Vera Lengsfeld / 19.12.2023 / 08:32 / Foto: Fabian Nicolay / 122 / Seite ausdrucken

Mist als Abschiedsgeruch für die Ampel

Wahrscheinlich wird es die Ampel nicht auf eine Totalkonfrontation mit den Bauern ankommen lassen, sondern durch Teilrücknahme versuchen, die Proteste zu beenden, denn in Berlin sind bereits Rufe nach Neuwahlen laut geworden. Mist könnte der Abschiedsgeruch für die Ampel werden.

Nein, es sind beileibe nicht die ersten Bauernproteste, die Deutschland erlebt. Es gibt sie schon seit Jahren, ohne dass sie den meinungsmachenden Medien eine Erwähnung wert gewesen wären. Es ist auch nicht das erste Mal, dass Trecker am Brandenburger Tor stehen. Seit Jahren wird den Bauern von der Politik das Leben schwer gemacht. Während deutsche Landwirte von der EU mit immer mehr Tierwohl- und Umweltschutzregeln kujoniert werden, entstehen mit Unterstützung derselben EU Hühnerfabriken, Schweine- und Rinderzuchtanstalten in Osteuropa, für die diese Bestimmungen nicht gelten und die folglich konkurrenzlos billig produzieren können. Das Höfesterben hat längst begonnen. 

Theoretisch wäre Deutschland in der Lage, sich autark zu ernähren. Praktisch ist das schon längst nicht mehr möglich. Die Lebensmittel verarbeitende Industrie ist in Größenordnungen abgewandert, dass Bauern Probleme haben, ihr Getreide, Fleisch und Eier im Land verarbeiten zu lassen. 

Statt Brotgetreide werden „Energiepflanzen“ wie Raps und Mais angebaut, weil die staatlich gefördert werden. Man darf es den Bauern, die auf diese Weise versuchen, ihre Höfe zu retten, nicht zum Vorwurf machen. Es ist die Politik, die durchpeitscht, dass Pflanzen mit geringer Energiedichte für „Biodiesel“ und Super E5-Benzin verarbeitet werden. Zwar war im ersten Corona-Jahr angesichts der befürchteten Nahrungsmittelknappheit in den Entwicklungsländern davon die Rede, die Verwendung von Nahrungsmitteln für den Tank zurückzufahren, aber das ist nicht geschehen. Das Sterben der deutschen Landwirtschaft ist politikgemacht. Die konventionelle Landwirtschaft soll aus Deutschland verschwinden. Das ist keine Verschwörungstheorie, sondern grüne Politik, die man in den einschlägigen Programmen nachlesen kann. 

In unverschämter Art und Weise ausgebeutet

Warum konnten die Bauernproteste der Vergangenheit erfolgreich verschwiegen werden? Weil die Bauernverbände bisher diese Proteste kaum unterstützt haben. Das hat sich jetzt geändert. Die von der Ampel beschlossene Abschaffung der „Agrarsubventionen“ hat das Fass zum Überlaufen gebracht. Die eine Milliarde, die man von den Bauern dabei einziehen will, hat die Verbände wachgerüttelt.

Bauernpräsident Joachim Rukwied forderte die Ampel-Koalition zur Rücknahme von Einsparplänen beim Agrardiesel und der Kfz-Steuer auf. Ministerpräsidentin Manuela Schwesig hat das von der Bundesregierung angestrebte Ende der Steuervergünstigungen für Bauern kritisiert. Sie sagte: „Wir brauchen eine starke Landwirtschaft, auch damit die Preise stabil bleiben. Die Kürzungen für die Landwirtschaft gehen zu weit und kommen zu plötzlich".

Auch Landwirtschaftsminister Özdemir äußerte Verständnis für den Unmut der Bauern. Die FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag hat ein Veto angekündigt. Allerdings hat Finanzminister Lindner (FDP) diesen Plan mit ausgeheckt. Die durch die unqualifizierte Ausgabenwut der Ampel entstandene Finanzlücke im Bundeshaushalt soll nicht etwa durch tatsächliche Einsparungen, wie Verzicht auf Verteilung deutscher Steuergelder weltweit oder die Rücknahme der Erhöhung des „Bürgergeldes“, das Arbeiten im Niedriglohnbereich unattraktiv macht, sondern durch verdeckte Steuererhöhungen gestopft werden.

Diejenigen, die mit ihrer Arbeit unser Land am Laufen halten, werden von der Regierung inzwischen in so unverschämter Art und Weise ausgebeutet, dass es an Feudalabsolutismus erinnert. Die Bezieher leistungsloser Einkommen am oberen Rand der Gesellschaft sichern ihre Macht durch die Vermehrung der Bezieher leistungsloser Einkommen am unteren Rand. 

Durch Teilrücknahme versuchen, die Proteste zu beenden

Im nächsten Jahr wird an die Reformation und an den Bauernkrieg 1524 gedacht. Bei dieser Gelegenheit sollte sich die Politik damit beschäftigen, was die Bauernaufstände verursacht hat. Es war die immer unverschämtere Ausbeutung der Bauernschaft, um die Ausgabenwut der Adeligen zu finanzieren. Zwar mussten die Bauern am Ende „Geschlagen ziehen wir nach Haus“ singen, aber ihr Aufstand hatte dennoch Erfolg. Die Abgabenlast der Bauern wurde erheblich reduziert und ihnen ein auskömmliches Einkommen ermöglicht. In der Folge gedieh die Landwirtschaft und wurde eine der besten der Welt. Die Ampel ist dabei, die Axt auch an dieses Erfolgsmodell zu legen. 

Der Bauernpräsident hat einen „heißen Januar“ angekündigt, wenn die Pläne der Regierung nicht zurückgenommen werden. Wahrscheinlich wird es die Ampel nicht darauf ankommen lassen, sondern durch Teilrücknahme versuchen, die Proteste zu beenden, denn in Berlin sind bereits Rufe nach Neuwahlen lautgeworden. Die große Mehrheit der Leistungsträger unseres Landes will Neuwahlen. Meines Wissens ist es seit 1949 noch nie der Fall gewesen, dass Mist auf deutsche Straßen gekippt wurde mit der Botschaft, dieser Mist sei klüger als die Regierung, jedenfalls nutzbringender. Dieser Mist könnte der Abschiedsgeruch für die Ampel werden.

 

Vera Lengsfeldgeboren 1952 in Thüringen ist eine Politikerin und Publizistin. Sie war Bürgerrechtlerin und Mitglied der ersten frei gewählten Volkskammer der DDR. Von 1990 bis 2005 war sie Mitglied des Deutschen Bundestages zunächst bis 1996 für Bündnis 90/Die Grünen, ab 1996 für die CDU. Seitdem betätigt sie sich als freischaffende Autorin. 2008 wurde sie mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande geehrt.

Foto: Fabian Nicolay

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Leserpost

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Gerd Heinzelmann / 20.12.2023

Win-win sind zwei Schritte vor und einer zurück. Die Grünen stehen der eigentlichen Konfrontation im Wege.

Gus Schiller / 19.12.2023

Die Bauern gehen voran, die Gewerkschaften müssten jetzt zum Generalstreik aufrufen,  stattdessen wünscht man sich Arbeitzeitverkürzung.

Wolfgang Richter / 19.12.2023

Wenn die Begründung der linksgrünen Spinner für die Maßnahmen lautet “Herstellung von Lebensmitteln ist klimaschädliche”, dann sollten selbige sich das als vorbilder zu Herzen nehmen und entsprechend handeln. Wer nicht mehr ist, frisst auch nix. Entsprechend kam ja gerade auch eine art Wissenschaftsclown in GB “um die Ecke”, indem er erklärte, “Atmen ist klimaschädlich.” Möge auch er für sich die Konsequenzen ziehen und “uns” nicht mehr mit seinen Psychoproblemen belästigen.

W. Renner / 19.12.2023

Ganz Berlin stinkt auch ohne Bauernproteste schon lange dermassen nach Mist, dass einem nur noch schlecht wird.

Talman Rahmenschneider / 19.12.2023

Tolle Bilder. Viel schöner als Kleber. Sie machen mehr damit als nur das Feld. Zum Beispiel bringen sie die Gülle weg. Es ist noch Spielraum. Man kann auch die Gülle auf die Straße kippen, wenn man keinen Treibstoff mehr bezahlen kann.

Frank Heitmann / 19.12.2023

@Sam Lowry , Stimmen ihnen voll uns ganz zu. In meinem Bauernverein wird hinter dem Klimastöckchen hinterher gesprungen, sowie die Wörter Klima und Nachhaltigkeit erklingen. Angst ja keine Pachtverlängerung zu bekommen sowie man Anteile an Kirche, Stadt und Uniland zum bewirtschften hat. Meine Stadt Greifswald will neutrale Klimastadt und der OB noch Weltbürgermeister dazu. Dazu werden jetzt masiv Flächen unter Wasser gesetzt und den Bauern aus dem Bestand abgezogen. Widerstand zwecklos, des Klima wegen und weil Bauern am Klimawandel schuldig sind, was für fieses Spiel.

Hans-Jörg Jacobsen / 19.12.2023

Es ist interessant, dass am Montag im Regierungsviertel offenbar mehr Menschen mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung waren, als an anderen Tagen…

A. Nölle / 19.12.2023

Nach den jüngsten Verlautbarungen der Ampel bezüglich Festhalten an der Finanz"planung” spitzt sich die Situation im Land dramatisch zu. Ich empfinde die Politik dieser Regierung als kriminell und menschenverachtend. Ich bin zwar wegen schwerer gesundheitlicher Rückschläge (leider) kein Teil der erwerbstätigen Bevölkerung mehr und auf einen funktionierenden Sozialstaat angewiesen, aber ich habe vollstes Verständnis für die Anliegen der Bauern und all der vielen Menschen, denen Deutschland und seine Menschen am Herzen liegen. Als ich 2021 die Bilder von der Ahrflut gesehen habe und den unglaublichen Zusammenhalt gespürt habe, war ich nur noch begeistert und habe gedacht: So ziehen wir (und ich möchte so gerne ein Teil dieser Zukunft sein) den Karren wieder aus dem Dreck, so hindern wir eine völlig durchgeknallte Regierung daran, Deutschland zum dritten Mal in gut hundert Jahren in die Tonne zu treten. Ich empfinde das Verhalten der Regierung als Kampfansage an das gesamte Volk. Jetzt muss Schluss sein! Dafür gibt es keine Entschuldigung mehr!

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