Man ist ja schon überrascht, wie emotional die Öffentlichkeit gestern Abend Abschied von Michael Jackson nahm. „Bin wohl der Einzige, der nicht MJs Beerdigung guckt – hocke im Büro“, meldete ein einsamer Facebooker. Gerade mal eine Antwort bekam er.
Warum bewegt diese Beerdigung die Menschen dermaßen? Ich erkläre es mir so: Mit Michael Jackson nimmt die westliche Kultur nicht nur von einem Superstar Abschied, sondern zugleich vom Prinzip Superstar als solchem – und damit von einem Stück ihrer selbst, das ihr eigentlich wichtig ist. Der Mythos „Superstar“ wird heute von innen heraus aufgeweicht, vor allem von den Castingshows, die ihn inflationär verwenden. Deren Problem liegt aus Sicht der meisten Menschen nicht, wie Feuilletonisten das gern hätten, in ihrem „Zynismus“ oder ihrer „Menschenverachtung“. Wenn die Shows einen Effekt haben, den die Gesellschaft wirklich bedauert, dann, dass sie den Menschen die Fähigkeit abtrainieren, vor dem Mythos Superstar Ehrfurcht zu empfinden.
Man könnte einwenden, diese Ehrfurcht sei sowieso hierarchisch, reaktionär und überholt. Und sie ist hierarchisch und reaktionär. Ich glaube aber, dass viele sich genau dieses Stück Hierarchisierung über die Kultur herbeisehnen. Es gibt ein Bedürfnis nach Superstars, gerade weil sie den einzelnen Menschen klein wirken lassen. Wir wollen nicht alle gleich sein. Wir wollen glauben, dass es irgendwo auf der Welt gottähnliche Wesen gibt, die ein so ganz anderes Leben führen als wir, und deren Sphären für uns unerreichbar sind. Michael Jackson war dieses Wesen, gerade weil er zunehmend alles Menschliche verlor. Wenn nun aber der Weg zum Star lediglich darin besteht, ein paar Tanzschritte zu lernen, wenn Gott sein also lernbar ist, dann verliert es zwangsläufig alles Göttliche. Das ist aufgeklärt, erwachsener – aber eben auch fürchterlich diesseitig.