Ein Land, das seine Bewohner nicht mehr ernähren kann
Auf Kuba kann man den sprichwörtlichen Stock in die Erde stecken und der treibt aus. Warum gibt es hier eine Nahrungsmittelkrise, die nun schon Jahrzehnte andauert? Offiziell sind die USA und die Wirtschaftsblockade an allem schuld. Das erklärt nicht den Nahrungsmittelmangel, zumal die Blockade für Lebensmittel längst aufgehoben ist. Von der einst hochentwickelten Landwirtschaft ist nicht viel übrig geblieben. Mehr als 50% der landwirtschaftlichen Nutzfläche, etwa 6,6 Millionen Hektar Ackerland , liegen brach.Wo einst Zuckerrohrplantagen das Landschaftsbild prägten, weidet heute klapperdürres Vieh, oder es herrscht pure Tristesse.Inzwischen sind die Flächen von einem Dornenstrauch, dem Marabu, erobert worden . Zwar arbeiten 20% der Erwerbstätigen in der Landwirtschaft, aber so unproduktiv, dass jährlich über 2,4 Milliarden Dollar für Lebensmittelimporte ausgegeben werden müssen. Das deckt nur den notwendigsten Bedarf. Die Regale in den staatlichen Läden, in denen es auf Zuteilung, hier Libreta genannt, Lebensmittel gibt, sind gähnend leer. Mehl, Bohnen, wenn man Glück hat Öl, Kartoffeln, Brot, ist alles, was man gewöhnlich sehen kann. Die Mengen, die man mit den Coupons billig erwerben kann, sind zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel. Der Rest muss auf den freien Märkten, d.h. oft Schwarzmärkten, von denen das ganze Land überzogen ist und auf denen auch Waren auftauchen, die aus staatlichen Betrieben geklaut wurden, teuer erstanden werden. Das Stehlen von „Volkseigentum“ ist zum Volkssport geworden, der ausgeübt werden muss, um überleben zu können. Von umgerechnet 18 € im Monat, was das staatliche Durchschnittsgehalt ist, kann niemand existieren. Das heißt, dem Staat wird so viel wie möglich entzogen, Arbeitskraft und Güter, um das Überleben zu sichern. Das hat im Laufe der Jahrzehnte, die das Castro-Regime schon dauert, zu einer tiefen Demoralisierung geführt. Trägheit und Depression sind die Merkmale der Kubaner heute. Hoffnungslosigkeit und Lethargie prägen das Land. Ein Kubaner nannte mir gegenüber diesen Zustand den „Marabu in den Köpfen der Kubaner“. Wie der wirkliche Marabu, wird er schwer zu bekämpfen sein. Der Marabu ist nicht von Hand zu beseitigen. Man brauchte Maschinen, um die widerstandsfähigen Pflanzen mit der Wurzel aus dem Boden zu reißen. Erst dann besteht die Chance, dass der Boden wieder kultiviert werden kann. Nicht die Ruinen und das wirtschaftliche Desaster sind Kubas größtes Problem bei einem Neuanfang, sondern die mentalen Schäden, die das Castro-Regime bei den Menschen erzeugt hat.
Eine der „Errungenschaften“ des Regimes ist es . dass Kuba ein Fall für die Welthungerhilfe geworden ist. In Alamar, einem Stadtteil im Osten von Havanna, gibt es seit 1998 ein Pilotprojekt einer landwirtschaftlichen Kooperative, die auf inzwischen über 10ha Land Gemüse und Kräuter anbaut. Die Mitglieder arbeiten nach einem Leistungssystem. Jeder Bewerber muss eine Probezeit von einem Vierteljahr absolvieren. Danach entscheiden alle Mitglieder der Kooperative, ob er bleiben darf, oder nicht. Außer dem festen Lohn gibt es eine Gewinnbeteiligung , die höher wird, je länger man der Kooperative angehört. Den Landarbeitern von Alamar geht es besser, als den Durchschnittsverdienern . Sie arbeiten eine Stunde weniger am Tag als die Staatsangestellten und haben länger Urlaub. Trotzdem wird die Kooperative von den Anwohnern „Sibirien“ genannt, weil die Arbeitsleistung die hier erbracht wird, einem Volk, dass es sich zur Regel gemacht hat, dem Staat seine Arbeitskraft so weit wie möglich zu entziehen, wie Zwangsarbeit vorkommt. Trotzdem sind die Projekte der Welthungerhilfe ein Hoffnungsschimmer. Etwa 100 Kooperative gibt es im Land bereits. Es könnten noch mehr sein. In vielen Fällen scheiterte die Gründung daran, dass das vom Staat geschenkte Land mit Marabu bewachsen war, das manuell nicht beseitigt werden kann.
Für die Bewohner von Alamar hat die Nähe des Projekts den Vorteil, dass sie einen Teil der Erzeugnisse zu erschwinglichen Preisen auf dem Markt der Kooperative erstehen können. Wovon sie gern und zahlreich Gebrauch machen. Insgesamt ist das allerdings nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Alle Reformvorhaben, die bislang in der Landwirtschaft in Angriff genommen wurden, sind gescheitert. So lange Castro lebt, der ein erklärter Feind jeder Privatinitiative ist, wird sich daran nichts ändern.