich lese ein sehr lehrreiches Buch: Und Gott schuf die Angst / Ein Psychogramm der arabischen Seele, von Dr. Burkhard Hofmann. Der Psychotherapeut Dr. Hofmann beschreibt einfühlsam die seelischen Nöte seiner Patienten aus einem ganz anderen Kulturkreis. Es geht um frühkindliche Mutter, Vater-Konflikte, Traumata, um die Identitätsfindung, Selbstwahrnehmung, etc. Ich weiß nicht worüber ein deutscher Psychotherapeut, Soziotherapeut, Psychologe mit seinen Patienten reden soll, wenn er nicht mal Vater, Mutter, Mann, Frau, Geschlecht sagen darf.

Thomas Taterka / 22.11.2023

Therapeuten, Analytiker , Psychiater kannte ich bisher nur als Kunden , Bekannte und Freunde . Wäre ich also Ihr Patient , so würde ich zuerst Ihren Geschmack , Ihre Lebensart , Ihre weltanschauliche Befangenheit testen und dann entscheiden , ob ich überhaupt ” beichte ” . Konvertieren kommt für mich nicht in Betracht , denn ich habe bereits eine Religion : ” Die Bibel ist eine LITERARISCHE Erzählung ” ( Marcel Reich Ranicki ) . - It’s a real treat with me . Your call.

gerhard giesemann / 22.11.2023

Ein Psycholog ist selbst ein shrink. Nur: ER wird dafür bezahlt. Einlaufsicher.

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