Roger Letsch / 26.03.2018 / 15:00 / Foto: Alexei Shevelev / 7 / Seite ausdrucken

Die Desertec-Pleite

In seiner „Was-wurde-aus…“ Serie schaut SPON heute auf das Projekt Desertec, das 2009 voller Euphorie und mit großen Erwartungen gestartet war. Wüstenstrom für Europa sollte es sein, den man mittels Gleichstromleitungen über Gibraltar und Sizilien ins energiegewendete Europa schaffen wollte. Und wer da nicht alles eingestiegen war: E.On, RWE, Deutsche Bank, Siemens… ein Projekt im Volumen von 400 Mrd. Euro klingt nach einem Schlaraffenland für Investoren. Doch daraus wurde bekanntlich nichts. Warum das ganze scheiterte?

SPON bietet zwei Erklärungen an. Zum einen hätte es Streit gegeben, was mit dem produzierten Strom geschehen solle. Der Export nach Europa wäre angesichts des wachsenden Energiebedarfs in Afrika moralisch doch irgendwie untragbar. Das ist die altruistische Erklärung. Es gibt natürlich auch noch eine, in der ein böser Gegenspieler auftaucht – die Kohleverstromer! Die würden nämlich um ihre veralteten Kraftwerke bangen und deshalb den Fortschritt aufhalten. Ich halte beide Erklärungen für lächerlich und konstruiert.

Die erste deshalb, weil durch Handel immer Wohlstand entsteht, selbst wenn man nicht erst den heimischen Markt sättigt, sondern fast nur für den Export produziert. Den Strom nach Europa zu exportieren, wäre nämlich allemal lukrativer, als den heimischen Markt zu bedienen. In Maranello fahren ja auch weniger Ferrari herum als in München. Das zweite Argument ist noch bekloppter. Als wenn bei RWE oder E.On irgendwer an irgendeiner Technologie hängen würde! Dort will man nicht vordergründig Kohle verstromen, sondern Kohle verdienen. Man nimmt das Geld, das man kriegen kann, ganz gleich, welche Technologie man dafür einsetzen muss. Im überregulierten Deutschland nennt man das wirksamste Mittel der Gewinnerzielung deshalb auch nicht „Angebot & Nachfrage“, sondern Lobbyismus.

Im Bereich der Erneuerbaren muss man in Deutschland noch nicht einmal Marktpreise machen, da durch das EEG und angeschlossene Gesetze (ein „Lex Desertec“ wäre der Klimakanzlerin, den Grünen und den Trittbrettfahrern von der SPD ein Fest gewesen) die Subventionen nur so sprudeln. Man lebt nach dem Motto „Pecunia non olet“, und sobald das Geld dem Verbraucher zwangsweise aus der Tasche gezogen wurde, ist es genauso gut und schön, wie anstrengend auf funktionierenden Märkten verdientes. Man sollte endlich aufhören zu glauben, dass marktwirtschaftlich organisierte Unternehmen sich in einem hart umkämpften Markt wohler fühlen als in einem Umfeld aus Subvention und Protektionismus. Denn das haben Geld und Strom gemeinsam: Beide bevorzugen den Weg des geringsten Widerstandes.

Die wahren Gründe des Scheiterns

Zunächst zogen die Initiatoren von „Desertec“ nicht ins Kalkül, dass sich die politische Lage zwischen Marokko und Ägypten jemals ändern könnte. Man hatte sich so daran gewöhnt, dass die lokalen Diktatoren ihre wie Privatfarmen regierten Länder fest im Griff haben, dass man komplett verdrängte, von welcher Art die brodelnde Suppe war, auf der die schweren Deckel der Diktatur lagen. Der „arabische Frühling“ beendete die solaren Energieträume zuverlässiger, als das ein Sandsturm je tun könnte. Ein Funken Restverstand war bei den Projektinitiatoren wohl noch übrig, und die Idee, die europäische Energiesicherheit auf unbestimmte Zeit in die Hände islamistischer Banden vom Schlag der Muslimbrüder oder Boko Haram zu legen, wurde verworfen.

Zeitgleich mit dem Tod des Desertec-Projektes starb auch die deutsche Solarbranche immer schneller aus. Heute ist sie so tot wie Eisbär Knut. Es hatte sich nämlich gezeigt, dass die Chinesen bei der Subventionierung ihrer eigenen Solarzellen-Produktion noch großzügiger waren als die grünstrombesessenen Deutschen. Das, was man also in den Wüstensand zu klotzen beabsichtigte, wären letztlich chinesische Anlagen gewesen. Die Reihe der Unterstützer, die sich noch 2009 als Profiteure der Idee „Wüstenstrom“ sahen, lichtete sich angesichts dieser Aussichten schnell weiter. Den Todesstoß für das Projekt bilden allerdings zwei physikalische Tatsachen, an denen auch die deutsche Energiewende letztlich scheitern wird. Der Betrieb von Solarmodulen in einer Sandwüste hat eine höhere Degradation zur Folge. Es kommt zwar prinzipiell immer zu Leistungsverlusten der Zellen, weil diese gewissermaßen „altern“; die erhöhte UV-Strahlung und die staubig/sandig/salzige Umgebung von Wüsten ist allerdings Zellgift für die Module. Diese müssen regelmäßig gereinigt werden, weil sie pro Tag sonst 0,5% ihrer Leistung einbüßen. Reinigt man sie allerdings zu oft, wirkt sich dies ebenfalls negativ aus. Egal was man also macht, es geht bergab mit der Leistung. Die „Verwüstungen“, die ein ordentlicher Sandsturm oder die wohlmeinende lokale Bevölkerung in einem Solarpark anrichten können, sind da noch nicht mitgezählt.

Bleibt noch das letzte große Problem, welches sich die schöne Desertec-Idee mit allen anderen Solar- und Windideen teilt: fehlende Speicher für Kurz- und Langzeitpufferung. Es sind auch keine in Sicht. Heute, am 25. März, geht in Hannover die Sonne 19:42 Uhr unter. Es wäre schön, dann die eine oder andere Lampe einschalten zu können. Hingen wir heute schon an Desertec, würde daraus leider nichts – aus der Sahara käme nämlich schon seit 18 Uhr kein Strom mehr. Dort geht die Sonne um diese Jahreszeit schon deutlich früher unter. Für SPON ist die Idee „Desertec“ allerdings noch nicht tot. Es gäbe hier und da kleine Nachfolgeprojekte. Doch die sind lokal begrenzt und sollen ihren Strom auch nicht nach Europa liefern. Dies hat also mit der ursprünglichen Idee nichts mehr zu tun. Statt also von diesem toten Pferd abzusteigen, erklärt man, dass kein Pferd so tot sein könne, dass man nicht wenigstens ein klein wenig darauf reiten könne. Und sicher wird auch bald gemeldet, dass es nun neue Sättel gäbe, mit denen sich tote Pferde noch besser reiten ließen.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Roger Letschs Blog Unbesorgt.

Foto: Alexei Shevelev spotters.net. GFDL via Wikimedia

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K.H. Münter / 26.03.2018

Danke! Vor allem für die Hinweise zur Alterung der Photovoltaikzellen und wie lange aktuell am Tag die Dinger elektrischen Strom produzieren. Ich hatte schon mit Leuten zu tun die ernsthaft glaubten, daß “neueste” Photovoltaikzellen auch bei Dunkelheit Strom liefern würden. Etwaige Hersteller konnten mir auf Nachfrage diese Leute leider nicht nennen. Immerhin waren sie stark im Glauben und beharrten darauf daß “da bald was kommt…”

Ralf Orth / 26.03.2018

Herr Letsch, Sie haben die Situation sehr gut analysiert und beschrieben und auch die Klimmzüge, die SPON unternimmt um das (schon 2009 erwartbare)  Scheitern von Desertec schön zu reden. Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Ich möchte allerdings darauf hinweisen, dass der 25. März doch noch relativ nahe am Tag der Tag- und Nachtgleiche (12 h hell & 12 dunkel) liegt. Und die ist weitgehend überall auf der Welt so etwa um den 21. bis 23. März. Somit wird dies auch in der Sahara so sein. Übrigens ging die Sonne in Hannover letzte Woche noch ca. 1h früher unter, zumindest auf den Uhren, die Winterzeit zeigten. Ihre Aussage: “Heute, am 25. März, geht in Hannover die Sonne 19:42 Uhr unter. Es wäre schön, dann die eine oder andere Lampe einschalten zu können. Hingen wir heute schon an Desertec, würde daraus leider nichts – aus der Sahara käme nämlich schon seit 18 Uhr kein Strom mehr. Dort geht die Sonne um diese Jahreszeit schon deutlich früher unter.” Bezogen auf die örtliche Sonnenzeit geht die Sonne am Frühlingsanfang natürlich in Ägypten früher unter als in Marokko, aber das gilt auch für den Sonnenaufgang.

Ronald Koppelt / 26.03.2018

Die technologische Begründung des Autors zum Scheitern von DESERTEC scheint mir nicht zutreffend zu sein. Nach meiner Erinnerung wollte DESERTEC Strom mithilfe solarthermischer (und nicht photovoltaischer) Energiegewinnung erzeugen. Und die weist eben gerade NICHT die vom Autor genannten Probleme auf: 1) Sonnenwäremekraftwerke (CSP) arbeiten nicht mit Solarzellen, sondern mit Spiegelsystemen, die Sonnenstrahlung auf Wärmekollektoren konzentrieren und diese bzw. darin befindliche Dampferzeuger oder Wärmespeichermedien (!) aufheizen. Diese Technologie aber wird durch die zitierte “Degradation” nicht beeinträchtigt (Degradation = alterungsbedingte Änderung der Parameter von Halbleiterbauteilen (Wiki), solche sind aber in CSP gar nicht verbaut!). 2) Die für DESERTEC projektierten Anlagen sollten durchaus über einen zeitlichen Puffer verfügen - indem nämlich zunächst einmal die Strahlungshitze der Sonne von geeigneten Wärmespeichermedien (z.B. Flüssigsalzbehälter) zwischengespeichert wird, um bei späterem Bedarf - also beispielsweise bei Dunkelheit - Dampf und damit wiederum Strom zu erzeugen. Das wäre zwar sicher keine Langzeitpufferung, aber eine den ausführlich thematisierten Tag-Nacht-Wechsel allemal überbückende Kurzzeitpufferung gewesen. Schade, dass sich der Autor noch nicht einmal oberflächlich mit der technologischen Basis des Projektes befasst hat, bevor er einem breiten Publikum seine falschen Annahmen darlegt. Das zieht die Glaubwürdigkeit des gesamten Beitrages, der ansonsten schlüssig und logisch erscheint, in arge Zweifel.

Florian Bode / 26.03.2018

Auf toten Pferden kann man nicht reiten. Allerdings noch jahrelang herumrubbeln. Vorwärts geht´s so allerdings nimmer.

Martin Landvoigt / 26.03.2018

Jeder, der 1 und 1 zusammen zählen kann, konnte schon zu Beginn des Desertec-Hypes erkennen, dass das nie zu einem positiven Ergebnis führt. An dem Geisteszustand jeder der Beteiligten, Techniker, Journalisten, Politiker, Manager etc. war auch damals schon zu zweifeln. Denn die korrekten Argumente von Herrn Letsch sind weder genial noch überraschend, sondern notwendige Konsequenz aus den Basisfakten. Allenfalls dient diese Geschichte als Anschauungsmaterial für ähnliche Phantastereien, die hier und da immer wieder neu aufgegossen werden.

Bernd Ackermann / 26.03.2018

Man wollte in der Wüste aber keine PV-Anlagen errichten sondern Sonnenwärmekraftwerke betreiben, die über einen Absorber oder ein Wärmeträgermedium Strom per Turbine/Generator erzeugen. In Marokko wurde - mit Geldern der KfW, also der deutschen Steuerzahler - auch eine Anlage fertiggestellt, Nooro I. Diese erzeugt 400 GWh (zum Vergleich: das AKW Biblis erzeugte ca. 2500 GWh), der Strom wird in Marokko verbraucht und es ist mehr als wahrscheinlich, dass der vom deutschen Steuerzahler subventionierte Strom dort wesentlich günstiger ist als bei uns. Aber wir haben es ja. Dass im Rennen der Phantasie-Stromerzeuger Desertec auf der Strecke geblieben ist liegt nach m.E. daran, dass auf dem hart umkämpften Markt der norwegische Wasserstrom sich mit unfairen Mitteln durchgesetzt hat. Er plätschert einfach mehr als Wüstenstrom.

Robert Korn / 26.03.2018

Sehr geehrter Herr Letsch, Schön, daß das mal angesprochen wird. Ich darf mich wohl als einen praxiserprobten Solarstromer bezeichnen, denn ich lebe seit über 15 Jahren nur mit Strom aus blauen Zellen etwas abseits der Zivilisation. Die sommerliche Hitze, hier auf 1.000müM ja nicht so häufig, beschert mir bereits eine um 20 Prozent geringere Leistung gegenüber Winterzeiten. Und dann noch die Übertragungsverluste beim Weg aus der Wüste… Ich habe die Wirtschaftlichkeit des Projekts beim sommerlichen Blick aufs Amperemeter immer bezweifelt. Beste Grüße Robert Korn.

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