Henryk M. Broder / 08.06.2017 / 14:25 / 13 / Seite ausdrucken

Und täglich geht ein Messer auf

Gestern abend in den "tagesthemen". Nach Trump und Comey, Teheran und IS, Katar und Saudi-Arabien, Bundesverfassungsgericht und Brennelementesteuer, Andrea Nahles und Martin Schulz, Holger Ohmstedt und der Rentenfrage,  Bundeswehr, Incirlik und amnesty international in der Türkei kommt nach genau 24 Minuten und 30 Sekunden eine Meldung aus dem Hinterland des Weltgeschehens: In einem Therapiezentrum für Flüchtlinge in Saarbrücken ist ein Berater getötet worden. Tatverdächtig ist ein 27jähriger Syrer, der nach kurzer Flucht in der Nähe festgenommen wurde. Er soll den 30ljährigen Psychologen nach einem Streit mit einem Messer niedergestochen haben und ist auch selbst verletzt. Bei der betroffenen Einrichtung handelt es sich um ein Zentrum des Deutschen Roten Kreuzes.

Das wars, volle 25 Sekunden. Dann schaute Ingo Zamperoni einen Moment betroffen in die Kamera und machte mit der documenta in Kassel weiter. Psychologen leben eben gefährlich, und wenn mal einer im Rahmen seiner beuflichen Tätigkeit ums Leben kommt, dann ist vor allem die Einrichtung betroffen, bei der er gearbeitet hat. Beinah wortgleich ist die Meldung auch in der "tagesschau" gelaufen. Die Printmedien berichteten ausführlicher, aber auch mit der gebotenen Zurückhaltung. Man gewöhnt sich an allem, sagt man in Köln, und das gilt auch für die Messerattacken, die immer öfter vorkommen. Einen Tag vor Saarbrücken hatte in Arnschwang bei Cham ein 41jähriger Afghane einen 5jährigen Jungen erstochen, weil dieser zu viel Lärm machte. 

Wir erleben derzeit das Aufblühen einer neuen Messerkultur. Das Messer ist die Waffe derjenigen, die sich keine Glock und keine Uzi leisten können. Aber auch sehr effektiv und vor allem ökologisch unbedenklich. Es gibt keine Querschläger und kein Streufeuer, unschuldige Pflanzen und Tiere bleiben verschont. Wir haben uns in einer sehr kurzen Zeit an die Messeratacken gewöhnt, so wie an die täglichen Staus am Kamener Kreuz. Denn nicht jeder, der ein Messer einsetzt, ist ein Terrorist. „Terror ist überhaupt nicht im Spiel“, sagte ein Sprecher der Polizei nach dem Vorfall in Saarbrücken. Entwarnung! Wir bleiben bunt, tolerant und weltoffen!

Und was sagt der ausgewertete Polizeibericht? Es gab über 1.600 Messersttacken in den ersten fünf Monaten des Jahres 2017. Das sind 300 jeden Monat oder zehn jeden Tag. Und jetzt warten wir ab, bis einer kommt und ausrechnet, dass die Wahrscheinlichkeit, bei einer Messerattacke tödlich verletzt zu werden, viel geringer ist als die, bei einem Verkehrsunfall ums Leben zu kommen. 

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S.Schleitzer / 08.06.2017

Genau das ist der Grund, warum die Leute nicht mal merken, dass der Terror - oder doch schon der Krieg - da ist. Ein Messerangriff wird einfach als “Ausraster” abgetan. Als “Überreaktion”. Als x-ter “Einzelfall”. Ob 1.600 Messerattacken vielleicht doch schon ein Krieg sind - hat doch der Daesh nicht oft genug genau hierzu aufgerufen - den meisten egal. Schließlich trifft es ja immer nur einen, einen anderen - so dauert es einfach bis man selbst an der Reihe ist. Tja, was aber, wenn das Messer nur die “Übergangswaffe” ist bis dann alle die “empfohlene Waffe” Auto besitzen? Fragen!

Marina Blach / 08.06.2017

Es ist schon unglaublich, wie unsere “etablierten Gutmenschen” die Dinge relativieren und geschickt auseinander definieren. Es war kein terroristischer Anschlag, muss es auch nicht! Denn wie man es dreht und wendet, das eine und das andere kommen irgendwie geografisch gesehen aus einer Richtung? Die Frage ist doch, wollen wir uns das antun? Die Farce “Weltbürger” bedingt kompatible Werte und zivilisatorische Errungenschaften. Ansonsten, die nächste Diskussion fechten wir mit dem Messer aus? Die Verlierer werden “die Dummen” sein, damit auch unserere zivilisatorischen Errungenschaften!!!

Tomas Reiffer / 08.06.2017

Wenn bei jedem dieser Messerangriffe im Schnitt Kosten in Höhe von 10.000 Euro für Ermittlung, Behandlung und Arbeitsausfall entstehen (denke die Zahl ist im Bereich des Realistischen), dann käme da ein nettes Sümmchen von 30 Mio+ Euro an Kosten zustande. Und wer ist dafür verantwortlich? Ich meine der Vorbildgeber, also die kulturell-religiöse Bezugsgröße, die von Eltern und Umfeld vermittelt werden. In Messerfall also die Moscheegemeinde und deren heilige islamische Buchtrilogie. Bei 6(?) Mio Moslems im Land müsste man also jedem eine Rechnung von 5 Euro ausstellen, die sie zu begleichen haben. Selbiges mit Terroranschlägen und generell eigentlich mit aller Arten von Kriminalität. Ja, ich wäre sogar dafür, generell die Kriminalitätsstatistik nicht nur nach der Religion (oder keiner) aufzuteilen, sondern auch die Kosten für kriminelles Verhalten nach Religion staffeln. Wer zu einer besonders kriminell-teuren Religion gehört, der muss dann eben zahlen, oder seine Theologie so lange anpassen, bis sie finanzierbar wird (von Konversion will ich besser mal nicht sprechen - zu gefährlich). Juden dürfen ihre Rechnung zahlen (Stichwort Finanzkrise), Katholiken dürfen es (Stichwort Pädophilie), Evangelen (für alles andere) und selbiges gilt für Buddisten, Sunniten, Schiiten, Hare Krischna, Spaghettimonster und Atheisten. Wobei ich vermute, dass letztere bald schon aussterben würden zugunsten der friedlichsten bzw. günstigsten aller Religionen. Es wäre für uns alle eine Wohltat.

H. Schinkel / 08.06.2017

Genau das ist das Probleme. “Große” Anschläge schaffen es aufgrund ihrer unvermeidbaren Berichterstattung gezwungenermaßen in die Nachrichten. Speziell und bevorzugt die aus dem Ausland. Da erscheint der Terror doch weit weg. Anders die vielen kleinen Attentate die überall passieren. Die werden, wenn überhaupt, nur am Rande erwähnt. Wenn es nicht gerade “regional” beschränkt ist.  Jeden Tag werden Frauen in Deutschland vergewaltigt, bedroht oder verletzt. Jeden Tag werden Männer verprügelt, erschlagen, erstochen oder vergewaltigt. Die Medien verschweigen das größtenteils. Sind ja nur Verbrechen an Deutschen. Warum wehren sich die Deutschen nicht gegen diese Manipulation und gegen die Invasoren? Scheinbar sind die Deutschen doch ein sehr gleichgültiges Volk.

Wilhelm Entenmann / 08.06.2017

Wie hieß noch mal der tote Junge am Strand von Bodrum, dessen Bild durch alle Medien ging und die Herzen der Deutschen öffnete, oder wie war der Name des Jungen, der staubbedeckt und blutverschmiert im Aleppo Media Center saß? Kinder von Asylbewerbern oder Opfer des Bürgerkriegs in Syrien bekommen von unseren Medien Gesicht und Namen, Opfer der offenen Grenzen, aber auch der Anschläge des Islam-Staats bleiben anonym. Das ist wie mit der WDR/ARTE-Doku “Auserwählt und ausgegrenzt – Der Hass auf Juden in Europa”, bloß nicht die Leute aufwecken und -schrecken, die Doku “Zensierte Stimmen” indes zeigte ARTE. (Lösungen: Junge 1 = Aylan, Junge 2 = Omran)

Thorben-Friedrich Dohms / 08.06.2017

Ja werter Herr Broder, die Zahl der Verkehrstoten ist bei uns das Maß der Dinge. Das ist doch gut und richtig, denn es trägt ungemein zur Beruhigung bei und hilft auch mir meine subjektiven Ängste zu überwinden. Wir müssen nur alle wachsam sein, dass kein böser Mensch diesen Vergleich benutzt um unsere Ängste vor der AfD, den Rechtsterroristen oder gar vor Sachsen zu relativieren. Das wäre nun wirklich etwas ganz anderes! In diesem Sinne, bleiben Sie wachsam TFD

Franck Royale / 08.06.2017

Wenn man im Achgut-Archiv stöbert, findet man am 16.07.2009 einen kurzen Verweis auf den Artikel von Thomas von der Osten-Sacken in der linken Jungle-World: “Ein Messer gegen den Islam”. Es ging dabei um den Mord an der Ägypterin Marwa al-Sherbini in einem Dresdner Gerichtssaal, und der Autor stellt am Ende leicht befremdlich fest: “... zwischen Berlin und Teheran ist man sich einig – das Messer, das sie tödlich traf, galt dem Islam, nicht ihrer Person.” Nun, abgesehen davon, daß man Islam bzw. Kopftuch-Kritik in linken Gazetten heute mit der Lupe suchen muss, könnte man heute analog dazu sagen: Das Messer traf nicht den Psychologen, sondern den Westen, unsere Demokratie - also war es ein politischer Mord, so wie viele andere Gewalttaten. Was meinen Sie, Herr Zamperoni?

M. Haumann / 08.06.2017

Es gibt ja derzeit auch in anderen Ländern einzelne der hier zugegeben gehäufter auftretenden spontanen Messerattacken, zuletzt von drei “Mädchen” auf eine Kindergärtnerin in England. Die zügigen früheren Versicherungen, das habe nichts mit dem Islam zu tun, sind jetzt durch ein flottes “es hat nichts mit Terror zu tun” ersetzt worden. (In Grossbritannien erntet man dafür zumindest noch ein Hohnlachen.) Der IS hat natürlich in seinem schicken Monatsmagazin genau solche einzelnen Hilfswilligen zu diesem Gelegenheits-Messern von Ungläubigen im Ramadan aufgerufen. Aber so lange er bei der Vielzahl der Teilnehmenden mit dem Schreiben von Bekennerbriefen gar nicht nachkommt, können wir ja beruhigt weiterschlafen, weil es Gott sei Dank kein Terror war.

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