Henryk M. Broder / 25.06.2012 / 06:20 / 0 / Seite ausdrucken

Tramal total

Wie wird man ARD-Korrespondent in Tel Aviv? Muss man Arabisch oder Hebräisch können? Die Geschichte des Nahen Ostens studiert haben? Wissen, woraus Hummus gemacht wird? Nein, es genügt schon, keine Ahnung von nichts aber eine Meinung zu allem zu haben. Ein schönes Beispiel dieser Spezies ist Sebastian Engelbrecht vom BR. Gerade hat er für die Tagesschau eine Reportage über “Tramal - die Volksdroge Nummer eins im Gazastreifen” geliefert, in der er die Wirkung dieser Droge so beschreibt: “Tramal ist eigentlich ein Mittel zur Betäubung von Schmerzen nach Operationen. Es beruhigt und lässt alles vergessen: die alltäglichen Luftangriffe der israelischen Luftwaffe, die abgeriegelten Grenzen und die Willkür der islamistischen Herrscher. Bei Männern verzögert Tramal die Ejakulation - und wird gerne zusammen mit Viagra eingenommen.”

Bei Engelbrecht freilich führt schon die Beschäftigung mit Tramal zum vorzeitigen Samenerguss. Er muss sich von seinen Hörern belehren lassen, was Tramal ist und wie es funktioniert.

Ende Dezember letzten Jahres hat Engelbrecht einen Kommentar für die Tagesschau geschrieben, in dem er das Verhalten Israels gegenüber seinen Nachbarn geißelt: “Israel überwintert im arabischen Frühling”. Darin schreibt er u.a.: “Die israelische Regierung hat sich entschieden, in der Schockstarre zu verharren - trotz der Umwälzungen von Libyen über Ägypten bis nach Syrien. Aus der Regierungszentrale in Jerusalem kamen nicht die geringsten Versuche, den aufbegehrenden Völkern und Bewegungen auch nur im Ansatz Respekt oder gar Wertschätzung entgegenzubringen… Der israelische Regierungschef betreibt eine Politik der konsequenten Selbstisolation, der Abgrenzung gegen alles, was nicht der amerikanische Kongress ist. Der Ministerpräsident wirkt wie ein Zinnsoldat, wie eine steife Figur, fest geschraubt auf den Boden der eigenen Ideologie. Sicher ist eins: Wer sich so halsstarrig der Dynamik seiner Umwelt entgegenstellt, wird fallen…”

Es lohnt sich, diesen Kommentar aus dem Abstand von nur einem halben Jahr noch einmal zu lesen. Inzwischen wurde in Ägypten ein Moslembruder zum Präsidenten gewählt und vom “arabischen Frühling” sind nur noch die Kommentare übrig geblieben, die im Überschwang der Gefühle geschrieben wurden. Ja, hätten die unbeweglichen Israelis den aufbegehrenden Völkern nur etwas Respekt oder gar Wertschätzung entgegen gebracht, wäre die Geschichte anders gelaufen. Sie müssten einfach auf Engelbrecht hören, der über exklusive Informationen verfügt, die er nicht für sich behält: “Die Hamas zivilisiert sich, die Palästinenser sind im Begriff, sich zu versöhnen. Sie wollen Anfang Mai in Gaza und im Westjordanland einen neuen Präsidenten und ein neues Parlament wählen, sie streben weiterhin die Vollmitgliedschaft in den Vereinten Nationen an. Von der israelischen Regierung kommt zu alledem nur ein lautes, deutliches ‘Nein’”. - Inzwischen ist der Juni fast vorbei, weder haben sich die Palästinenser, wie von Engelbrecht vorhergesagt, versöhnt noch haben in Gaza und im Westjordanland Wahlen stattgefunden. Aber daran sind ganz bestimmt die Israelis schuld.

Und während die Jugendlichen in Gaza weiter Tramal nehmen, um die alltäglichen Ängste auszuhalten und ihre Sexualität intensiver auszuleben, sitzt Engelbrecht in seinem Tel Aviver ARD-Studio, wühlt in den Gedärmen eines toten Huhns und bereitet seinen nächsten Kommentar zur Lage in Nahen Osten vor: Warum Israel auf den Iran zugehen und den Mullahs die Hand zur Aussöhnung reichen sollte.

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