Cora Stephan / 18.11.2010 / 10:50 / 0 / Seite ausdrucken

Wie man sich erfolgreich zur Ikone stylt

Ja, Alice Schwarzer hat sich große Verdienste erworben. Sie ist ein Erfolgsmodell, das frau sich genau anschauen sollte, wenn sie lernen will, wie’s geht: Wie man sich als Inkarnation und Ikone einer Bewegung installiert, die geltend macht, die Interessen von mehr als die Hälfte der deutschen Bevölkerung zu vertreten. Wie man alle Konkurrentinnen um diese Position nachhaltig wegbeißt. Wie man mächtige Bündnispartner gewinnt. Wie man sich unangreifbar macht. Wie man damit ganz gut verdient.
Denn Frauen hat Alice Schwarzer am wenigsten gebraucht für ihren unaufhaltsamen Aufstieg zur Promifrau. Im Gegenteil…

Von Beginn an machte sie sich zur Linienrichterin, die unter dem Schlachtruf „Frau sein allein genügt nicht“ die Genossinnen mit harter Hand auf ihre, die einzig richtige Linie also, einschwor. Alle, die nicht drauf waren, wurden im Zentralorgan „Emma“ als Kollaborateurinnen mit dem Feind entlarvt.
So agiert sie noch immer, wie ihr jüngster Ausbruch gegen Frauenministerin Kristina Schröder zeigt, die der grossen alten Dame des Feminismus respektvoll zu widersprechen wagte. Damit erweise Schröder sich als „schlicht ungeeignet“, sie solle besser Pressesprecherin der „rechtskonservativen Männerbünde“ werden. Ja, so kennen wir sie, unsere Alice! Die selbstbestellte Nachfolgerin in der „Emma“-Redaktion, Lisa Ortgies, hielt die Patronin schon nach einer Woche für „überfordert“ und jagte sie auf eine Weise von dannen, die sich kein Mann erlauben dürfte.
Der Protest dagegen blieb verhalten. Wie Joschka Fischer profitiert auch Alice Schwarzer von jener geheimnisvollen Omertá der Weggenossen: selbst die Opfer dieses Werdegangs schweigen eisern. Und will man sich vielleicht vorwerfen lassen, mit einer Kritik an den Ikonen der Bewegung dem Gegner zu dienen?
Schwarzer hat sich unangreifbar gemacht. Und so, wie Atomkraftwerke im Sozialismus schlagartig ungefährlich werden, ist es politisch völlig unanstößig, für die „Bild“-Zeitung zu werben, sofern Alice Schwarzer es tut.
Der Feind, der Mann, sah und sieht das alles ganz gelassen – achwas: er sieht das gar nicht ungern. Während sich einige Mitkämpferinnen aus der Frauenbewegung noch eine Weile wehrten gegen ein paar (damals heftig umstrittene) Kampfthesen a la „Alle Männer sind potentielle Vergewaltiger“, fielen ihnen die Männer reihenweise in den Rücken. Sie schienen zu glauben, „den Frauen“ entgegenzukommen, wenn sie noch den abstrusesten Thesen zustimmten, die Heterosexualität als Unterwerfung der Frauen unter die Männer denunzierten. Da mußte man dann über das andere Gedöns nicht mehr groß diskutieren.
Denn das ist das Schöne an den Männern: Sie können strategisch denken. Sie haben früh erkannt, daß der Kampffeminismus a la Schwarzer entlastet - nämlich sie. Nicht nur, weil keine Frau es gelassen nimmt, wenn man ihren Vortragsstil mit dem eines keifenden Marktweibs vergleicht, also mit der Furie Alice Schwarzer. Sondern weil man mit den großen Zugeständnissen an „die Sache“ von den Mühen der Ebene so fein ablenken kann.
Wer will noch über so Kleinigkeiten wie geteilte Arbeit im gemeinsamen Haushalt streiten, wo es doch um Grundsätzliches geht – ums Herrschafts- und Unterdrückungsverhältnis? Wer will noch den heterosexuellen Elternalltag aushandeln, an dem frau schliesslich selbst schuld ist, warum hat sie sich darauf auch eingelassen – wo es doch um den politischen Kampf weltweit geht? Für ihren Hinweis darauf, daß man gern auch das Private geklärt haben möchte, ohne es stets als Politisches diskutieren zu müssen, strafte Alice Schwarzer denn auch jene jüngeren Frauen ab, die sich der Verpflichtung aufs Grosse Ganze zu entziehen versuchten. „Post-Girlies“ seien das, schimpfte die weise Frau, die sich „ausschliesslich für ihre ganz persönlichen Belange, sprich: für Karriere und Männer“ interessierten.
Solche Frauen aber sind fürs Patriarchat in Wirklichkeit eher unbequem. Prima sind Frauen, die Männern keine Konkurrenz machen, etwa, indem sie sich mit feministischem Spezialistentum fernab weiblicher Lebenswirklichkeit einen der wenigen Frauenlehrstühle erobern, in Konkurrenz zu anderen Frauen. In der akademischen Welt glauben die meisten Männer gern, dass damit alle weiteren weiblichen Ansprüche auf Teilhabe abgegolten sind. Ein perfekter Deal.
Das muss wohl auch die Stadt Köln und den Mäzen Jan Philipp Reemtsma bewogen haben, der Ikone Millionenbeträge und eine Bleibe im „Bayen-Turm“ zur Verfügung zu stellen, als ob das schwer zugängliche „Frauen-Archiv“ mehr als ein Feigenblatt und also von allgemeinem Belang wäre. So ist man andere Ansprüche anderer los. Cool!
Schwarzer kann eben mit Männern. Und am besten ist sie, wenn sie eine potentielle Konkurrentin niedermacht. Wer sie kürzlich in einer Talkshow über den Kachelmann-Prozess gesehen hat, hat gewiss bemerkt, dass sie mit den männlichen Diskutanten respektvoll, ja geradezu flirtiv umging. Attackiert wurde die einzige Frau in der Runde, Gisela Friedrichsen, die unter dem Redeschwall der entfesselten Furie alsbald fassungslos verstummte.
Alice Schwarzer hat sich erfolgreich als Marke etabliert. Ihr geht es um sich, um nichts anderes. Das sollte man ihr nicht verübeln. Egoismus ist legitim. Kritisieren wir sie also dafür nicht: Denn von Alice lernen, heisst siegen lernen. Sucht euch ein moralisch und politisch in sich gerechtfertigtes Anliegen, macht euch zur einzigen legitimen Vertreterin dieser Idee auf Erden und ihr habt es geschafft, Mädels. Da ist noch weit mehr zu holen als ein Job als „Gleichstellungsbeauftragte“!
Die Sache mit dem Mülleimerruntertragen, ehrlich, ist wirklich nicht so wichtig.
Erschienen in Focus, 15. November 2010
Mehr auf Blogisch.

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Cora Stephan / 08.03.2024 / 06:15 / 49

Männer! Richtige Männer! Es gibt sie noch!

Botschaft an alle Männer, die heimlich daran zweifeln, dass es 99 Geschlechter gibt, ein Mann per Selbstermächtigung zur Frau wird und Frauen die besseren Menschen…/ mehr

Cora Stephan / 29.02.2024 / 11:00 / 51

Daniela Klette und der vergessene Linksextremismus

Die Innenministerin ist voll des Lobes angesichts der Festnahme von Daniela Klette, 65 Jahre alt, Mitglied der RAF, Dritte Generation. Fahndungserfolg nach nicht einmal 30…/ mehr

Cora Stephan / 15.02.2024 / 06:05 / 65

Toxische Weis(s)heit: Die Heuchler von Ulm

Eine Stadt die in der Coronazeit durch besonders rigide Freiheitseinschränkungen von sich reden machte, setzt sich plötzlich für „Vielfalt und Demokratie“ ein. Ulm ist ein…/ mehr

Cora Stephan / 10.02.2024 / 12:00 / 36

Merz in Grün?

Was geht im Kopf eine Politikers wie Friedrich Merz vor, der die Grünen erst zum Hauptgegner erklärt und dann eine Koalition mit ihnen nicht mehr…/ mehr

Cora Stephan / 25.01.2024 / 10:00 / 35

Preisverleihungen nur noch auf Bewährung!

Wer einen Preis verliehen bekommt, weil er was besonderes geleistet hat, sollte sich sehr genau überlegen, mit wem er künftig redet. Sonst ist der womöglich…/ mehr

Cora Stephan / 11.01.2024 / 10:00 / 55

Bauer, Trecker, Fußtritt

Was derzeit bei den Bauern los ist, hat eine weit längere Vorgeschichte als der Versuch einer unfassbar täppisch agierenden Regierung, bei den Landwirten Steuervergünstigungen und…/ mehr

Cora Stephan / 04.01.2024 / 16:00 / 10

Was soll das sein, ein neues Jahr?

Will jemand ernsthaft behaupten, das bloße Auswechseln der letzten Zahl des Datums bedeute bereits etwas wirklich und wahrhaftig ganz anderes? An die Magie von Zahlen…/ mehr

Cora Stephan / 21.12.2023 / 10:00 / 82

Stimme der Provinz: Mit Bauern spaßt man nicht!

Fast hat er mir leid getan, der brave Cem, als er mit erstarrtem Gesicht der Tirade des Bauernpräsidenten Rukwied zuhören musste. Bauern können sehr laut…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com