Von Adrian Müller.
Die Errichtung der „Unabhängigen Expertengruppe gegen Muslimfeindlichkeit (UEM)“ wurde vom Innenminister Seehofer als Reaktion auf den Terroranschlag von Hanau im Februar dieses Jahres beschlossen, diese wird im Herbst ihre Arbeit aufnehmen.
Der Vorsitzende des ZMD Aiman Mazyek forderte nach Hanau die Einrichtung einer Enquete Kommission zu Islamfeindlichkeit und bezeichnete die Tat von Hanau als Ergebnis unterschätzter Islamfeindlichkeit. Die Aufforderungen der Islamverbände zu ihrer Bekämpfung bestanden jedoch schon lange vor Hanau, denn sie wurden bereits Jahre zuvor im Rahmen der Deutschen Islam Konferenz (DIK) von DITIB und ZMD erhoben. Ihnen kommt Seehofer mit der Etablierung der Expertengruppe auf Grundlage der DIK nun nach.
Offiziell soll die UEM aktuelle und sich wandelnde Erscheinungsformen von Muslim- und Islamfeindlichkeit eingehend analysieren. Dabei sollen auch Schnittmengen mit antisemitischen Haltungen untersucht werden. Der UEM solle nach 2 Jahren einen Bericht erarbeiten, der Empfehlungen für den Kampf gegen „antimuslimischen Hass und islamfeindliche Ausgrenzung“ gibt. Zur unabhängigen Expertenkommission gehören folgende 12 Personen mit „breiter Expertise“:
- Prof. Dr. Iman Attia, Alice Salomon Hochschule Berlin
- Karima Benbrahim, Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit e.V. (IDA)
- Saba-Nur Cheema, Bildungsstätte Anne Frank e.V.
- Dr. Yasemin El-Menouar, Bertelsmann Stiftung
- Prof. Dr. Karim Fereidooni, Ruhr-Universität Bochum
- Prof. Dr. Kai Hafez, Universität Erfurt
- Özcan Karadeniz, Verband binationaler Familien und Partnerschaften e.V.
- Prof. Dr. Anja Middelbeck-Varwick, Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am Main
- Nina Mühe, CLAIM – Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit
- Prof. Mathias Rohe, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
- Prof. Dr. Christine Schirrmacher, Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
- Dr. Yasemin Shooman, Deutsches Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM)
Einerseits ist es zu begrüßen, dass die Bundesregierung Muslime genau wie jede andere Bevölkerungsgruppe vor Diskriminierung und Gewalt schützt. Andererseits steht bei der geplanten Expertengruppe zu befürchten, dass damit andere Absichten verfolgt werden.
Jede Kritik am Islam und am Islamismus unerwünscht
Wenn man sich mit den eingebundenen Personen des UEM befasst, trifft man direkt auf die Organisation „CLAIM“ mit Nina Mühe als Vertreterin. CLAIM ist ein Bündnis aus mehreren Organisationen, die es sich zum Ziel gesetzt haben, die Politik im Hinblick auf die Bekämpfung von „antimuslimischen Rassismus“ zu beeinflussen.
Der Plan, mit dem Kampf gegen Islamophobie und Islamfeindlichkeit politische Unterstützung zu erreichen, um so mehr Einfluss zu gewinnen und sich selbst Legitimität zu verschaffen, ist eine bekannte Strategie legalistischer Islamisten und von muslimbrudernahen Organisationen.
Die Islamismusexpertin Herrmann-Marshall berichtet, dass CLAIM klare Bezüge zur Muslimbruderschaft und zur Milli Görus aufweist. Der Politologe Carsten Frerk schildert die islamistische Entstehungsgeschichte von CLAIM sehr anschaulich. Eine maßgebliche Rolle in der Gründung und Verwaltung bei CLAIM spielt der Verein Inssan, der vom Verfassungsschutz dem Organisationsspektrum der Muslimbruderschaft zugerechnet wird. Trotzdem wurde CLAIM bisher mit Steuergeldern von über 300.000 Euro durch das Programm „Demokratie Leben“ sowie durch die Stiftung Mercator gefördert. Weitere 1.050.000 Euro erhält CLAIM im Rahmen von „Demokratie Leben“ mit direkter Unterstützung von Familienministerin Giffey als wichtigste Säule des neu geschaffenen „Kompetenznetzwerk Islam- und Muslimfeindlichkeit“.
Wenn man sich genauer mit CLAIMs Agenda befasst, erkennt man, dass es hierbei nicht um den Kampf gegen Rassismus, gegen Übergriffe oder gegen Diskriminierung geht. Das eigentliche Ziel ist es, jede Kritik am Islam und am Islamismus zu diskreditieren.
Dazu wird bei CLAIM „antimuslimischer Rassismus“ so definiert, dass er „Islamfeindlichkeit“ miteinschließt. Islamfeindlichkeit äußert sich für CLAIM, wenn pauschale negative Urteile über den Islam verbreitet werden oder der Islam als Teil der Sicherheitsdebatte thematisiert wird.
Wer den Islam als Gefahr einschätzt, wird ausgegrenzt
Was im Falle des Christentums als Religionskritik einen elementaren Bestandteil der westlichen Kultur darstellt, wird beim Islam als antimuslimischer Rassismus gebrandmarkt. Wenig überraschend wird von CLAIM bei der Islamdebatte ein „vulgär-aufklärerischer Diskurs“ von säkulärer Seite beklagt, der als „antimuslimischer Rassismus“ problematisiert wird.
Eine thematische Auseinandersetzung mit der Ideologie des Islamismus sei nur dann legitim, falls sie keine „Islamfeindlichkeit / Muslimfeindlichkeit / antimuslimischen Rassismus“ beinhalte und daher keine „pauschalen Urteile“ über den Islam oder Muslime enthalte.
In Summe behauptet CLAIM: Wer den Islamismus ungeschönt als ernstzunehmende, sicherheitsrelevante Gefahr einschätzt und dabei nicht dem Zwang zur Islambeschönigung als notwendiges Gegenmittel gegen einen angeblichen dominanten „antimuslimischen Rassismus“ nachkommt, der handele als antimuslimischer Rassist und gehöre daher bekämpft. Wenig überraschend arbeitet bei CLAIM für das Projekt I-Report auch der Politikwissenschaftler Farid Hafez, der skandalträchtige Autor des jährlich erscheinenden Islamophobie-Berichts. Hafez trat auch auf der Gründungsveranstaltung von CLAIM auf.
Pro-islamistisches Framing
Farid Hafez ist dafür bekannt, in seinen Berichten Kritiker der türkischen Regierung und säkuläre Menschenrechtsaktivisten als islamophobe Rassisten zu denunzieren. In vergangenen Jahren wurde sein Bericht, der im Auftrag der AKP-nahen SETA-Stiftung erscheint, durch die EU gefördert.
Wenig überraschend bezeichnet Farid Hafez die Absichtserklärungen der neuen österreichischen „Dokumentationsstelle zum politischen Islam“ als Ausdruck einer rassistischen, islamfeindlichen Agenda. Dass die ÖVP entschieden gegen den politischen Islam vorgehen will und sich dabei auch dem legalistischen Islamismus widmet, sieht Hafez als Verfolgungswahn und als Beweis für islamophoben Rassismus an. Für Hafez ist die Verwendung des Begriffs „politischer Islam“ selbst Ausdruck von Islamfeindlichkeit und antimuslimischen Rassismus. Gemeinsam mit CLAIM erarbeitet Hafez die wissenschaftliche Definition von „antimuslimischem Rassismus“, die jede Art von Auseinandersetzung mit dem Islamismus als „antimuslimischen Rassismus“ und „Muslimfeindlichkeit“ diskreditiert. Mit diesem explizit pro-islamistischen Framing von Rassismus und Islam schließt CLAIM an eine lange Vorarbeit an.
Zu diesen pro-islamistischen Vorarbeitern gehört auch der Medienwissenschaftler Prof. Dr. Kai Hafez.
Kai Hafez ist ebenfalls von Seehofer in die UEM berufen worden und fungiert als Partner von CLAIM, bei dessen politisch-medialen Auftaktveranstaltung im bpb-Forum Berlin er sich für die Ziele von CLAIM stark machte. Für ihn sind ablehnende Haltungen zum Islam sowohl Bestandteil von „Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“ als auch ein Kennzeichen von Rassismus. Laut von Kai Hafez durchgeführten Studien prägen diese von ihm als „Mainstreamislamfeindlichkeit“ bezeichneten Einstellungen die gesamte deutsche Gesellschaft und auch die „Bürgerliche Mitte“. Die Mehrheit der Deutschen sei gemäß Hafez anfällig für „Islamfeindlichkeit“, weil sie angeblich falsches Wissen über den Islam besitze. Daran trage eine Medienagenda mit einer extrem verengten Sicht auf die islamische Welt und den Islam Schuld. Kai Hafez beklagt nicht nur eine angebliche „islamophobe“ Berichterstattung der Medien, welche durch die Thematisierung von „Terror, Salafismus und Frauenunterdrückung“ ein negatives Islambild erzeuge. Er geht noch weiter, indem er die Thematisierung von Problemen dafür verantwortlich macht, dass der Islam einen schlechten Ruf hat und Rassismus gegenüber Muslimen zunehme.
Nicht die Existenz von Terror, Salafismus und Frauenunterdrückung im Namen des Islams ist laut Hafez das Problem, sondern dessen mediale Rezeption. Um gegen angeblich zunehmenden Rassismus vorzugehen, ruft er dazu auf, die Berichterstattung auf ein insgesamt positives Bild des Islams einzuschränken.
Eine weitere pro-islamistische Vorarbeiterin von CLAIM ist die Professorin Iman Attia, ebenfalls Mitglied des UEM.
Dekolonial, intersektional und postkolonial
Laut Selbstbeschreibung widmet sich Iman Attia den Themen intersektionale Rassismusforschung und -theorien, Orientalismus, Postkolonialismus und Dekolonialität an der Alice-Salomon-Hochschule Berlin. Attia gehört dem „Expertengremium Islamfeindlichkeit“ von CLAIM an und veröffentlicht in dem von Farid Hafez herausgegebenen „Jahrbuch der Islamophobieforschung“. In dem gleichen Journal veröffentlichen zwei weitere Mitglieder des UEM, Prof. Dr. Karim Fereidooni und Dr. Yazemin Shooman. Attia setzt die Verwendung des Begriffes „Antimuslimischer Rassismus (AMR)“ bewusst ein. Sie will mit dem Ausdruck von „AMR“ betonen, dass die gesamte Gesellschaftsstruktur vom systematischen Rassismus gegen Muslime durchdrungen sei.
Laut Attia findet eine Dämonisierung und ein rassistisches „Othering“ von Muslimen statt, was sich in der öffentlichen Thematisierung der Islamdebatte offenbare. Attia hat wesentlich den Begriff „AMR“ im deutschsprachigen Raum geprägt, da sie ihr Konzept von „AMR“ seit beinahe drei Jahrzehnten im Rahmen ihrer Arbeit verbreitet. Attias Definition von „AMR“ liegt ein kulturrelativistisches Hegemoniekonzept zugrunde, bei der es um die Dominanz von Narrativen aus postmoderner Perspektive geht. Folglich läuft das Konzept von „AMR“ auf eine Immunisierung vor Kritik für Muslime und den Islam hinaus, da Muslime gemäß der Kritischen-Rassismus-Theorie (CRT) stets Leidtragende eines diskriminierenden Machtgefälles in der Gesellschaft sind.
Im Interview hält Attia jede Form von Kritik am Islam für überflüssig. Islamkritik stelle nur eine beschönigende Hülle für „AMR“ dar. Gezielt werden so auch atheistische oder frauenrechtliche Kritiker sowie reformorientierte Muslime genau wie extremistische Verschwörungstheoretiker als antimuslimische Rassisten diffamiert.
Laut Prof. Dr. Armin Pfahl-Traughber offenbart sich bei Attia ein gefährlicher antiindividualistischer, kulturrelativistischer Kollektivismus, der direkt in den Menschenrechtsrelativismus führe. Dieser Menschenrechtsrelativismus des dekolonialen „Antirassismus“ gefährde die Grundlagen eines pluralistischen Miteinanders. Laut Selbstbeschreibung will Iman Attia „Handlungsvorschläge“ gegen „Antimuslimischen Rassismus“ im Rahmen der UEM entwickeln.
Pro-islamistische Diskurshoheit
Dabei wird sie im UEM unterstützt von Dr. Yasemin Shooman, der Geschäftsführerin des DEZIM-Instituts. Shooman schrieb 2014 ihre Doktorarbeit zum Thema „...weil ihre Kultur so ist. Narrative des antimuslimischen Rassismus" unter Betreuung von Iman Attia. Unter Shoomans Leitung des Programms für „Migration und Diversität“ wurde das Jüdische Museum Berlin zu einer Plattform für Erdoganunterstützer wie Kübra Gümüşay und Farid Hafez. Im Rahmen der Konferenz „Living with Islamophobia“ konnten diese dort zusammen mit Iman Attia antimuslimischen Rassismus als Äquivalent zum Antisemitismus darstellen und den politischen Islam verharmlosen. Ideologisch sind Shooman und Attia auf einer Linie. Jede Form von Kritik am Islam gilt als antimuslimischer Rassismus und als Treiber von Rechtsextremismus. Shoomans postkoloniale kulturrelativistische Weltanschauung teilen auch Karima Benbrahim, Karim Fereidooni und Ökzan Karadeniz.
Mit Shooman, Attia, Hafez und Mühe wird die UEM zum Instrument der konservativen erdogantreuen Islamverbände: Mit allen Möglichkeiten werden der Islam und die Islamverbände vor Kritik geschützt und eine pro-islamistische Diskurshoheit durch das Konzept des „Antimuslimischen Rassismus“ erreicht. Dort ausgearbeitete Handlungsvorschläge kommen nicht dem Schutz von Muslimen vor Diskriminierung zugute, sondern erleichtern für Organisationen des politischen Islams den Weg zu staatlicher Unterstützung. Dabei wird die Forderung für die Abschaffung des Neutralitätsgesetzes, nach islamfreundlicher Berichterstattung und nach der Ausdehnung der Kirchenprivilegien auf die Islamverbände nur der Anfang sein.
Vor einigen Jahren hatte die CSU unter Seehofer noch ein entschlossenes Vorgehen gegen den politischen Islam angekündigt. Absurderweise ist es nun ausgerechnet Seehofer, der ein offizielles Gremium zur Bekämpfung von „Muslimfeindlichkeit“ verantwortet, das von pro-islamistischen und postkolonialen Aktivisten dominiert wird. Möglicherweise ist es bereits die Angst, selbst als islamfeindlicher Rassist diskreditiert zu werden, die Seehofer zum Erfüllungsgehilfen von Vertretern des politischen Islam werden lässt. Wer sich über die Agenda des UEM empört, läuft von nun an Gefahr, von offizieller Regierungsseite als „antimuslimischer Rassist“ gebrandmarkt zu werden.
Dieser Artikel ist zuerst in der Dezember-Ausgabe der Jüdischen Rundschau erschienen.