Wie EU-Überwachung die Bauern schikaniert

Für viele Bauern sind EU-Agrarsubventionen überlebensnotwendig. Doch um diese zu erhalten, müssen sie ihren gesamten Anbau online übermitteln. Überwacht wird das ganze per Satellit – mit schwerwiegenden Fehlern.

Dass die Bauern gerade aufgrund von (ursprünglich geplanten) Streichungen von Agrardiesel-Subventionen und einem Wegfall der Kfz-Steuer scharenweise auf die Straße gehen, weiß mittlerweile wohl jedes Kind. Was allerdings nur die wenigsten wissen dürften, ist, wie sehr die Landwirte in der EU auch noch auf ganz andere Weise drangsaliert und überwacht werden. Damit sie in den Genuss von EU-Agrarsubventionen, die für viele von ihnen überlebensnotwendig sind, gelangen, sind sie zur Übermittlung ihres gesamten Anbaus via Internet verpflichtet. Konkret müssen sie ihrem zuständigen Landwirtschaftsamt mitteilen, was sie auf welchem Feld anpflanzen und auch auf welche Art und Weise. Bis ins kleinste Detail haben sie etwa über die sogenannte Fruchtfolge Auskunft zu geben, das heißt, in welcher zeitlichen Reihenfolge die jeweiligen Nutzpflanzen auf einer Fläche angebaut werden. 

Auch gilt es, Umweltauflagen einzuhalten, welche „wirklich der Natur und dem Klimaschutz dienen“, wie zumindest der Deutschlandfunk behauptet. Dazu gehört eine extensive Bewirtschaftung von Wiesen und Weiden, was im Klartext bedeutet, dass man nur besonders wenig Dünger benutzen und weitestgehend auf Pflanzenschutzmittel verzichten muss – was den Ertrag im Vergleich zur intensiven Landwirtschaft schmälert. Auch sollen diverse Artenschutzauflagen eingehalten werden.

Satelliten ersetzen Agrarbeamte – und scheitern kolossal

Da aus Sicht der EU Vertrauen gut, Kontrolle jedoch besser ist, werden sämtliche Angaben der Landwirte natürlich auch auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüft. Aus diesem Grund werden alle Agrarflächen der EU seit 2023 stetig von zwei ESA-Satelliten aus dem All überwacht sowie fotografiert, und nicht mehr wie einst von Agrarbeamten, welche zu den Höfen fuhren und Kontrollen vor Ort durchführten. 

Seitdem dies von den Satelliten erledigt wird, kommt es jedoch immer wieder zu folgenschweren Pannen. Das auf Künstlicher Intelligenz basierende Satelliten-Flächenmonitoring erkennt nämlich oft nicht, was auf den jeweiligen Feldern wirklich angebaut wird und verwechselt etwa – so geschehen bei dem Miltenberger Landwirtschaftsmeister Markus Link – Wintergerste mit Weizen oder Öllein mit Mais. Dies führt zu einer Benachrichtigung der Landwirtschaftsämter und an die Landwirte selber. So erhält Landwirt Link in der vom Amt erstellten digitalen Übersicht über all seine Anbauflächen diverse „rote Ampeln“, welche ihm seine „Fehler“ vor Augen führen, die in Wirklichkeit aber gar keine Fehler sind, jedenfalls nicht seine. Doch ehe sich das Missverständnis nicht geklärt hat, gibt es natürlich auch keine Subventionen, was im Falle von Link ca. 200 Euro pro Hektar beziehungsweise 30.000 Euro pro Jahr sind.

Um dieses Missverständnis aufzuklären, soll er sich eine App des bayerischen Landwirtschaftsministeriums herunterladen und dort selbstgemachte Fotos übermitteln, welche eindeutige Auskunft über seine Felder und deren Anpflanzungen gibt. Konkret muss er ein Panoramafoto der Fläche und eine Nahaufnahme von der jeweiligen Pflanze machen. Link sieht es jedoch überhaupt nicht ein, sich dieser „gläsernen Landwirtschaft“ zu beugen, lieber nehme er monetäre Sanktionen in Kauf, als sich selbst zu kontrollieren. Es gelte, sich dieser Gängelung und dem damit verbundenen Misstrauen den Bauern gegenüber zu widersetzen. „Wenn sie es schon digital machen wollen und mit dem Satellit, dann sollen sie es so machen, dass es auch funktioniert und nicht uns noch mehr beschäftigen“, so der aufgebrachte Landwirt im Interview mit dem Bayerischen Rundfunk. „Das kostet alles unsere Zeit, für die uns keiner bezahlt.“

Landwirt Reinhard Jung klagt gegen Foto-App

Der brandenburgische Landwirt Reinhard Jung sieht das ganz ähnlich und verklagt sogar die für sein Bundesland eingeführte Foto-App. Beim Verwaltungsgericht Potsdam hat er eine Musterklage eingereicht, um sich gegen den Zwang zur Benutzung der App und zur Übermittlung von selbstgemachten Fotos zur Wehr zu setzen. „Wir wehren uns gegen die totale Überwachung unserer Betriebe durch den Staat und weisen den darin zum Ausdruck kommenden pauschalen Verdacht zurück, wir würden falsche Angaben machen oder die bestehenden Vorgaben nicht einhalten“, begründet Jung seine Klage. Auch werde durch diese App der Datenschutz missachtet. 

Die Interessensorganisation, der der Bauer angehört, „Die Freien Bauern“, möchte ferner dafür sorgen, dass die Pflicht zur Agrarkontrolle via Foto-App deutschlandweit abgeschafft wird. Damit sich möglichst viele Bauern dieser Schikane zur Wehr setzen, haben die Freien Bauern ein Musterschreiben angefertigt und frei ins Netz gestellt, mit dem die Landwirte sich an ihre zuständige Agrarverwaltung wenden können.

Ministerien begrüßen digitale Gängelung der Bauern

Die Landwirtschaftsministerien selbst empfinden die Kontroll-App natürlich als tolle Sache. Sie würde die Betriebe entlasten, da der meist viel Zeit kostende und für sie „emotional belastende“ Besuch der Beamten obsolet werde. 

Auch sorge die App für eine bessere Kommunikation zwischen Behörden und Bauern, denn schließlich könnten diese ihre gemachten Angaben problemlos „berichtigen“, ohne dass ihnen Sanktionen drohten. Dass es aber ohne die auf Künstlicher „Intelligenz“ basierenden Satelliten oft überhaupt nichts zu „korrigieren“ gäbe, erwähnt man hier besser nicht. 

Laut einer Sprecherin des Ministeriums würde sich das Gros der Landwirte sehr gut mit der App arrangieren, so als ob es keine schweigende Mehrheit gäbe, die sich aus Zeitmangel oder Angst vor Drangsalierung fügt, genau wie wir es bei  Corona erlebt haben. Auch weist die Sprecherin darauf hin, dass nicht nur die Ackerflächen aller Bundesländer, sondern sogar sämtlicher EU-Mitgliedsländer von Satelliten aus dem All permanent überwacht würden. Wenn es also alle betrifft, gibt es wohl keinen Grund zur Beschwerde, frei nach dem Motto: geteiltes Leid ist halbes Leid.

Erst durch Geldeinbußen auf der Straße

Um die Perspektive der zitierten Mitarbeiterin des Ministeriums zu stützen, verweist der Bayerische Rundfunk auf die Schafhalterin Angela Wunderlich aus dem oberfränkischen Landkreis Lichtenfels, welche die Eigenkontrolle via Foto-App „vertretbar“ findet. Denn auch sie erhielt diverse „rote Ampeln“, da die Satelliten ihren Klee-Acker für Mais hielten. Wunderlich verschwendet jedoch keine großen Gedanken daran, ob diese Maßnahme gerechtfertigt ist oder nicht, da ihr ja „gar nichts anderes übrig“ bleibe, „als die digitale Selbstkontrolle mitzumachen“, andernfalls gebe es keine für sie existenznotwendigen staatlichen Fördergelder sowie Flächenprämien. Bauern wie Angela Wunderlich, die sich ohne Widerspruch an die Regeln halten, gibt es sicherlich einige. Das heißt aber noch lange nicht, dass sie die Foto-App befürworten, sie nehmen sie nur hin.

Bei solchen Schikanen fragt man sich, warum eigentlich nur wegfallende Subventionen und eine Kfz-Steuer Anlass für die Bauern sind, um auf die Straße zu gehen? Ganz abgesehen davon zeigen die fehleranfälligen Satelliten, wie ausbaufähig die Künstliche Intelligenz oftmals noch ist, da man es eben nicht mit Menschen aus Fleisch und Blut zu tun hat, welche eigenständig denken können, wohingegen die Satelliten und sonstigen Geräte einfach nur schlicht programmierte Maschinen sind, die (noch) nicht in der Lage sind, aus hunderten von Kilometern Entfernung festzustellen, ob auf einer Wiese nun Schafe oder Kühe weiden oder ob auf einem Acker Mais oder Gerste wächst. 

 

Beate Steinmetz, geb. 1989 in Frankfurt am Main und heute wohnhaft in Rheinhessen, ist studierte Politikwissenschaftlerin und Amerikanistin

Foto: Montage Achgut.com

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A.Schröder / 11.01.2024

Rechtzeitig zu den Bauerprotesten erschien ein interessanter Artikel von Thomas Röper. Er beleuchtet etwas anders als die achse das Höfesterben, nicht nur in Deutschland.

Gabriele Klein / 11.01.2024

Danke für den interessanten Artikel!  Jetzt wäre meine Frage wie so oft, woher genau kommt die idee und wer finanziert die Sateliten letztlich? Datenschutz? Was ist mit den Spaziergängern aufm Feldweg? Jenen die sich auf d. Bank am Waldesrand küssen? Dem der gerade seine Notdurft im Feldgraben oder hinter d. angrenzenden Hecke verrichtet? AAAAH Stickstoffabdruck. AAHA !!.  An die namenlose Graue Eminenz hinter der EU, bitte seins doch so nett und tretens ans Licht, damit wir sehn wer Sie sind!

B. Ollo / 11.01.2024

@Helmut Moeller, was daran anrüchig ist? Das ist wohl eine Frage des Geruchssinns, wenn Sie einen haben. In einem mir bekannten Neubaugebiet gab es die Auflage der Begrünung von Garagen und Flachdächern. Um die Umsetzung zu überprüfen schickte die Stadt Bedienstete mit Drohnen los, die über die Grundstücke flogen und munter Aufnahmen machten. Quod licet Iovi, non licet bovi ... oder was? Leider war ich nicht da, um mir die Namen zu notieren. Dann wüsste ich jetzt, über wessen Grundstück man jederzeit seine Drohnen spazieren fliegen kann. Es kann sich jedenfalls kein Häuslebauer daran erinnern eine rechtsverbindliche Erklärung abgegeben zu haben, die es Stadtbediensteten erlaubt, dass Drohnenfliegen über dem eigenen Haus zu lernen. Was die Felder betrifft, stellt sich da auch die Frage, wer da eigentlich Zugriff auf die Daten hat. Die Daten enthalten schließlich auch Informationen über die Bodengüte, Feuchtigkeit, Erträge usw. . Wer garantiert, dass die Daten sicher sind? Bei Google Streetview können Sie widersprechen und Löschung verlangen.

P. F. Hilker / 11.01.2024

Gegen die Digitalisierung gibt es nichts einzuwenden. Gegen den Sozialismus der EU schon. Es müsste Freie Marktwirtschaft gelten. Keine Subventionen. Nirgendwo.———That’s it.

A. Ostrovsky / 11.01.2024

Alles schlimm. Ich möchte hier nur mal anmerken, dass die Bauern garantiert keinen EU-Austritt Deutschlands wollen können. Das “Bauernsterben” ist in Wahrheit eine Zentralisation und Konzentration. Es werden weniger Firmen, aber die Landwirtschaftsfläche wird nicht geringer. Das ist das Ergebnis eines Kampfes, bei dem nur die überleben, die am besten die Subventionen abfassen können. Da gibt es keinen Unterschied mehr zu Gewerbe und Industrie. Wer sich gegen die Inbesitznahme durch die EU gewehrt hat, hat seinen Hof längst verloren. Und nun die Umkehrung der Logik: Weil die Bauern keinen EU-Austritt wollen, kann der “Protest” nicht in meinem Sinne sein. Ich möchte dann nicht auch noch weitere Einschränkungen hinnehmen müssen, weil die Bauern demonstrieren, dass ihnen die Subventionen (der EU und der Bundesregierung und eventuell ihrer Landesregierungen) nicht gekürzt werden. Solidarität ist nur möglich, wenn die grundlegenden Interessen nicht unlösbar gegensätzlich sind.

Sabine Schönfeld / 11.01.2024

Wie sie die Menschen hier schikanieren und im Zweifelsfall schwere Behinderungen bis zum Tod in Kauf nehmen. Und wie sie sich gegenseitig dafür Orden anheften. Einfach ekelhaft.

Moritz Cremer / 11.01.2024

EUdSSR…

Thomin Weller / 11.01.2024

Warum werden nur Landwirte genannt? //“Sentinel-1 ist eine für ein breites Aufgabenspektrum in den Bereichen Umwelt, Verkehr, Wirtschaft und Sicherheit ausgelegte bildgebende Radarsatellitenmission….Sentinel 2 wird hochauflösende Satellitenbilder von Oberflächenveränderungen, Wäldern, landwirtschaftlichen Flächen sowie Änderungen der Landnutzung bereitstellen. Er wird biophysikalische Größen beobachten, etwa den Chlorophyll-Gehalt und den Wassergehalt von Blättern sowie den Blattflächenindex. Der Satellit wird zudem Informationen über Seen und Küstengewässer liefern und zum Risiko- und Katastrophenschutz beitragen.”// Arbeitsüberwachung aus dem Weltraum, Deutschland ein riesen KZ. Es dient einzig der totalen Kopntrolle. Staudämme wurden extra für den Hochwasserschutz gebaut. Zusätzlich baute man ein Kleinkraftwerk dazu. Der wirtschaftliche Erfolg des Kleinkraftwerk war weitaus wichtiger als der Hochwasserschutz. Den Erfolg der Überschwemmung sieht man aktuell. Die leistungslosen Reichsführer lassen sich dort ablichten, manche mit gegen das Völkerrecht zur Arbeit gezwungenen Asylbewerbern. Vor Jahren habe ich ein Konzept entwickelt Satelitten zu stören. Wird Zeit für eine Umsetzung. Rette sich wer kann. P.S. In der US Dependance Bayern sitzen sie, die IMAGI und andere Verbrecher.

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