Burkhard Müller-Ullrich / 10.11.2019 / 06:14 / Foto: Pixabay / 35 / Seite ausdrucken

Wikikafka und ich – Ein Korrekturversuch

Kürzlich bekam ich eine E-Mail von Wikipedia-Gründer Jimmy Wales mit folgendem Wortlaut:

„Mit Ihren sechs Spenden seit 15. November 2012 haben Sie ermöglicht, dass Wikipedia für Sie und Millionen anderer Menschen da ist.

Lieber Herr Müller-Ullrich,

heute brauchen wir wieder Ihre Hilfe. Sie sind für uns sehr wichtig, denn seit 15. November 2012 haben Sie insgesamt xxx Euro für Wikipedia gespendet…“

Darauf meine Antwort:

Lieber Herr Wales,

die Mutter des französischen Schriftstellers Michel Tournier lebte in Freiburg im Breisgau. Als ein Buchhändler ihr eine neue Brockhaus Enzyklopädie in 24 Bänden (Wikipedia gab es noch nicht) verkaufen wollte, lehnte sie ab, eine Subskription zu zeichnen, weil sie erst lesen wollte, was im Band 22 über ihren Sohn stände.

Das mag, um es mit den Worten eines deutschen Wikipedia-Autors namens Blubbdidupp zu sagen, „reine Wichtigtuerei“ sein, aber ich finde, dass es okay ist, wenn man kein Geld für etwas geben will, das einem zuwiderläuft. Sie finden das sicherlich auch, und damit komme ich zu den Schwierigkeiten, die ich mit Wikipedia habe und die mich davon abhalten, dieses Jahr wieder für Wikipedia zu spenden.

Sie haben sicherlich davon gehört, dass Wikipedias Reputation in letzter Zeit durch politische Agitation gelitten hat. Sie selbst machen ja keinen Hehl daraus, Donald Trumps Absetzung zu wünschen, eine für Sie als Graue Eminenz der digitalen Lexikographie doch ziemlich fragwürdige Haltung. Nicht, dass Sie keine Privatmeinung haben dürften, aber Ihre politische Einseitigkeit führt dazu, dass sich viele Wikipedia-Mitarbeiter ermutigt fühlen, den Lexikonartikeln den Stempel ihrer Privatmeinungen aufzudrücken.

Und zwar, seien wir ehrlich, einen linken Stempel.

Ich selbst habe jedenfalls folgende Erfahrung gemacht: Als ich vor zwei Jahren aus dem deutschen P.E.N. Zentrum austrat, nahm ich eine entsprechende Änderung meines Wikipedia-Eintrags vor und fügte auch gleich meine Begründung hinzu: „Ende 2017 trat er aus Protest gegen die Diffamierung politisch rechtsstehender Autoren aus dem deutschen PEN aus.“ Dieser Satz stach besagtem Blubbdidupp ins Auge, und er löschte ihn mit dem Kommentar: „Die angebliche "Diffamierung" ist nicht belegt, der Austritt hat keinerlei Presse-Echo hervorgerufen und ist enzyklopädisch daher nicht relevant. Reine Wichtigtuerei.“

Daß die „angebliche“ Diffamierung nicht belegt worden sei, ist eine nachweisbar falsche Behauptung. Die Belege stehen in diesem Artikel: www.achgut.com/artikel/warum_ich_aus_dem_deutschen_pen_austrat – und dieser Link wurde von dem Benutzer Rex250 als Quelle in die Versionsgeschichte meines Wikipedia-Eintrags aufgenommen. Blubbdidupp kannte den Achse-Artikel also sehr wohl. Bleibt noch der Vorwurf der enzyklopädischen Irrelevanz. Ein politisch motivierter Austritt aus dem PEN soll also irrelevant sein, wohingegen die Aufnahme in diesen Club für Wikipedia allemal erwähnenswert ist? Und dies vor dem Hintergrund der aktuellen gesellschaftlichen Mega-Kontroverse um Meinungsfreiheit, die ja der Auslöser für meinen Austritt war? Jene Meinungsfreiheit, die zu verteidigen das höchste Ziel des PEN ist und die er inzwischen selbst mit Füßen tritt. 

Es ist klar, dass Herr oder Frau Blubbdidupp mich und meine Haltung geringschätzt – „reine Wichtigtuerei“. Im Frühjahr dieses Jahres habe ich versucht, meine Erwähnung des PEN-Austritts wieder in den Wikipedia-Text einzuarbeiten und darauf hingewiesen, dass es unlogisch ist, die Mitgliedschaft bei dieser Organisation für enzyklopädisch relevant zu halten, die Beendigung der Mitgliedschaft jedoch nicht. Genau zehn Minuten später wurde meine Textänderung von einem Wikipedia-Administrator verworfen. Dagegen kommt man als Betroffener nicht an. Dagegen gibt es überhaupt kein Mittel, lieber Herr Wales.

Und solange das so ist, werde ich für ein Projekt, das in vieler Hinsicht lobenswert und nützlich ist, das mich aber offensichtlich irgendeiner Gegenseite zurechnet, kein Geld mehr geben.

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Leserpost

netiquette:

Matthias Braun / 10.11.2019

” Nicht verzweifeln. Auch darüber nicht, daß du nicht verzweifelst.” ( Franz Kafka ) Bleiben Sie dran Herr Müller-Ullrich

Michael Lorenz / 10.11.2019

Das ist eine interessante Konstante: linkes Agitieren geht mit wissenschaftlich Hochwertigem gerne Hand in Hand: oft erschienen die besten chemischen Fachbücher (... allein das “Organikum”...) in einem VEB. War für Westler durchaus nützlich: die kurze Passage über den Sieg des Sozialismus überspringen, schon ging es mit exzellenter Fachliteratur weiter :-) ... und genau so muss man auch die Bolschewikipedia nutzen. Schlimm ist nur, dass Schüler mit nichts anderem als dieser Quelle arbeiten und solches Differenzieren noch gar nicht beherrschen können. Und mittlerweile glaube ich: GENAU DAFÜR existiert dieses Politwerk.

Elke Schmidt / 10.11.2019

Auch ich habe jahrelang für Wikipedia gespendet, seit die ideologische Beeinflussung immer umfangreichere Ausmaße annimmt, habe ich diese Spenden eingestellt, die gehen jetzt an die Achse und ähnlich kritische Bloggs. Gerade wurde in der WELT beschrieben, dass es sogar zu einer Erfindung eines Welt-Artikels kam um Relotius reinzuwaschen. Auch die Wiki-Beiträge um das Klima sind fest in der Hand der grünen Hilfswissenschafter, kritische Anmerkungen werden umgehend korrigiert oder entfernt. Es ist nicht länger hinzunehmen, dass eine dreiste lautstarke Minderheit mit beharrlicher Impertinenz die Meinung im Land zu beeinflussen sucht.

Wolfgang Lang / 10.11.2019

Wikipedia ist eine Propaganda-Maschine. Feliks weiss das! Es ist ausnahmslos jedem und jeder zu empfehlen den Film “Die dunkle Seite der Wikipedia” anzusehen. Das Online-Lexikon wird mehr und mehr kafkaesk. Auf deutsch: Geheimdienstgesteuert.

Detlef Rogge / 10.11.2019

Wikipedia als seriöse Quelle? Die Seriosität eines Autors beurteile ich nach seiner fachlichen Reputation. Die Wikipedia-Autoren bleiben anonym, so dass mir eine Wertung ihrer Aussagen unmöglich ist. Damit ist Wikipedia als Quelle, wie auch immer politisch ausgerichtet, von vorn herein unbrauchbar. Dann lieber einen Blick in meinen völlig veralteten Brockhaus, für die Brauchbarkeit der Informationen stand einst der Verlag mit seinem guten Namen. Wikipedia haftet für gar nichts.

Roland Müller / 10.11.2019

Wikipedia ist aus meiner Sicht zu einer Propagandaschleuder verkommen. Es gibt unzählige Beiträge, wo von dem ursprünglichen Inhalt nichts mehr zu sehen ist, weil es offenbar einige selbst ernannte Zensoren darauf anlegen, alles mit ihrem kruden links-grünen Weltbild zu versiffen.

Robert Jankowski / 10.11.2019

Sie wollen Wikipedia dazu bringen “Haltung” aufzugeben? Eine ähnliche Diskussion hatte ich vor 3 Jahren ebenfalls, weil bei Wikipedia teilweise Geschichtsklitterung stattfindet. Erfolglos. Naturwissenschaftliche Abhandlungen werden offensichtlich von haltungsbewegten grünen Lehrern verfasst, ein Graus! Ich habe vor ca. 10 Jahren mal 5€ gespendet. Nie wieder!

Tobias Kramer / 10.11.2019

Wikipedia ist zur linken Müllkippe verkommen, das muss man mal ganz klar sagen. Und nicht nur, aber besonders was deutsche Einträge betrifft. Ich hatte früher selbst eine lange Zeit Einträge selbst erstellt und gepflegt. Dann kamen immer mehr Wichtigtuer und zensierten alles trotz klarer Beleglage weg. Immer und immer wieder. Ich will gar nicht groß näher auf das Thema eingehen, aber die linke Zensur, das linke Beschönigen und Verfälschen hat aus einem anfangs sehr guten Wikipedia-Gedanke einen Schrottplatz der Eitelkeiten, Empfindlichkeiten und linker Ideologie gemacht.

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