Gastautor / 26.09.2019 / 14:00 / Foto: Pixabay / 2 / Seite ausdrucken

Zölle schaden Ihrer Gesundheit

Von Fred Roeder. 

In New York tritt vom 17. bis zum 30. September zum 74. Mal die Weltgemeinschaft zusammen, um dringende Fragen zu diskutieren. Die Vollversammlung der Vereinten Nationen befasst sich nicht nur mit der Frage, wie die Waldbrände im Amazonas zu löschen wären, oder wie die Nachhaltigkeitsziele erreicht werden können. Die Delegierten fragen sich auch, wie in ärmeren Staaten die Gesundheitsversorgung verbessert werden kann. Dazu haben sie die Bekämpfung nichtübertragbarer Krankheiten und den umfassenden Zugang zu Gesundheitsleistungen auf die Tagesordnung gesetzt. In Schwellen- und Entwicklungsländern warten Patienten bis zu zehn Jahre auf ein neues Medikament und zahlen häufig auch noch das Dreifache des eigentlichen Importpreises.

In beiden Feldern ist der Rückstand auf die 35 reichsten Länder enorm. Patienten in ärmeren Ländern müssen häufig ihre Behandlungskosten selbst zahlen. Die Entwicklungshilfe, deren Milliarden seit Jahrzehnten auch in die Gesundheitsversorgung fließen, hat an diesem grundlegenden Missstand kaum etwas geändert. Die Förderprogramme scheitern an Korruption, Misswirtschaft und fehlender Infrastruktur.

Mit einigen einfachen und wirksamen Instrumenten kann die Weltgemeinschaft die Gesundheitsversorgung weltweit deutlich verbessern. Wenn Regierungen weltweit Einfuhrzölle und andere protektionistische Maßnahmen gegen lebensrettende Medikamente reduzieren, machen sie diese für die Ärmsten der Welt deutlich erschwinglicher.

Dort wo Krankenversicherungen nur unzureichend ausgebaut sind – wenn sie überhaupt existieren – müssen Patienten und ihre Familien die Kosten einer Krankheit allein bestreiten. Der Fiskus zockt sie dabei auch noch ab, indem er oft hohe Einfuhrzölle und Verbrauchssteuern auf innovative ausländische Medikamente erhebt. Indien beispielsweise erhebt einen zehnprozentigen Einfuhrzoll auf importierte Medikamente. Damit nicht genug. Der indische Staat hält noch einmal die Hand auf und verlangt von seinen Bürgern bis zu 18 Prozent zusätzliche Mehrwertsteuer auf ihre Arznei. Im benachbarten Nepal zahlen Patienten sogar fast 15 Prozent Einfuhrzoll auf Medikamente. Die Zölle und Sondersteuern sorgen dafür, dass den Ärmsten der Welt unnötig der bezahlbare Zugang zu lebensrettenden Gesundheitsleistungen versperrt ist. Wer ein Medikament nicht mehr bezahlen kann, weil es durch den Staat massiv verteuert wurde, muss an anderer Stelle verzichten – oder die Behandlung ganz bleiben lassen. Die gierige Bürokratie stellt Patienten vor eine teuflische Wahl: Ruin oder – potenziell tödliche – Krankheit.

In Indien 4.000 Bestimmungen zur Einfuhr von Medikamenten!

Der Ökonom Matthias Bauer hat errechnet, dass chinesische Patienten 5,5 Milliarden Euro sparen würden, wenn die Zollschranken gegen importierte Medikamente fielen. In Indien und Brasilien würde Freihandel die Medikamentenpreise nahezu halbieren.

Zusätzliche Steuern und Auflagen verursachen in Brasilien, Kenia und weiteren Staaten eine Verdoppelung – mitunter gar eine Verdreifachung! – des Endkundenpreises gegenüber dem eigentlichen Einfuhrpreis. Diese Steuern treffen die Armen der Welt am härtesten. Ihre Abschaffung macht eine würdige und angemessene Gesundheitsversorgung für hunderte Millionen Menschen deutlich erschwinglicher.

Doch nicht nur Zölle und Steuern verteuern die Medizin im Bestimmungsland. Langwierige Einfuhrprozesse, Etikettiervorschriften und missverständliche Bestimmungen erhöhen den Endpreis. Derlei Vorschriften nützen sicherlich den Zollbehörden, um ihre Budgets zu rechtfertigen. Diese bürokratischen Hürden schaden letztendlich den Patienten und treiben die Preise wichtiger Medikamente. 

Indien allein kennt beinahe 4.000 Vorschriften und Lizenzbestimmungen zur Einfuhr und dem Vertrieb von Medikamenten! Jeder Importeur muss sich diesen Regelungen beugen und die dadurch entstandenen Kosten auf den Preis für Endkunden aufschlagen. In Russland und der Türkei halten Regierungen die Patienten an, heimisch produzierte Medikamente zu kaufen und erschweren den Zugang zu ausländischen Produkten. So wird das Patientenwohl politisch-wirtschaftlichen Interessen untergeordnet. 

Und selbst wenn Patienten sich die Medikamente leisten könnten, sind diese häufig nicht verfügbar. Neue Arzneimittel erreichen diese Länder oft erst nach Jahren. Die lokalen Behörden verzögern die Anmeldung von Patenten und weiteren Rechten durch langwierige Prozesse. In Thailand dauert es 14 Jahre, ein Patent zu erteilen – 14 Jahre, in denen Patienten auf die Therapie warten, leiden und schlimmstenfalls sterben. Mit dem erteilten Patent ist das Warten aber längst nicht vorbei, denn dann geht es an die Verkaufsfreigabe.

Sieben Jahre bis zur Medikamenten-Freigabe

Es dauert lange bevor die einzelnen Länder Medikamente zum Verkauf freigeben: in China drei, in vielen afrikanischen Staaten zwischen vier und sieben Jahren. Die Aufsichtsbehörden in Entwicklungsländern wären gut beraten, sich auf die fundierten Zulassungsentscheidungen der amerikanischen FDA oder der europäischen Zulassungsbehörde EMA zu verlassen und auf einen erneuten Zulassungsprozess zu verzichten. Das käme den Patienten zugute, die nicht mehr jahrelang auf diese oft lebensrettenden Medikamente warten müssten.

Eines sollte den Delegationen bei der UN-Vollversammlung klar sein: Zölle und Vorschriften können sie einseitig und schnell abschaffen und verschlanken. Das ist in der Regel ein einseitiger Schritt des jeweiligen Landes, der besonders Entwicklungsländer bei den gesundheitsspezifischen Nachhaltigkeitszielen deutlich voranbringt. Schnellere Zulassungsverfahren und erleichterte Einfuhrbestimmungen senken den Leidens- und Preisdruck auf Patienten weiter.

Selten hat ein trockenes Thema wie Bürokratieabbau so weitreichende Folgen für große Teile der Weltbevölkerung. Zölle schaden Ihrer Gesundheit, es ist höchste Zeit für den kalten Entzug.

 

Fred Roeder ist Geschäftsführer des Consumer Choice Center und Gesundheitsökonom.

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Margit Broetz / 26.09.2019

Die Inder könnten die Medikamente viel billiger herstellen und weltweit verkaufen, verhindern aber die Konzerne. Genauso wie die Medikamente, die Afrika eigentlich braucht, die aus patentrechtlichen Gründen nicht als Billigprodukte dorthin geliefert werden dürfen. Nein, Zölle sind das geringste Problem.

Tom Wein / 26.09.2019

Indien? Das geht auch hier: im EU-Ausland günstigere Medikamente? Die problemlos zu bekommen haben die Super-Liberalen von der FDP und andere erfolgreich verhindert. Und bitte jetzt nicht mit Sicherheit und Gesundheitsgefährdung kommen: dieses Argument ist tot: gestorben im September 2015.

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Gastautor / 12.05.2024 / 20:00 / 0

Wer hat’s gesagt? (Auflösung)

Von Klaus Kadir. Unter dem Titel „Wer hat’s gesagt?“ konfrontieren wir Sie am Sonntagmorgen mit einem prägnanten Zitat – und Sie dürfen raten, von wem…/ mehr

Gastautor / 12.05.2024 / 09:00 / 20

Wer hat’s gesagt? “Messerattacken und Sexualdelikte nicht mit Zuwanderung und Migration vermischen”

Von Klaus Kadir. Unter dem Titel „Wer hat’s gesagt?“ konfrontieren wir Sie am Sonntagmorgen mit einem prägnanten Zitat – und Sie dürfen raten, von wem…/ mehr

Gastautor / 09.05.2024 / 14:00 / 3

EU-Wahlplakate: Vom Kintopp zum Politflop

Von Okko tom Brok Immer ungenierter gestalten die Parteistrategen ihre Poster im Stile von Hollywood-Streifen. So auch die für die EU-Wahl. Aber was für Filme laufen…/ mehr

Gastautor / 07.05.2024 / 13:00 / 9

Israels Geisel-Lobby besiegt die Sieger-Lobby

Von Daniel Pipes.  Die Befreiung der letzten noch lebenden Geiseln im Gazastreifen steht Israels Ziel im Wege, die Hamas entscheidend zu schlagen. Zu diesem Dilemma…/ mehr

Gastautor / 30.04.2024 / 06:15 / 30

Warum belohnt Biden Feinde und ignoriert Verbündete?

Von Michael Rubin. Demnächst wird der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan, ein Feind Amerikas und Israels, in Washington empfangen. Joe Biden sollte besser einen Problemlöser…/ mehr

Gastautor / 17.04.2024 / 13:00 / 15

Islamismus: Täter und Wohltäter

Von Sam Westrop. Die globale islamistische Wohltätigkeitsorganisation Islamic Relief arbeitet mit hochrangigen Hamas-Beamten zusammen, darunter der Sohn des Terroristenführers Ismail Haniyeh. Während Mitglieder des Europäischen Parlaments im Januar…/ mehr

Gastautor / 16.04.2024 / 06:00 / 203

Doch, es war alles falsch!

Von Andreas Zimmermann. Wir brauchen eine Aufarbeitung der Corona-Jahre, bei der eben nicht diejenigen das Sagen haben, die die Verantwortung für die Verheerungen dieser Zeit…/ mehr

Gastautor / 13.04.2024 / 15:00 / 6

Aufbau eines menschenwürdigen Gazastreifens (2)

Von Daniel Pipes. In Live-Interviews auf Al Jazeera und in anderen arabischen Medien machen immer mehr Bewohner des Gazastreifens ihrer Abneigung gegen die Hamas Luft.…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com