Richard Wagner / 24.06.2010 / 11:38 / 0 / Seite ausdrucken

Der wahre Soros

Eine markante Schlagzeile jagt die nächste. Als würden wir uns allesamt in einem Dämmerzustand befinden, als müsste man uns mit jedem Satz wachrütteln. Aber wozu? Ist die deutsche Sparpolitik, wie der Teaser suggeriert, tatsächlich eine Gefahr für Europa? Das jedenfalls soll George Soros gesagt haben, der unermüdliche Spekulant, der auch schon mal als Starinvestor bezeichnet wird. So genau nimmt man’s nicht in diesen Zeiten.

Soros ist eine komplexe Persönlichkeit. Er gehört zu den erfolgreichsten Hedgefond- Managern, dem mit Abstand verrufendsten Teil der Finanzbranche, ohne allerdings den schlechten Ruf der Unternehmung zu teilen. Das hat mit zwei weiteren signifikanten Komponenten seiner Persönlichkeit zu tun. Er betätigte sich immer schon als Philanthrop und Sponsor,  als Wirtschaftstheoretiker und gesellschaftlicher Vordenker. Zumindest tritt er regelmäßig in diesen Rollen auf.

Wie soll man auch von einem windigen Spekulanten sprechen, wenn dieser sich auf seinen Lehrer Karl Popper beruft und dessen Thesen zur offenen Gesellschaft rauf und runter zu zitieren weiß. Sein Geld mit Erfolg zu vermehren, ist an sich noch kein Vergehen, und es gilt ja auch nicht als solches, außer vielleicht in Teilen der deutschen Öffentlichkeit, wo man ab und zu das Baumeln der Seele vermisst und den Ort dieses Baumelns fatalerweise in Russland vermutet.

Während Soros mit dem Instrumentarium der Hedgefonds sein Geld vermehrte, unterstützte er immer wieder auch die Angelegenheiten der Bürgerschaft, nahm gewissermaßen Einfluss auf diese, wie ihm gelegentlich nachgesagt wurde. Er hat tatsächlich die Solidarnosc in Polen, die Charta 77 in der Tschechoslowakei und den prominenten Dissidenten Andrei Sacharow in der Sowjetunion unterstützt. Das war hilfreich im Kampf gegen den Kommunismus, und es ließ auch darauf schließen, dass Soros als Investor und Unternehmer wusste, was seine Gesellschaftsinteressen sind.

Soweit, so gut. In den beiden letzten Jahrzehnten aber hat der Multimilliardär sich gerne auch als öffentlichen Machtfaktor eingebracht. Er versucht nicht mehr und nicht weniger als weichenstellend Einfluss auf die Wirtschaftspolitik und Finanzstrategien der westlichen Welt zu nehmen. Zu diesem Kapitel gehören auch seine neuesten Äußerungen in einem Interview in dieser Woche für „Die Zeit“.

Die markige Schlagzeile lautet: Soros sieht deutsche Sparpolitik als Gefahr für Europa. In seinen Augen könne die Sparpolitik der deutschen Regierung, im Hinblick auf die Haushaltsstabilität, das europäische Projekt zerstören, ja sogar ein Kollaps des Euro sei nicht auszuschließen. Der verbal ins Spekulieren Geratene setzte noch eins drauf und sagte: Wenn die Deutschen ihre Politik nicht ändern, wäre ihr Austritt aus der Währungsunion für den Rest Europas hilfreich.

Man reibt sich die Augen angesichts solcher Sentenzen und fragt sich: Hat der Mann den Verstand verloren? Lesen wir weiter: Die Deutschen würden die Nachbarn, heißt es, in eine Deflation treiben, damit drohe eine lange Phase der Stagnation und die führe zu Nationalismus, zu sozialen Unruhen, zu Fremdenfeindlichkeit. Die Sparpolitik gefährde also die Demokratie.

Ausgerechnet die kompromisslastige deutsche Sparpolitik soll die Demokratie gefährden. Bleibt die Frage: Wer spricht hier eigentlich? Der Hedgefond- Manager? Der Philanthrop? Oder der Denker? Egal, was er nun unterstützen oder verkünden mag, eines ist sicher: Sein Geld hat er kontinuierlich vermehrt. Das ist sein gutes Recht, und er darf es auch mit Karl Popper begründen. Er kann auch ein Sparprogramm in Zweifel ziehen, wenn es seinen Interessen als Leerverkäufer zuwider läuft.

Als Leerverkäufer ist er natürlich an der frei schwebenden Geldmenge interessiert, an der Zahl der Scheine, die im Umlauf sind, aber er sollte nicht den politisch und ökonomisch Verantwortlichen den Kassensturz verbieten wollen. Der Leerverkauf hat mit Karl Popper ungefähr so viel zu tun wie die russische Seele mit Gott.

Soros vermischt Geschäft und Philanthropie, Denken und Handeln. Gegen seine Verurteilung wegen Insiderhandel durch ein französisches Gericht hat er sich in höchster Instanz an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gewandt. Das aber sagt etwas über sein Selbstverständnis aus. Neuerdings unterstützt er sogar die Klimaforschung und investiert in erneuerbare Energien. Soros vermittelt nach außen das perfekte Bild eines Linksliberalen.

Eines linksliberalen Finanzspekulanten, eines politisch korrekten Leerverkäufers. Seine Heimat sind die Offshore-Finanzzentren, seine Bühne ist die Jan-Patocka- Gedächtnis- Vorlesung. Diese Mentalgemengelage ist wohl einzigartig. Sie macht ihn zwar nicht kompetent, dafür aber zum Protagonisten der Erlebnisgesellschaft. Das ist bei genauerem Hinsehen nicht viel, es ist aber das Höchste, was man heute mit ideellem Leerverkauf erreichen kann.

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