Manfred Haferburg / 23.11.2018 / 12:00 / 19 / Seite ausdrucken

Wie unser Zusammenleben täglich neu ausgehandelt wird

Im September 2015, die Flüchtlingskrise hatte gerade so richtig begonnen Fahrt aufzunehmen, schrieb die Flüchtlingsbeauftragte der Bundesregierung und stellvertretende SPD-Vorsitzende Aydan Özoguz ein geradezu prophetisches „Strategiepapier“. Es sollte als Diskussionsgrundlage für Bundes- und Landesministerien dienen – und es las sich wie eine Art Masterplan für die gesellschaftliche Einbindung derjenigen Asylsuchenden, die in Deutschland bleiben werden. Damals wusste noch keiner, dass dies fast alle sind. Die Flüchtlingsbeauftragte fordert darin deutlich mehr Anstrengungen von Bund, Ländern und Wirtschaft. 

Özoguz’ Ausführungen enden mit einer klaren Botschaft. „Wir stehen vor einem fundamentalen Wandel. Unsere Gesellschaft wird weiter vielfältiger werden, das wird auch anstrengend, mitunter schmerzhaft sein.“ Das Zusammenleben müsse täglich neu ausgehandelt werden. Eine Einwanderungsgesellschaft zu sein heiße, „dass sich nicht nur die Menschen, die zu uns kommen, integrieren müssenAlle müssen sich darauf einlassen und die Veränderungen annehmen“, fordert Özoguz. „Schon heute hat jeder fünfte Bürger einen Migrationshintergrund: Deutschland ist längst nicht mehr der ethnisch homogene Nationalstaat, für den ihn viele immer noch halten. Es wird Zeit, dass sich unser Selbstbild den Realitäten anpasst, davon profitieren wir alle.“

Zur gleichen Zeit verkündete der damalige Vizekanzler und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel den Masterplan zur Integration der Flüchtlinge, „um den Ansturm bewältigen zu können und damit keine Parallelgesellschaften entstehen“. Der Gesetzentwurf der Änderungen in der Asylpolitik sah die drastische Kürzung der Sozialleistungen für abgelehnte Asylbewerber vor. Barzahlungen sollten durch Sachleistungen ersetzt werden. Wenn doch Geldleistungen erbracht würden, sollen diese nicht mehr mehrere Monate im Voraus, sondern nur noch für einen Monat gezahlt werden. Flüchtlinge, die über andere EU-Staaten einreisen, sollten künftig keine Ansprüche mehr laut Asylbewerberleistungsgesetz haben. Sie sollten lediglich Reisebeihilfen in Form einer Fahrkarte und Reiseproviant bekommen.

Der „schmerzhafte Teil“ des täglich neuen Aushandelns

Es wurde eine Beschleunigung von Asylverfahren versprochen, sowie unangekündigte Abschiebungen. Auch eine Arbeitspflicht für Asylbewerber wurde verkündet. Sie wurde im „Asylbewerberleistungsgesetz“ prominent an den Anfang gestellt. Der bisherige Paragraf 4 wurde zum Paragrafen 1a. Darin hieß es: „Arbeitsfähige, nicht erwerbstätige Leistungsberechtigte, die nicht mehr im schulpflichtigen Alter sind, sind zur Wahrnehmung einer zur Verfügung gestellten Arbeitsgelegenheit verpflichtet. Bei Ablehnung verwirken die Empfänger den Anspruch auf Leistungen“. Neben den Verschärfungen versprach der Entwurf allerdings auch Erleichterungen: Asylbewerber und Geduldete dürften auch als Leiharbeiter eingesetzt werden.

Kanzlerin Merkel sagte damals wörtlich: „Wir wollen denen Hilfe geben, die schutzbedürftig sind. Wir müssen aber auch denen, die nur aus wirtschaftlichen Gründen zu uns kommen sagen, um den Schutzbedürftigen helfen zu können, müssen sie auch wieder unser Land verlassen. Bund Länder und Kommunen haben sich vorgenommen, diese Aufgabe gemeinsam zu meistern…“

Seither sind drei Jahre vergangen. Jeder mag sich selbst ein Bild machen, was aus den großen Worten und den vielen Versprechungen geworden ist. Die damaligen Funktionäre Gabriel und Özoguz haben ihr Schäflein im Trockenen und sind längst nicht mehr im Amt. 

Mit dem „schmerzhaften Teil“ des täglich neuen Aushandelns des Zusammenlebens kann man inzwischen einen kleinen Friedhof füllen, und auch viele erniedrigte Frauen können ein Lied davon singen. In den letzten drei Jahren sind nicht nur viele biodeutsche Bürger, sondern auch der Deutsche Rechtsstaat durch vielfältiges tägliches Neuaushandeln voller Beulen und blauer Flecke.

Die folgende kleine Geschichte der Welt erzählt davon, wie ein „Bahn-Zustiegshelfer“ das Zusammenleben mit einem „Bahnpassagier“ in Herrsching bei München neu aushandelt. Doch die Geschichte endet zum Glück total rechtsstaatlich. 

Eine S-Bahn möchte gern abfahren. Ein „Jugendlicher“ aber blockiert die S-Bahntür für seine Kumpels. Ein „Zustiegshelfer“ der Bahn reagiert unfroh und „schubst“ den Türblockierer in die Bahn. Der geschubste Passagier spuckt wütend nach ihm, trifft aber nur eine unbeteiligte Passagierin. 

Der „Bahn-Zustiegshelfer“ mutiert spontan zum „Bahn-Ausstiegshelfer. Er zieht den Spucker an den Haaren aus dem Zug und spuckt ihm nun seinerseits mitten ins Gesicht. Es folgt eine heftige Prügelei auf dem Bahnsteig. Der Sicherheitsdienst und beherzte Bürger schaffen es nicht, die Prügelei zu beenden, die selbst auf der Polizeiwache noch nicht ganz aufhört. Denn auf der Wache rammt der „Bahnangestellte“ dem „Reisenden“ noch mal mit Schmackes den Ellenbogen ins Gesicht. 

So wird das Zusammenleben ausgehandelt, wenn ein irakischer Bahn-Zustiegshelfer auf einen womöglich somalischen Reisenden trifft.

Doch am Ende wird alles wieder voll rechtsstaatlich in Herrsching bei München. Welt-Online schreibt abschließend: „Nach Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft ließen die Beamten die beiden Streithähne vorerst laufen.

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Nina Herten / 23.11.2018

Ach, so funktioniert das ‘Aushandeln des Zusammenlebens’ also in deren Gefilden. Gut zu wissen - wir sind ja zum Glück lernfähig und integrationswillig ...

Gudrun Meyer / 23.11.2018

In einer Einwanderungsgesellschaft ist die Frage nach rechtsstaatlichen Reaktionen auf Streitereien und “Verwerfungen” falsch gestellt. Einwanderungsgesellschaften sind nichtstaatlich oder höchstens halbstaatlich. Konflikte werden zwischen tribal strukturierten Gruppen ausgehandelt. Die indigene Bevölkerung, deren Land mit kulturellen Bereicherungen geflutet wird, hat schnell nichts mehr zu sagen. Die Unberührbaren Indiens und Pakistans, die Eta in Japan und die völlig marginalisierten, meist verelendeten Indianer in Nordamerika sind Reste indigener Völker. Auch in Kanada, wo es keine Indianermassaker und keine völlige Entrechtung der Indianer gab, unterscheidet sich deren heutige Situation kaum von der der US-amerikanischen Indianer. In D, das von seiner herrschenden Clique offenbar bewusst zerstört wird, weil sonst ja die Nazis so sicher wieder an die Macht kämen wie es abends auch morgen wieder dunkel wird, liegt neben der planlosen Marginalisierung der Einheimischen auch die “antifaschistische” vor.  Wenn eine “linke” Band auf CDs “D ist Scheißäää!” und “Bullenhelme sollen fliegen!” brüllt, ist das ziemlich egal. Wenn aber der Außenminister und der Bundespräsident Reklame für diese Band machen und sie auf einem Staatskonzert “gegen Rechts” einsetzen, verrät das ihre Einstellung zu D, das sie bezahlt, und zur dt. Polizei, die sie schützt. Maas und Steinmeier halten den Noch-Staat, den sie vertreten und der sie sehr üppig aushält, für ein Stoffwechselendprodukt, das in den 2000 Jahren seiner aufgeschriebenen Geschichte permanent voll nazi war und wegmuss. Vielleicht würde auch dieser Verrat des Landes durch seine Herrscher und einflussreichen Feierabend-Historiker folgenlos bleiben, wenn er sich nicht so schön mit dem Staatszerfall durch Einwanderung und Retribalisierung träfe. “No borders,no nations” bedeutet, dass die aggressivsten unter den rivalisierenden Clans die Macht übernehmen. Ich habe den Eindruck, wir sollen das cool finden.

Marc Blenk / 23.11.2018

Lieber Herr Haferburg, und der Innenminister empfiehlt gerade, dass die Ausweisung krimineller Syrer nicht ging. Schließlich könnten dort die Dagebliebenen den Zurückgekehrten Vorwürfe machen, dass diese sie im Stich gelassen haben. Soll schon vorgekommen sein. Und das wäre ja ein furchtbarer zusätzlicher psychischer Druck für die Geflüchteten. Ansonsten beurteilt man die Lage dort als nicht wirklich einschätzbar. Auf alle Fälle bedarf es auch nicht der Geflüchteten, um Syrien wieder aufzubauen. Das sind unsere Schätzchen und das bleiben unsere Schätzchen. Die haben die verdammte Mission, Deutschland zu bereichern. Und die Seelen der guten Deutschen mit gutem Gewissen zu fluten.

armin wacker / 23.11.2018

Wo ist das Problem? Einfach die Gesetze an den neuen Sitten ausrichten. Tja warum von Vergewaltigung reden, wenn wie in München vier oder sechs Männer versuchen eine Frau glücklich zu machen. Wir müssen doch nur unsere Sprache anpassen. Nur weiter so und grün wählen.

H.Milde / 23.11.2018

Am besten sollte man sich überhaupt keine Sorgen mehr um die Meinungsverschiedenheiten auch von zugewanderten Familien machen, man kann sich Mühen und Kosten sparen, die handeln das unter sich aus, täglich, auf Schariaweise halt, kulturelle Bereicherung und Rechtssystem in einem(!), zZt aktuell in, na wo wohl? ->Berlin, wo ein SuperintegrierterBambipreisträger ein paar kleine Differenzen mit einem ehem.“Bruder” hat. Wird aber alles friedlich geregelt, sagt der Chef! Ach ich feu´ mich schon auf stimmungsvolle AdventsWeihnachtsGhettos, verziert mit tannengeschmückten MerkelPollern, Kerzen auf dem Stacheldraht, und jede Menge Sicherheitskäfte, mit Kollegen Heckler&Koch;, sofern diese auch einzusetzen wissen. Und am allerschönsten wird´s, wenn´s statt Bratwürste Halal-Sahne-FischFilets gibt.

Sebastian Beyer / 23.11.2018

Man muss dem Bahn-Zustiegshelfer lassen, dass er kapiert hat, wie der Hase läuft. Alles andere wird als Schwäche ausgelegt, und funktioniert deshalb nicht. Früher lief die Bevölkerung bewaffnet rum, wenn sie keine Lust auf solche Brachialschlägereien hatte. Damals hatte man zur Auswahl, entweder höflich zu sein, oder ging das ernsthafte Risiko ein, hinterher ein Paar Löcher im an Stellen zu haben, wo vorher keine waren. Ursprünglich war Beleidigung auch nicht strafbar, weil Beleidigungen schlimm sind, sondern, weil man den Leuten die Möglichkeit eröffnen wollte, auf eine Beleidigung mit gewaltsamer Notwehr reagieren zu können. Und davor gabs Duelle, die noch häufiger tödlich endeten, als einige im Affekt begangenen Notwehrhandlungen. Irgendwie ists schon ganz schön scheiße, wenn man dem Staat die Aufgabe zuteilt, die zivilisatorischen Gepflogenheiten durchzusetzen. Der machts dann schlecht bis gar nicht, man selbst hats längst verlernt, und man hat auch keine 30 Cousins, auf die man zurückgreifen könnte. Wenn man dann an jemanden kommt, ders noch nicht verlernt hat, ist das Geheule groß. Pech gehabt. Ihr wollt es so. Ihr habt Freiheit gegen Sicherheit getauscht, seid nun entzahnt, und lebt jetzt im sozialsten und sichersten Deutschland aller Zeiten. Aus dieser Nummer kommt Ihr nicht mehr raus. Wenn Eure Enkeltöchter Kopftuch tragen, werden sie das wegen Euch tun. Weil sie nicht so sein wollen, wie Ihr. Viel Spaß damit.

Leo Anderson / 23.11.2018

Ich habe in dem “Ausstiegshelfer” zuerst einen (ehemaligen) Russen vermutet. Die wissen sich noch zu helfen. Das Spucken fand ich dann aber doch untypisch.  Wieso “beherzte Bürger” glauben die Streitenden   trennen zu müssen verstehe ich allerdings nicht. Das verhindert doch nur die kulturell adäquate Auflösung des Konflikts und perpetuiert den Groll der Beteiligten. Wenn nach dem “Last-man-standing” -Prinzip gehandelt wird, hat am Ende einer gesiegt und ist zufrieden, der andere hat was dazu gelernt und kein Unbeteiligter hat sich Schrammen geholt. Win-win-win ...

H.Milde / 23.11.2018

Gemäß Scharia dürfte alles iO sein, da wohl beide keine deformierten Sitzpinkler und rechtgläubig sind? Deutsche Gerichtsbarkeit brauch man also auch nicht, macht die Sache billiger. Vielleicht sollte man mehr von diesen robusten Zugereisten im Sicherheitssektor einstellen, soz. als orientalische JudgeDredd´s? Ein “Kartoffel” hätte wahrscheinlich ´ne deftige Strafanzige und schwere Verletzungen kassiert, sowie ein Kübel Fäces über den Kopf von linksgrünen BerufsEmpörten.

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