Josef Kraus, Gastautor / 04.08.2020 / 15:00 / Foto: Ukuthenga / 46 / Seite ausdrucken

Wissenschaft Juli 2020, Stand Februar 1600

Von Josef Kraus.

Wissenschaftsstandort Deutschland: Bislang haben wir uns immer darauf verlassen, dass es hier ganz echt und seriös um Wissenschaft geht. Nun gut, viele Wissenschaftler wandern ab. Wenn Deutsche einen Nobelpreis bekommen, dann meistens nachdem sie zuvor in die USA ausgewandert waren. Aber immerhin: So ganz hat das vormalige Volk der Dichter und Denker den Nimbus als Wissenschaftsnation noch nicht eingebüßt. Dafür sorgt unter anderem die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), die am 30. Oktober 2020 ihren hundertsten Geburtstag feiern wird und soeben am 2. August 2020 einen kleinen Geburtstag, den 69sten ihrer Widerbegründung nach den NS-Jahren feiern konnte.

Die DFG ist ein „Pfund“, wie man eher unwissenschaftlich sagt. Wer von ihr gefördert wird, darf sich geadelt fühlen. Zu ihren Mitgliedern gehören rund 70 deutsche Universitäten, Forschungseinrichtungen und Akademien der Wissenschaften. Ein „Pfund“ ist die DFG aber auch, was ihre finanzielle Ausstattung betrifft: Sie verfügt über rund 3,5 Milliarden Euro pro Jahr. Es sind Steuergelder, die zu zwei Drittel aus dem Etat des Bundes und zu einem Drittel aus den Haushalten der Länder kommen.

Klappern gehört zum Handwerk. Deshalb wollte sich die DFG anlässlich ihres Hundertsten präsentieren. Mit Testimonials, sagt man heute. Einer der Zeugen sollte Dieter Nuhr, der Kabarettist, sein. Er schrieb bzw. sagte in einer Audiobotschaft für die DFG folgende Sätze: 

„Wissen bedeutet nicht, dass man sich zu 100% sicher ist, sondern dass man über genügend Fakten verfügt, um eine begründete Meinung zu haben. Weil viele Menschen beleidigt sind, wenn Wissenschaftler ihre Meinung ändern: Nein, nein! Das ist normal! Wissenschaft ist gerade, dass sich die Meinung ändert, wenn sich die Faktenlage ändert. Wissenschaft ist nämlich keine Heilslehre, keine Religion, die absolute Wahrheiten verkündet. Und wer ständig ruft „Folgt der Wissenschaft!“, hat das offensichtlich nicht begriffen. Wissenschaft weiß nicht alles, ist aber die einzige vernünftige Wissensbasis, die wir haben. Deshalb ist sie so wichtig.“

Ja, solche Sätze könnten die jeweiligen Redenschreiber jedem Bundespräsidenten, jedem Wissenschaftsminister und jedem Universitätspräsidenten ins Redemanuskript schreiben. Und alle aus den politischen, medialen und wissenschaftlichen Communities würden zustimmen. Nicht so bei Dieter Nuhr. Denn Nuhr ist einer der ganz wenigen Kabarettisten, die niemanden schonen, die auch mal gegen den Strich der politischen Korrektheit bürsten, die auch mal Merkel oder das SPD-Tandem oder „Greta“ oder die Freitagshüpfer von FfF oder die Coronamasken oder die Genderisten oder den offiziellen Umgang mit der größten Oppositionspartei auf die Schippe nehmen.

Arme DFG, könnte man schadenfroh spöttisch sagen

Igittigitt, sagt da eine politisch edle Gesinnungsblase um den Münchner Edel-Soziologen Armin Nassehi. Nuhr und DFG, das gehe doch gar nicht. Und schwuppdiwupp war Nuhrs Text wieder von der DFG-Seite verschwunden. Mit einer umwerfenden Begründung: „Liebe Community, wir nehmen die Kritik, die vielen Kommentare und Hinweise ernst und haben den Beitrag von Dieter #Nuhr von der Kampagnenwebsite http://dfg2020.de entfernt.“

Ist Dieter Nuhr ein Paria, ein Aussätziger oder gar ein Busenfreund von AfD-Mann Bernd Höcke? Was hat Nuhr den anderes gesagt als das, was das Leitbild der DFG ist: die Förderung von Erkenntnissen. Dass solche Erkenntnisse nicht immer Ewigkeitswert haben, schrieb Sir Popper der Wissenschaft schon vor langem ins Stammbuch: Wissenschaftliche Erkenntnisse müssen falsifizierbar sein. Ja, sei angefügt, sonst werden sie zu Ersatzreligionen. Wie derzeit große Teile der Klima- und die Gender-Ersatzreligionen, die übrigens von der DFG üppig gefördert werden.

Nein, es steht nicht gut um Wissenschaft, Wissenschaftspolitik und Wissenschaftsförderung, wenn ein Dieter Nuhr Sätze wie die seinen nicht über Wissenschaft aussprechen darf. Dann sind wir zumindest symbolisch wieder nahe dran am Scheiterhaufen. Dann erinnert das an die Verbrennung von Ketzern, Hexen und Juden ab dem Jahr 1000 bis weit in das 18. Jahrhundert hinein. Damals hieß ein solcher öffentlicher Akt „Autodafé“. Oft ging es dabei auch um Opfer, die mit ihren wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht in kirchliche oder quasireligiöse Lehrsätze passten. Siehe etwa Giordano Bruno, der im Jahr 1600 in Rom auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde, weil er das Universum für unendlich und von ewiger Dauer erklärt hatte.

Arme DFG, könnte man schadenfroh spöttisch sagen. Von diesem Imageschaden magst Du Dich nicht so schnell erholen. Mindestens ebenso armseelig freilich wie die DFG benehmen sich Teile der deutschen „Qualitätspresse“. Ganz vorne dran die “Süddeutsche“. Sie lässt zu Dieter Nuhr schreiben: „Dass ausgerechnet jemand, der Klima- und Coronaverharmlosern ordentlich Munition liefert, als Botschafter für die DFG den Wert von Spitzenforschung betonen soll, wirkt grotesk.“ Wie bitte? Grotesk? Nein grotesk ist etwas anderes - der Weg der SZ vom „liberalen“ Blatt zum gutmenschlichen Erbauungsblättchen.

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Leserpost

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Martin Schott / 04.08.2020

“Denn Nuhr ist einer der ganz wenigen Kabarettisten, die niemanden schonen, (...)” - Genau dafür lieben wir ihn. - Im x-ten Artikel zur Causa Nuhr fällt in der Online-Ausgabe der “Welt” der entscheidende Satz nach vier Fünfteln des Textes: “Die Entschuldigung der Forschungsgemeinschaft nimmt Nuhr nicht an, (...)” - Auch heute noch sind Entschuldigungen keine moderne Form des Ablasshandels, sondern bedürfen immer noch der Annahme. Gut gemacht, Herr Nuhr!

Alex Micham / 04.08.2020

Solange der DFG niemand ans Budget geht, haben die da keinen Schmerz. Für 3,5 Mrd sind Menschen zu jeder Schweinerei fähig, keine Sorge.

RMPetersen / 04.08.2020

@ Klaus Kalweit: Das habe ich als seinen Versuch verstanden, sich für andere Äusserungen, zB gegen Gretismus und Sozialismus, im ÖR unangreifbar zu machen. Vielleicht erkennt er ja, dass man dem linken Pöbel noch nicht einmal den kleinen Finge geben darf. Andererseits: Pegia und AfD bieten Angriffsflächen, Kritik ist legitim. Leider findet man selten sachliche und sachgerechte Kritik.

Rudi Knoth / 04.08.2020

Eventuell hätte sein Kollege Vince Ebert etwas zu diesem Thema schreiben sollen. Denn er ist anders als Dieter Nuhr studierter Physiker und daher nicht so angreifbar. Seine inzwischen eingestellte Kolumne in der Online-Ausgabe von “Spektrum der Wissenschaft” ist recht lesenswert. Sie hat den Titel “Vince Ebert extrapoliert”  und jeder Text beginnt mit “Was wäre wenn…”. Da wird dann etwa i der letzten Kolumne für die Atomkraft plädiert.

Martin Landvoigt / 04.08.2020

Ich war von der DFG maßlos enttäusht. Jetzt aht sie diese Enttäuschung ... eher Wut ... etwas gemildert. Auf der verlinkten Seite steht nun: ‘In dieser spezifischen Debatte Stellung zu beziehen, ist jedoch nicht Ziel der Kampagne #DFG2020. Die DFG bietet Herrn Nuhr aber sehr gerne eine im Lichte der aktuellen Debatte kommentierte Wieder-Online-Stellung seines Statements an, nicht zuletzt auch, um die Diskussion offenzuhalten. Die DFG will diesen Fall zum Anlass nehmen, eine Auseinandersetzung über die aktuelle Debattenkultur anzustoßen und sich dabei auch selbstkritisch mit dem eigenen Handeln zu befassen.’ Ich hoffe, dass das die Wieder-Online-Stellung wirklich erfolgt. Warum aber sollte die DFG hier nicht Stellung für die Pluralität und Meinungsfreiheit und Forschungsfreiheit beziehen? Inhaltlich ist an Nuhrs Statement doch nicht zu rütteln!

Martin Landvoigt / 04.08.2020

In der Tat ist es keine Petitesse, aber die Einschläge derartiger Ungeheurlichkeiten kommen in immer höherer Frequenz und immer näher. Verbunden mit der gefühlten Hilflosigkeit gewöhnt man sich lediglich dran. In einem aber ist eine Richtigstellung erforderlich. Selbst das linkslastige Wikipedia berichtet: ‘Sein Gastgeber, Zuane Mocenigo (1531–1598), Provveditore Generale di Marano, wollte in die Gedächtniskunst eingeweiht werden; doch es ist viel wahrscheinlicher, dass er sich von Bruno Einblick in weit „magischere“ Künste erhoffte. Wohl aus Enttäuschung, dass diese Erwartungen nicht erfüllt wurden, kam es zu Streitigkeiten. Während Bruno noch überlegte, Venedig zu verlassen, wurde er von Mocenigo denunziert und am 22. Mai 1592 von der Inquisition verhaftet.’ Seine Verurteilung wurde wegen Ketzerei und Magie begründet. Er hat in seiner Tournee durch Europa sich zunächst viele Feinde geschaffen. Das rechtfertigt keinen grausamen Tod ... oder genauer: Justizmord ... , aber es ist eben nicht wegen der hier genannten Behauptungen.

Stephan Bender / 04.08.2020

“Tumor ist, wenn man trotzdem kackt!” - Eine Mitteilung ihrer DFG-Hüpfkinder

Markus Weber / 04.08.2020

Bravo, bravo, bravo für diesen kurzweiligen und prägnanten Artikel! Es gibt ein Hintergrundgeräusch, für das die Mächtigen dieser Welt ein einzigartig feines Gehör haben, das sie wie kaum etwas anderes verabscheuen und gegen dessen Erzeuger vorzugehen sie deshalb kaum Mittel scheuen: Es ist das Geklirr und Geschiebe beim Bereitlegen der Zangen, Schraubenzieher und Schlüssel zu ihrer Demontage und beim Aufschütten und Beplanken der Rampen zu ihrer Abdankung und Verabschiedung. Wenn Wissenschaft mit vermeintlich Gesichertem in Revision geht, ist sie in ihrem Element. Nichts ist vor der Ergründungsmethodik der Wissenschaft gefeit, nicht irgendwelche Ränge oder Posten und schon gar nicht irgendwelche Prozentergebnisse bei Wahlen. Bleibt einem in einer Demokratie eben nur noch, dass das mal Gesagte, das einst als Begründung unter die Leute Gebrachte möglichst lange Bestand hat und so wenigstens die eigene Glaubwürdigkeit und das eigene Ansehen fortbestehen. Jedem Politiker, der einmal eine Halbwahrheit zur Stützung seiner Vorhaben bemüht hat, kann nun sicher sein, dass die Wissenschaft, wenn sie sich eines Tages zur Revision der Storys aufmacht, die er jahrein, jahraus aufzutischen pflegte, ihm auf die Schliche kommen und ihn als nackten Kaiser dastehen lassen wird. Und das eben nicht in böser oder sonst irgendwie gegen ihn zielgerichteten, sondern in rein aufklärerischer Absicht. “Hört gar nicht erst hin! Denn, klar: die müssen so reden. Die hatten schon immer was gegen mich!” das kann sich besagter Politiker dann auch geich sparen, wenn er annehmen muss, dass die Zuhörerschaft auf Aufklärung fokussiert ist. Deshalb verbringen viele Politiker (und ebensoviele Hofberichterstatter) ihr Leben damit, im Volk die Vorliebe für die Vorlieben und Intentionen auf dem ersten Rang der Aufmerksamkeitsskala zu halten. Daher kann es gar nicht anders heißen als: “Was der Nuhr da gesagt hat, beleidigt uns alle. Das will hier keiner hören. Gelle? Also, weg mit ihm!”

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