Henryk M. Broder / 09.04.2016 / 20:50 / 7 / Seite ausdrucken

Unter der Gürtellinie des ZDF lauert das Verletzungsrisiko

Die Kanzlerin führt uns mit ruhig fester Hand in eine neue DDR, und was passiert? Es wird darüber geschrieben. Das macht den Unterschied zur alten DDR aus. Immerhin. Aber es gibt keinen Shitstorm, keinen Hashtag #notinmyname, keine Protestresolution der Unterschriftsteller, die sich sonst über alles aufregen. Auch Joko und Klaas schweigen.

Wir lesen, ein Satiriker habe "ein Schmähgedicht" verfasst, das "unter die Gürtellinie" zielte, er sei "über das Ziel hinausgeschossen", habe sich "vergaloppiert", dabei "die Grenzen der Satire" überschritten, "Gefühle verletzt" und – nicht zu fassen! – ein ausländisches Staatsoberhaupt beleidigt. Einen Despoten, der seine eigene Bevölkerung drangsaliert, Journalisten wegsperren lässt und seinen Gegnern und Kritikern mit Entzug der türkischen Staatsbürgerschaft droht.

Dabei ist jeder seiner Auftritte eine Beleidigung für alle Sinne. Und ausgerechnet diesen Mann darf man nicht beleidigen, nur weil er grade an der Südostflanke der EU die Drecksarbeit für uns erledigt? Mehr

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Andreas Rochow / 12.04.2016

Wer in unseren Staatssendern bestimmt, welche Person zum Abschuss oder für Obszöne oder beleidigende Schmähkritik freigegeben ist? Wie kommt man auf die Abschussliste? Und wie vermeidet man es? Ware es normal,  wenn als nächstes bspw. Vladimir Putin, Beatrix von Storch, David Cameron oder Jachim Gauck “dran” wären? - Ich hoffe nein. Ich wehre mich gegen die Vorstellung, dass unsägliche Schmähkritik à la Böhmermann durch den Kunstbegriff, etwa als Meinung oder Satire geschützt sein soll. Dass Böhmermann sich dabei bequem der Multiplikation durch das staatliche Gebührenfernsehen bedienen konnte, macht seine Attacke automatisch zur Staatsaffäre.

Reinhard Hopp / 11.04.2016

Böhmermann begründet eine neue Textgattung, die Ziegenfickerlyrik, eine Ansammlung aller Beleidigungen, die man sich auf die Schnelle gegen Türken ausdenken kann. Er begründet auch ein neues Rechtsverständnis, nämlich die Maxime, dass Verbotenes erlaubt sei, sobald der Täter darauf hinweise, dass es verboten ist. Die ganze Sache hat mit Erdogan nichts zu tun, ausschließlich mit der Frage, ob wir weiter in Richtung einer Beschimpfungsgesellschaft gehen oder ob wir die bestehenden Gesetze anwenden wollen.

Lore Lienemann / 11.04.2016

Wenn auch die Meinungen über den Umgang mit Böhmermanns Gedicht auseinanderdriften,so besteht doch weitgehend Einigkeit darüber,daß die Einmischung Erdogans in “innere Angelegenheiten ” (Pressefreiheit) unerträglich ist. Ich bin der Meinung,daß eine Demonstration aller Journalisten überfällig ist.Dazu müßten sie nicht unbedingt auf die Straße gehen,es würde genügen,wenn alle Medien gleichzeitig das unsägliche Gedicht von Böhmermann kommentarlos veröffentlichen würden. (Nebeneffekt:Erdgans Anwaltkosten steigen ins unermäßliche,Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Juristen)

Bernhard Richter / 11.04.2016

Vielleicht warten ja auch Alle mit Ihren Einlassungen bis unsere oberste Staatenlenkerin, die ja in der Vergangenheit bei Herrn Sarrazin als “Oberste Literaturkritikerin” bereits aufgetreten ist, zu diesem Sachverhalt beizutragen hat. Ich bin jedenfalls gespannt wie diese Nummer ausgeht. Mein Kultur- und Literaturverständnis ist als Techniker und Mitglied der Kulturnation Deutschland nur rudimentär ausgeprägt. Ob Satire einen besonderen Schutz genießt was die Meinungsfreiheit betrifft vermag ich auch nicht zu beurteilen. Aber vielleicht wird hinter den Kulissen bereits an einer “Europäischen Lösung” gearbeitet.

Karla Kuhn / 10.04.2016

“Dabei ist jeder seiner Auftritte eine Beleidigung für alle Sinne. Und ausgerechnet diesen Mann darf man nicht beleidigen, nur weil er grade an der Südostflanke der EU die Drecksarbeit für uns erledigt?” Hallo Herr Broder, Ihnen gelingen wirklich fast alle Artikel aber dieser Satz ist G R A N D I O S , er sagt alles. Das ganze Theater um die Satire ist eine unsägliche Farce. Wir haben Sorgen in Deutschland bis zur Halskrause,  ich habe den Eindruck, daß mit dem immer wieder hochkauen von bestimmten Artikeln davon abgelenkt werden soll. Wo sind wir bloß hingeraten?

Thomas Blinse / 09.04.2016

Ich glaube, die meisten Bürger haben noch gar nicht realisiert, was diese “Anklage” des Moderators Böhmermann bedeutet. Sie, Herr Broder, haben es gut auf den Punkt gebracht. Danke. Helfen wird’s nicht. Leider. Schön: “Auch Joko und Klaas schweigen.” Ja, halten alle brav die Klappe. Wer würde schon seinen schönen TV-Job gefährden für einen (zugegebenermaßen geschmacklosen) Kollegen. Wenn Nuhr auch nichts dazu sagt, melde ich das Fernsehgerät ab. Das geht doch, oder?

Hans Meier / 09.04.2016

Das Destruktivste was uns passieren konnte ist eingetreten und hat Namen von nicht mehr tolerierbaren Personen. Solchen die eine Hybris absolutistischen Herrschaftswahns hinter der Maske gestylter Narzissten pflegen, die in Wirklichkeit aggressive Demokratiemörder sind und glauben, sie würden nicht durchschaut und nicht beseitigt. Stabile Autorität beruht auf Anerkennung und nicht aus Angst vor Bedrohungen.

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