Quentin Quencher / 13.03.2020 / 16:00 / 25 / Seite ausdrucken

Quarantäne in Zeiten der Globalisierung

Und der HERR sprach: Siehe, ein Volk sind sie und eine Sprache haben sie alle. Und das ist erst der Anfang ihres Tuns. Jetzt wird ihnen nichts mehr unerreichbar sein, wenn sie es sich zu tun vornehmen (1.Mose 11/6). Die Rede ist vom Turmbau zu Babel, es wird der Zeitpunkt beschrieben, ab dem die Menschen sich nicht mehr verstanden, weil sie begannen verschiedene Sprachen zu sprechen. In den Auslegungen des Textes ist oft von Hochmut oder Macht die Rede, die Menschen maßten sich an, wie Gott zu sein zu wollen, waren größenwahnsinnig geworden. Eine schöne Geschichte, wie ich finde, die auch heute noch dazu mahnt, auf dem Teppich zu bleiben, bei der Formulierung von Menschheitsaufgaben, der Anmaßung zu wissen, was diese sind, die Ziele zu groß zu fassen, statt sich an der unmittelbaren Umgebung zu orientieren.

Wie viele Sprachen oder Dialekte gibt es heute eigentlich auf der Welt? Von etwa 6.500 Sprachen wird berichtet, die Dialekte hat wohl noch keiner richtig gezählt. Was auffällig ist: Am Äquator ist die Sprachenvielfalt am höchsten und nimmt ab, je weiter wir uns von ihm entfernen. Erklärungsversuche, warum das so ist, gibt es einige. Manche meinen, sich zu separieren in kleinstmöglichen Überlebenseinheiten, ist ein Schutz gegen Parasiten und Krankheitserreger und verringert die Gefahr, angesteckt zu werden. Andere glauben eher, dass die „Konkurrenz um knappe Ressourcen und eine natürliche Feindseligkeit verantwortlich sind“. Mir scheint der erste Erklärungsansatz logischer, denn bei einem Kampf um Ressourcen wird sich eine kleine Gruppe schlecht verteidigen können, mindestens nach Partnern Ausschau halten, um sich die Ressourcen zu sichern; Kommunikation über die Grenzen der Sippe oder des Stammes würden mehr Bedeutung haben, eine strikte Separation, die sich auch in der Sprache ausdrückt, wäre dann kontraproduktiv.

Doch in diese Debatte will ich gar nicht einsteigen, könnte nur Vermutungen zum Besten geben. „Sicher ist nur, dass die Vielfalt der Sprachen steigt, je weiter man sich auf die Regionen am Äquator zubewegt – die meisten Sprachen sind in den tropischen und subtropischen Regenwäldern zu finden“, wie es Frank Ufen im verlinkten Tagesspiegelartikel vor mehr als zehn Jahren schrieb.

Kleinstmögliche Gemeinschaften oder: Quarantäne

Eine größere Gemeinschaft bedeutete Gefahr, vor allem durch übertragbare Krankheiten in diesen Breiten. Kleine Gemeinschaften sind dann der Schutz, was sich in der Sprachenvielfalt ausdrückt. Eine Vermutung keimt in mir auf: Was ist, wenn sich diese Umstände in der Mentalität der Menschen niedergeschlagen haben. Während der Norden eher Kooperation benötigt, um zu überleben, dabei die Sprachen sich annäherten und weniger Sprachenvielfalt entwickelte, war im Süden genau das Gegenteil notwendig, um zu überleben. Ist die schwierige Staatenbildung in Afrika möglicherweise eine Folge dieser evolutionären Entwicklung, weil das Misstrauen gegenüber zu großen Gemeinschaften bereits durch die Evolution sich in der Mentalität niedergeschlagen hat?

Ich merke, langsam bewege ich mich auf vermintes Gelände vor: Soll ich wirklich von den Mentalitätsunterschieden von Völkern sprechen? Selbst Prof. Dr. Ferdinand Fellmann meinte in einem L.I.S.A-Interview „Die Mentalitätsdifferenz darf im öffentlichen Diskurs wegen der ‚political correctness‘ allerdings nicht ins Feld geführt werden, da man sich damit des Rassismus verdächtig machen würde.“ Ich würde es als selbstverständlich ansehen, dass sich Lebensumstände, Klima, Umwelt und die damit verbundenen Anpassungszwänge auch in der Mentalität niederschlagen, zumindest in der Kultur.

Natürlich greife ich die These, dass Parasiten und Krankheitserreger die Sprachentwicklung maßgeblich beeinflusst haben, gerade jetzt auf, denn ein Virus ist in aller Munde, das COVID-19 oder Coronavirus. Die Bekämpfung erfolgt nun nach den gleichen Prinzipien, wie sie am Äquator seit Urzeiten eine erfolgreiche Überlebensstrategie sind: Bildung von kleinstmöglichen Gemeinschaften. Wir nennen es nur anders: Quarantäne. Die Aufforderung, unnötige Kontakte zu vermeiden, körperliche sowieso, nicht notwendige Reisen zu unterlassen und dergleichen mehr, sind ebenfalls Strategien des Separierens zur Bekämpfung einer Gefahr oder Minimierung der Bedrohung. Doch damit nicht genug, gleichzeitig geht in uns eine Wahrnehmungsveränderung einher: Der Andere, der Fremde sowieso, wird als potenzielle Gefahr gesehen, dies ums so mehr, als er der eigenen Kerngruppe, der Familie also, entfernt ist.

So klein wie möglich, als wirksamerer Schutz?

Schnell ist nun der Rassismusvorwurf im Raum, mindestens aber die Befürchtung, dass die nun notwendigen Maßnahmen der Separation, des sich Abgrenzens, den Rechten in die Hände spielt. „Viren machen nicht vor vernagelten Türen oder Grenzen halt. Verschwörungstheorien und Rassismus fördern die Verbreitung von Viren, und zwar nicht nur in China, sondern auch hier bei uns“, meinte die Grünen-Abgeordnete Schulz-Asche im Bundestag. Aus diesen Worten spricht die Angst, dass sich, angesichts der Bedrohung, die Vorstellungen der Menschen wandeln, kleinere Einheiten, so klein wie möglich, als wirksamerer Schutz angesehen werden, als die großen und universellen.

„Viren machen nicht an Ländergrenzen halt. Deswegen ist es wichtig und richtig, dass wir europa- und weltweit zusammen mit der WHO versuchen, die Erkrankung einzudämmen“, sagt Frau Schulz-Asche noch in ihrer Rede, versucht Aufmerksamkeit und Hoffnung auf die großen multinationalen Organisationen zu legen. Nur als Einwand, wahrscheinlich ist beides gleich wichtig, Multinationale Maßnahmen dort, wo sie möglich sind und lokale individuelle gleichzeitig. Es bräuchte diesen Streit, diese Politisierung einer Epidemie, überhaupt nicht, wenn die Maßnahmen danach betrachtet würden, was nützlich und wirksam ist. Doch das würde bedeuten, das Lokale, das Individuelle, die engsten Familienbindungen bekämen wieder mehr Gewicht und stellen die Erzählungen und Projekte, die gerade das überwinden wollen, infrage.

Möglicherweise war es beim Turmbau zu Babel auch nicht viel anders, als man sich auf eine große Menschheitsaufgabe konzentrierte, missfiel das dem Herrn und er entsandte ein Virus, was zur Folge hatte, dass sich die Menschen wieder auf ihre engsten Bindungen und Beziehungen konzentrierten und sich zum Selbstschutz separierten. Irgendwann einmal stellten sie fest, dass sie nun in verschiedenen Zungen sprachen.

Dennoch blieb der Traum lebendig, von einer universellen Sprache, dass sich alle Menschen Großes gemeinsam vornehmen und verwirklichen können. Dieser Traum wird dann so lange geträumt, bis so ein kleines gemeines Virus daherkommt und, gleich einem Wecker, die Menschen aus ihren Träumen reißt.

Dieser Beitrag ist auch auf Quentin Quenchers Blog „Glitzerwasser“ erschienen.

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Frances Johnson / 13.03.2020

„Corona rafft die Alten dahin. Das ist nur gerecht“. Welt-online. “Kultur”.

Detlef Jung / 13.03.2020

Wunderbar prosaischer Beitrag, lieber Herr Quencher. Radikal, hätte der Genosse Riexinger geschrieben - weil er zu den Wurzeln geht. So pervertiert halt ein jeder, was einem beim andern so an Talent missfällt, dass man selbst so gern hätt. Und insofern sind die Grünen noch weiter wandlungsfähig und -willig. Deren Entnazifizierungsprozess ist am weitesten gediehen, man kann ihnen mitunter live beim Bräunen zusehen. Am Ende dieser Dekade werden sie womöglich mit den Blauen regieren können. Die ausgebrannten Stabswesen der Altparteien sind dann bereits auf der politischen Sondermülldeponie endgelagert. Strahlung kommt bestesfalls noch von den Söhnen des dann nahallalaakbarschaftlichen Ostens. Die Neo- und Altsozen sind schon so lang infiziert, dass wir es verdrängt oder vergessen haben, dass die sozialistische Inkubationszeit schon mal ein, zwei Generation dauern kann. Nu isse halt da und diliert zum tausend-und einen Mal vor sich hin, allein um die Pfründe der kleinsten ideologischen Einheit im Großen abzusichern. Na denn Prost, Corona, wir haben dich schon länger erwartet. Wir passen während deines Besuchs auf unsere Eltern und Grosseltern auf. Nicht, dass die sich an den Infizierten infizieren und uns genommen wird, was wirklich wichtig ist.

Frances Johnson / 13.03.2020

“Was auffällig ist: Am Äquator ist die Sprachenvielfalt am höchsten und nimmt ab, je weiter wir uns von ihm entfernen.” Wusste ich nicht. Danke. In Äquatornähe übrigens viel mehr gefährliche Krankheiten. Malaria, Dengue-Fieber, Lassa-Fieber, Gelbfieber, Parasiten, Würmer wie der Guinea-Worm. Afrikaner haben Sichelzellanämie, eine Krankheit, die vor Malaria schützt. Die von Ihnen erstellte Idee eines Zusammenhangs ist faszinierend. Schön auch der Hinweis auf den Turm zu Babel. Danke

Christian Feider / 13.03.2020

sehr kluge und realitätsnahe Betrachtung der Irrwege der letzten dreissig Jahre… und auch dieser “Turm zu Babel” wird fallen und die Menschen zurück kehren zum bewährten System der wesens-und artverwandten Gemeinschaft.

P. F. Hilker / 13.03.2020

Die Globalisierung und die damit einher gehende Unbekümmertheit ist die Mutter allen Übels. Immer weniger Grenzen (auch im übertragenen Sinn) und immer größere Einheiten ließen die Entwicklung vorhersehen. Gut finde ich, dass durch die Schliessung der Kitas, die ach so beanspruchten Eltern sich jetzt auch noch um ihre abgeschoben Kinder zu kümmern haben. Einfach bedauernswert. Das ist ja schlechterdings kaum zu schaffen.

Sabine Schönfelder / 13.03.2020

Ein schöner Denkanstoß. Kleingruppen sind übersichtlicher, lassen mehr Individualität zu, sind schneller und leichter zu organisieren; lösen dadurch auch ihre Probleme effizienter und ´treffenderˋ. Die Ablenkung ist geringer und damit der Blick auf Wesentliches intensiver, - Qualität vor Quantität. Sie sind kuschliger, vermitteln mehr Schutz und Geborgenheit. Nur überschaubare Einheiten können sich eine verbindliche innere Ordnung geben. Sie sind in der Lage, schneller bei Gefahren zu reagieren. Sie definieren sich durch eine eigene Identität, leben nach vertrauten und gewohnten Bräuchen, die die Gruppenmitglieder miteinander verbinden und ein Gemeinschaftsgefühl herstellen. Identität und Brauchtum sind Friedensstifter innerhalb der Gruppe, bestätigen das Gefühl der Zusammengehörigkeit. Wer eine große gleiche Masse erschaffen möchte, muß vorher alle Kleingruppen und deren Identitäten zerstören. Abgrenzen wird von Linken bekämpft, es wird ideologisiert und desavouiert. Alle Nationen müssen vernichtet werden, zur kommunistischen Gleichschaltung. REVOLUTION heißt heute TRANSFORMATION.

CZECH ALEX / 13.03.2020

Ein Wunder ist geschehen. Man hört und liest fast NIX mehr von der heiligen Greta dem Klima und der FFF Sekte? DANKE CORONA!

Alexander Schilling / 13.03.2020

Aus der inneren Emigration hinaus in die Weite der eigenen Wohnung: Quarantäne kann ein Befreiungsschlag sein!—Wenn man nur die Gewissheit hätte, dass die wahrheitsliebenden Qualitätsmedien gezwungen wären, für vierzig Tage ihren live-Sendebetrieb einzustellen! Die Führung der werktätigen Regierung Merkel gibt sich jetzt schon den Anschein, in ihrem Berliner Bunker vorwiegend das Modell des neuen Flughafens BER zu studieren…

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