112-Peterson: Ohne freie Rede keine mentale Gesundheit

Die Grundlage der modernen Psychotherapie ist die freie Rede des Patienten. Ohne freie Gedankenäußerung kein therapeutischer Erfolg – und keine mentale Gesundheit. Das gilt auch für andere Lebensbereiche.

Der US-amerikanische Psychologe Carl Rogers (1902-1987, Pionier der modernen therapeutischen Gesprächsführung, Anm.d.Red.) propagierte, dass der Therapeut in einer Sitzung den Klienten vor allem frei reden lassen muss, um herauszufinden, was dieser denkt. Somit würden die Patienten ebenfalls herausfinden, was sie denken und wären in der Lage, sich ein Stück weit von der Hölle wegzubewegen, in der sie sich befinden (...) Denn in der klinischen Psychologie hat man es mit Menschen zu tun, die in einer Weise leiden, die man sich kaum vorstellen kann. Sich aus diesem Tal herauszukämpfen ist vermutlich das Wirklichste, das es gibt. Wenn Leiden realer als alles andere ist, dann ist das einzige, das noch realer ist, unsere Waffe gegen den Schmerz. Und diese Waffe ist die freie Rede, identisch mit freien Gedanken.

Freie Rede und gründliches Zuhören sind zwei Seiten derselben Medaille. Alle klinischen Daten, die wir haben, einschließlich der stärker forschungsorientierten klinischen Untersuchung, zeigen klar, dass ein derartiger Austausch, die Erschaffung semantischer und emotionaler Information in relativer Freiheit, die Enthüllung und anschließende diskursive Analyse dieser Gedanken und ihre Umsetzung in die Praxis der Weg zur Gesundheit ist. Zumindest vom psychologischen oder spirituellen Standpunkt aus betrachtet.

Die freie Rede ist nicht einfach nur eine Freiheit oder ein Recht unter vielen. Sie ist ganz bestimmt nicht bloß „Meinungsvielfalt“. Freie Rede ist der Mechanismus, durch den wir die Konzepte erschaffen, die uns erlauben, unsere Erfahrung auf der Welt zu organisieren. Dieser Mechanismus erlaubt uns darüber hinaus, diese Konzepte neu zu formulieren und zu kritisieren, wenn sie überholt und schal geworden sind. Um sie dann in ein Chaos aufzulösen, mit dem wir Vorlieb nehmen müssen, solange wir unsere Konzepte umstrukturieren – und sie schließlich in einer neuen Form reanimieren, sodass wir uns in die Zukunft bewegen können.

Wenn Sie sich also Sorgen um die Unterdrückten dieser Welt machen: Warum zum Teufel sollten Sie dann gegen freie Rede sein? Sie ist das einzige, das die Unterdrückten haben. Und wer das nicht begreift, ist entweder derart unwissend, dass er sich so schnell wie möglich besser informieren sollte. Oder er ist so entsetzlich bösartig, dass er sich schleunigst mit seiner eigenen Schlechtigkeit konfrontieren sollte, wenn auch auf eigene Gefahr.

(...)

Die ganze jüdisch-christliche Tradition fußt bis heute auf dem Versuch, den Gegenstand der Erlösung durch das Wort Gottes an allerhöchste Stelle zu setzen. Keine Wahrheit ist tiefer als diese.

 

Dies ist ein Auszug aus einem Vortrag von Jordan B. Peterson. Hier geht's zum gesamten Beitrag.

Foto: jordanbpeterson.com

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Hans-Peter Dollhopf / 04.05.2022

Hjalmar Kreutzer fragt, “Wird Jordan Peterson unter den sich für intellektuell Haltenden evtl. überschätzt?”, und begründet diese Fragestellung mit seiner Ansicht “Außer Plat[sic]itüden habe ich auf dieser Seite noch nichts Wesentliches von ihm gelesen.” Womöglich - also vielleicht! - ist ihm entgangen, dass Herr Peterson sich hier auf Achgut nicht direkt engagiert, sondern hier veröffentlichte Texte von der Redaktion gezielt ausgewählt sind. Es liegt also ein Missverständnis Hjalmar Kreutzers vor, die Qualität von Herrn Petersons Texten hier betreffend.

Hans Meier / 04.05.2022

Der Artikel gefällt mir. Ich liebe die freie Rede so sehr, dafür hab ich sogar schon als Knirps „kalkulierte Prügel“riskiert, oder bin als Erwachsener aus Veranstaltungen geflogen. Ein Hit war so: im Saal saßen die Damen und Herren, denen ein „Gymnasialer-Kunst-Akademiker“ Dias von den Kunstwerken zeigte, die in der Dokumenta ausgestellt waren, und seine Saalgruppe instruierte er nun eifrig. Ein Dia auf dem eine große Stahlbramme zu sehen war, die mit einer Sauerstoff-Lanze zur Hälfte aufgeschnitten und geknickt da lag, animierte den Typ am Projektor ins Schwärmen abzuheben: die Darstellung des Künstlers von den gewaltigen Urkräften…usw. Ich war auf Wunsch `ner Begleiterin mitgekommen und saß nun in dem mulmigen Saal. Kam mir vor, als würde mich jemand verarschen wollen. Die Spitze erreichte der Typ dann, als er ein Dutzend kackbraune Karos mehrmals vorwärts und zurück zeigte und „wieder in verbale Hirnblähungen abhob“, da hab ich „laut Gestöhnt und gesagt: jetzt spür ich`s auch“. Einfach „herrlich was dann los war“. Der Typ am Projektor hat gebrüllt, „Licht an – wer war das“ und ich sagte ruhig „ich“. Da haben mich alle „entsetzt giftig angeguckt“ der Typ „hat bissig gebellt: raus hier“ und ich hatte zu meinem Vergnügen frei. Verließ den Theater-Saal vorzeitig, um im Erdgeschoß entspannt ein Bier zu genießen. Bis die anderen nachkamen, die fanden es besser, sich keine Freiheit zu leisten, das sei so üblich. Naja für Freiheit lohnt es sich was zu riskieren, statt sich zu ducken.

Ilona Grimm / 04.05.2022

Freie Rede ist auch auf der „Achse des Guten“ Vergangenheit. Der Weg, eigene Gedanken auch mal unsortiert in den Raum zu werfen und auf Resonanz, Widerspruch oder Bestätigung zu hoffen, ist seit einigen Wochen versperrt. Deshalb nimmt die Zahl meiner „Selbstgespräche“ täglich zu. Immerhin vertraue ich darauf, dass Jesus Christus mir gnädig und unverdrossen zuhört und mich auch nicht zensiert (beschneidet; mir den Mund verbietet), wenn ich Gedanken habe und ausspreche, die ihm möglicherweise nicht gefallen. Um die Welt und die deutsche Gesellschaft wäre es besser bestellt, wenn noch gültig wäre, was Peterson in seinem Schlusssatz feststellt: »Die ganze jüdisch-christliche Tradition fußt bis heute auf dem Versuch, den Gegenstand der Erlösung durch das Wort Gottes an allerhöchste Stelle zu setzen. Keine Wahrheit ist tiefer als diese.« - - - Keine Glaubensgemeinschaft wird stärker befeindet als Christen. Laut Open Doors Weltverfolgungsindex werden mindestens 300 (!) Millionen (!) Christen in vielen Ländern der Welt bedrängt, benachteiligt, zu Zwangsabgaben verpflichtet, gefoltert, in Lager gesteckt und getötet. Auch in Deutschland nimmt die Christenverfolgung zu, wenn auch subtiler. Claudia Roth z.B. muss „unbedingt mal ran“ an den Bibelspruch am „Stadtschloss“. Die (gefühlt eine Handvoll) Pastoren, die glauben, was sie anhand der Bibel predigen, müssen um ihr Leben fürchten, weil die sexuell entfesselte bunte Gesellschaft mit Vergeltung droht und vor Vandalismus nicht zurückschreckt, wenn sie daran erinnert wird, dass ihr Treiben (nach der Bibel = „Hurerei“) abgrundtief sündig ist. Christen den Mund zu verbieten, ist ganz groß en vogue.

Marcel Seiler / 04.05.2022

Die Redeverbote und Postulate der Politischen Korrektheit beeinträchtigen die seelische Gesundheit. Da hat Jordan Peterson völlig recht.

Helmut Hilf / 04.05.2022

Wunderschöner Text , Aussagen,  die sich mit vielen meiner Erfahrungen (auch berufliche) decken . Danke !  Resonanz :(“lasst uns Menschen machen ..)ein Wesen, das mir gleich sei . ” “Im Anfang war das Wort , und das Wort war bei Gott , und Gott war das Wort…” (Johannes).  -  Was sonst macht Sinn ?

Hans-Peter Dollhopf / 04.05.2022

Joerg Machan, ne! Sowohl der Jesus, als auch der Paulus waren streng mosaisch unterrichtete Juden gewesen. Die beiden haben das Christentum aus dem Judentum heraus - auf seiner ideologischen Basis - konstruiert. Dass es diese von Ihnen erwähnten “geistigen Qualen” im Judentum aber nicht geben soll, das wird doch schon mit der Lektüre “Hiob” widerlegt! Dass Jesus zunächst als Sohn Gottes konstruiert wurde, ist der jüdischen Strafbarkeit der Gotteslästerung geschuldet gewesen, denn wäre Jesus als Gott höchstselbst aufgetreten, hätte er überhaupt keine Chance gehabt, seiner frühzeitigen Steinigung zu entgehen! “Leider” hatte das Christentum es dann später, als die Juden in ihm keinen Ton mehr angaben, nicht mehr geschafft, die Dreifaltigkeits-Notlösung wieder in den Griff zu bekommen. Und somit ist das Christentum seither für Juden heidnische Vielgötterei-Religion, während es im Ursprung durchaus alles besaß, die jüdische Saga fortzuschreiben zu dürfen. Juden sind da nämlich kein bisschen zimperlich darin, fortzuschreiben. Die schaffen es im extremistischen Fall, einen Goldenen Marx mitsamt einem Histomat zu denken und gründen sich bei bietender Gelegenheit den Staat Zions sogar sozialistisch. Trotzdem wollte Einstein nicht Präsident werden. Den gojimischen Jesusianern, katholisch wie mutiert, würden sich ungeahnte Ressourcen öffnen, könnten sie sich ideologisch auf Mose zurückbesinnen.

Hans-Peter Dollhopf / 04.05.2022

Ja ne, Jordan, ich habe das schon kapiert. RT oder Röper sind nun mal gewillt, also “frei” darin, als Medien die geistige Krankheit spiritistisch zu uns zu transportieren. Deren “Rede” kommt aus authentischem Munde. Wer dürfte Putin aber nun therapieren? Ein wie im Amok mordender Kranker muss Gehör finden? Ja, lasst ihn jenseits seiner Killing Fields ruhig ausreden über seine Lautsprecher. Vielleicht überzeugt er den Therapeuten ja sogar, dann machen die zwei sogar gemeinsam weiter -  so viel “Fairness”! Auch Adolf und Josef hatten solcheschon “verdient”! Wie heutzutage der Klaus hier. Doch wir werden es sein, die dazu da sind, danach wieder hinterherzuräumen, egal wer gewinnen wird, entweder die “Wir” oder wir!

Hjalmar Kreutzer / 04.05.2022

Wird Jordan Peterson unter den sich für intellektuell Haltenden evtl. überschätzt? Außer Platitüden habe ich auf dieser Seite noch nichts Wesentliches von ihm gelesen.

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