Thilo Schneider / 03.03.2018 / 06:25 / Foto: Pixabay / 36 / Seite ausdrucken

Wo gehts denn hier zum Mainstream?

Neulich saß ich mit Klaus und Bernd beim Feierabendbier, als sich Bernd so ein wenig darüber mokierte, dass jetzt nächstens im Haus neben seinem Doppelhaus, von dem er die Hälfte bewohnt (sonst wäre es ja keine Doppelhaushälfte), Syrer einziehen werden. Er fand das nicht so gut, weil man ja nicht wisse, was das für Leute seien. Da hatte er auch recht. Man weiß nie, welche Leute so neben einem einziehen und was die so im Schilde führen.

Als ich meinte, er solle doch erst einmal abwarten, vielleicht seien die ganz nett, meinte er, ich könne mir meine „Mainstream-Meinung“ sparen. Er fügte dann noch sicherheitshalber hinzu, dass er nichts gegen Ausländer hätte und seine besten Freunde Ausländer seien, aber diese Ausländer kämen nicht von hier, und damit zitierte er unfreiwillig Methusalix aus „Asterix – das Geschenk Cäsars“.

Mir persönlich war gar nicht bewusst, dass ich mit der Idee, zuerst einmal zu warten, wer da kommt, „mainstreamig“ bin. Ich hielt das für selbstverständlich. Ich dachte nur, dass ich ja immer noch Panik schieben kann, wenn hier den ganzen Tag orientalische Musik läuft und sich permanent Dreier-BMW Wettfahrten in der verkehrsberuhigten Zone liefern. Dann kann ich ja immer noch nix „gegen Ausländer und sogar beste Ausländer als Freunde und umgekehrt“ haben und mich trotzdem beschweren.

Wenn wir aber vom Mainstream reden – wo sollte ich mich dann beschweren, ohne dass es Mainstream ist? Beschwere ich mich bei der örtlichen AfD-Zentrale, dann fände ich das persönlich ziemlich mainstreamig, tapferer wäre meine Beschwerde beim Kreisverbandstreffen der Grünen. Da könnte ich mir dann etwas anhören, und mein „bester Freund, der Ausländer“ käme da gar nicht zum Tragen…

Wo der Applaus zwar laut, aber billig ist

Das ist sehr schwierig mit dem Mainstream, weil man gar nicht so genau weiß, wo der gerade läuft. Wir Menschen sind vom Grunde soziale Wesen und tun und machen gerne, was die anderen auch tun, um nicht unangenehm aufzufallen. Wer nicht gerade Helmut Schmidt heißt, raucht heute nicht mehr in öffentlichen Gebäuden. Nein, auch keine Menthol-Zigaretten. Trotzdem wäre es ziemlich dämlich, sich bei einem Zigarrenabend über den Rauch zu beschweren. Das wäre dann gegen den Mainstream – zumindest dieser Veranstaltung.

Ich schätze, ich würde es so zusammenfassen, dass der „Mainstream“ immer da ist, wo ich die Mehrheit der Meinungen gegen mich habe. Pegida oder die AfD zu verteidigen, ist ziemlich simpel bei einer Pegida-Veranstaltung, ziemlich knifflig beim SPIEGEL und völlig unmöglich bei Indymedia – und da außerdem lebensgefährlich.

Deswegen hege ich persönlich auch eine tiefe Verachtung gegenüber sogenannten Kabarettisten, die „kritisches Kabarett“ nur vor einer ihnen geneigten Zuhörerschaft aufführen, um sich nur keiner Kritik stellen zu müssen. Da ist der Applaus zwar laut, aber billig und der Mut klein, wird aber gut bezahlt. Frei nach dem Motto „ich sag euch genau, warum eure Meinung die richtige ist“. Ganz toll und ziemlich albern. Da kommt dann selbst der fadeste Merkel-Witz supergut an, wenn nur die Frisur lustig genug gekämmt ist, und ein vorgespiegelter Sprachfehler ist auch nicht von Nachteil. Witzigwitzig. 

Nein, in der dunklen und engen eigenen Filterblase mit allen einer Meinung zu sein, ist zwar komfortabel, bringt aber außer dem eigenen Wohlgefühl ziemlich exakt gar nichts. Wer kritisieren will, der muss dahin gehen, wo die zu Kritisierenden sind, nicht dahin, wo die anderen Kritiker hocken. Nur scheint das vielen Leuten nicht ganz klar zu sein.

Immerhin aber lässt sich bei politischen Diskussionen die rechte Seite dazu herab, ausführlich Stellung zu nehmen und ihre Position zu erklären oder wenigstens zu erläutern (die sogenannte „Wall of Words“, wortreiche Texttsunamis, die genau darlegen, warum man, trotz allerbester türkischer Freunde, Türken per se irgendwie blöd findet), während es von Links lediglich Beschimpfungen, Vorwürfe und im schlimmsten Fall zum guilottinemäßigen Kommunikationsabbruch kommt. So gesehen ist die rechte Seite kritik-, weil vermutlich auch leidensfähiger als die Backbordseite des politischen Spektrums.

Dieses unsägliche Herumgeopfere

Allerdings gilt es mittlerweile als schick, den Eindringling in die Lufthoheit am entsprechenden Meinungsstammtisch als „Troll“ abzubügeln, ein ebenfalls probates Mittel, um überhaupt erst nicht in die Diskussion einsteigen zu müssen.

Was mich aber wirklich nervt – und was ich zutiefst als argumentative Hilflosigkeit ablehne –, ist dieses unsägliche Herumgeopfere. Dieses „man wird ja wohl noch sagen dürfen“, gerne versehen mit dem Schnörkel „die Zeiten, in denen man nicht alles sagen durfte, sind vorbei“. In der verschärften Variante setzt sich der Antagonist dann gerne auch mal mit den Verfolgten des Dritten Reiches in ein Boot und rudert in die virtuelle Gaskammer, denn sowohl „der Schoß ist fruchtbar noch“, als auch wird da tapfer „den Anfängen gewehrt“, und der sprechende Lauch fühlt sich „an dunkle Zeiten erinnert“, „aber heute mit umgekehrten Vorzeichen“, nur, weil er Widerspruch bekommen hat. Jeder darf heute alles sagen – er muss nur anderen das Recht zugestehen, dies auch zu tun. Kann sein, dass sie deine Meinung doof finden. Dürfen die. Das ist erlaubt.

Nein, es gibt keine „safe spaces“. Soll und darf es nicht geben. Denn da, wo der „space“ „safe“ ist – da sind immer auch der Mainstream und die Mono-, bestenfalls Polythematik. Wir reden lediglich über die Breite und Schnelle des Stroms. Und wer keine Lust auf Auseinandersetzung hat, der muss eben die Plätze meiden, auf denen sich mit ihm und seinen Argumenten auseinandergesetzt wird. Sicher, zusammen- statt auseinandersetzen ist einfacher, bequemer, gemütlicher. Nur wachsen – wachsen und sein Profil schärfen kann nur der, der redet. Mit denen, die nicht seiner Meinung sind. Das müssen beide Seiten aushalten. Das nennt sich übrigens „demokratischer Diskurs“. Und wer sich diesem verweigert, der hat ihn auch nicht verdient. Der bekommt den Fisch.

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Andreas Geisenheiner / 03.03.2018

Recht hat er, der Autor. Dass ich das von ihm Geforderte praktiziere, sieht man in an folgender Reihe steigenden Risikopotenzials: - Achgut anklicken - personifizierte Leserbriefe dort hinterlassen - JF abbonnieren - Personifizierte Leserbriefe in der Regionalpresse hinterlassen - AfD wählen - zu AfD-Veranstaltungen gehen - AfD- Mitglied werden - AfD-Funktionär werden - Veranstaltungen der Grünen besuchen - auf Veranstaltungen der Grünen sprechen - auf AfD-Infoständen in Heidelberg dabei sein - AfD-Veranstaltungen leiten - heute zur Demo nach Kandel fahren Nix mehr mit Filterblase!

Karl Weber / 03.03.2018

Ich unterstütze die “Achse” schon lange und es hat bis heute gedauert, daß ich den 1. Kommentar schreibe (regt mich zu sehr auf). Werter H. Schneider, Die Sache mit dem “Mainstream” ist gar nicht schwierig. Ihr Artikel i s t Mainstream (=Verharmlosung der Probleme der unkontrollierten Zuwanderung). Der Text von Ihnen ist ein “einziges Herumgeeiere”!! Sie reduzieren die Probleme darauf, ob die “Zugewanderten” (.....das Wandern ist des Moslems Lust) “nett” sind oder nicht. Nehmen wir mal an, daß über 80% der Erdbevölkerung “nett” sind, dann dürfen die wohl alle kommen. Die echten Probleme, wie sie tagtäglich in Erscheinung treten (ich führe sie hier nicht einzeln auf, da sie hinreichend bekannt sind) werden von Ihnen ausgeblendet bzw. relativiert. Hinzu kommt, daß ich nicht gewillt bin ein “historisch einmaliges (Menschen u. Gesellschafts-) Experiment (Yascha Mounk) als Versuchskaninchen auch noch zu bezahlen. Dies ist nicht der 1. Artikel von Ihnen, der in diese Richtung geht. Verharmlosung und Verschleierung ist keine Meinungsvielfalt. Es fällt mir zunehmend schwer, die Achse zu unterstützen. Traurig aber wahr.

W.Schneider / 03.03.2018

Gratuliere zur der erneuten Auswahl des Bildes zum Artikel! Die Kombination Bild und Artikel ist stets super und voll hintergründigem Humor.

Sabine Schönfelder / 03.03.2018

Bei ihrem ‘unsäglichen Herumgeopfere’ müssen sie sich fragen lassen, was war denn zuerst da,-  das Ei oder die Henne. Die Politik und Medienlandschaft bildet sich ihre ‘political correctness’ mit ihren fatalen gesellschaftlichen Auswirkungen, wie zum Beispiel bei SWR2, wo es Vordrucke zum AFD- Denunzieren gab. Da fragt sich der Einzelne schon, ob er das wohl noch mal sagen darf. Ich persönliche finde die Frage auch blöde. Man muß es sagen, nur so bleibt eine Gesellschaft demokratisch. Das Gesagte darf aber auch keiner gesellschaftlichen Zensur unterliegen und der Andersdenkenden sollte mit Interesse und Gesprächsbereitschaft kontern.

Martin Landvoigt / 03.03.2018

Im Prinzip richtig. Aber der Text geht von fragwürdigen Voraussetzungen aus. Zwar existieren tatsächlich bestimmte unvorteilhafte Verhaltensstereotype, die wenig an einen Diskurs erinnern und sich in jedweden politischen Lager herausbilden. Daraus aber zu schließen, dass eine mehr oder mindere Gleichverteilung der Kräfte existiert, die eine Gleichverteilung der Opfer impliziert, ist nicht nachvollziehbar. Denn es gibt tatsächlich in den Medien einen Mainstream, der die Deutungshoheit massiv beansprucht. Linke und Grüne sind genau da angekommen. AfD sind da die Schmuddelkinder, auf denen in der Breite beliebig herumgehackt werden kann. Und auch dass man auch Rechten sicher diverse Kritik anheim stellen kann annulliert keineswegs das Argument der Ausgrenzung und Dämonisierung. Hier eine Äquidistanz vorzutäuschen ist de facto eine Rechtfertigung des Mainstreams, weiterzumachen in Ausgrenzung und Diskursverweigerung, denn die anderen sind ja mindestens ebenso schuldig.

Stefan Leikert / 03.03.2018

Wie nett! Wem sagen Sie das! (kein Fragezeichen!)

Klaus Renft / 03.03.2018

Das erscheint mir alles ein wenig weit hergeholt und arg aufgeblasen. Pegida und AfD sollen im bestimmten Kontext plötzlich Mainstream sein? Mit Verlaub, es ist doch Unsinn. Die Definition von Mainstream ist überhaupt nicht diskutabel: Es geht um den politischen bzw. kulturellen Geschmack der meisten Menschen in einer Gesellschaft. Die Mehrheit in diesem Land ist zwar sehr verunsichert, bleibt aber stur bei ihrer linken Gesinnung. Und was die syrischen Nachbarn betrifft, so hat Bernd doch völlig recht. Ihre Meinung entspricht exakt dem Mainstream. Man solle doch offen sein gegenüber der anderen Kultur. Am Ende wäre man noch positiv überrascht und womöglich kulturell bereichert.  Die Leute haben aber schon ein unglaubliches Maß an Offenheit gezeigt. Die Bereicherung rückt uns allen dermaßen auf den Leib, dass jede allergische Reaktion vollkommen nachvollziehbar ist. Verstehen Sie das wirklich nicht, oder muss man als Liberaler immer auf Distanz zur Realität bleiben?

Hans-Peter Dollhopf / 03.03.2018

Herr Schneider, beim Gewusel während Arbeit oder Freizeit in den Städten oder im Internet und überhaupt im Leben denken die Menschen entweder gar nicht oder zumeist bequem. Ab einer Anzahl von zwei Menschen, ob bereits vorher in Beziehung zueinander oder einander fremd, entsteht wie aus dem vermeintlichen “Nichts” heraus für sie eine Welt mit Potenzial zu sowohl Anspruch wie auch Unüberschaubarkeit. Eine Möglichkeit zur Reduzierung dieser Komplexität ist, sich einfach nur zu verhalten, anstatt willentlich zu handeln. Beim Verhalten lassen die Menschen sich regeln, beim Handeln versuchen sie zu steuern. Wenn sich in ihrem Dasein Diskrepanzen auftun, deren Ursachen für sie zumeist im “Nichts” liegen und das Sichverhalten zur Linderung von damit auftretendem Unwohlsein nicht mehr ausreicht, sondern dieses auch noch schmerzhaft ins Bewusstsein dringt, dann schaltet sich irgendwann automatisch die normalerweise ungenutzt verrottende Denkmaschine zu. Leider ist diese aber nur zur Bearbeitung von Situationen mit linearem Charakter optimiert und nicht sehr vertrauenswürdig in dynamischen Zusammenhängen. Das Fazit ist, belegt durch Beispiele aus der Geschichte, dass ab einem bestimmten Level an Verkorkstheit die ganze Veranstaltung zur Hölle fährt. Oder es ist da ein Reset-Knopf, den sie irgendwann benutzen. Was am Ende dabei herauskommt, das liegt nicht in ihrer Hand. Auch das belegen Beispiele insbesondere aus der zeitgenössischen Geschichte.

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