In Washington ist etwas merkwürdiges passiert. Donald Trump, weithin als Clown im Weißen Haus und als kurzatmiger Twitterking bekannt, hat im Kongress eine ziemlich gute Rede gehalten. Natürlich hatte er als Anfänger mit dem Teleprompter noch nicht die lässige Kompetenz des genialen Vorlesers Barack Obama. Aber es war eine beachtliche Vorstellung.
Über eine Stunde lang sagte Trump Sachen, die er im Prinzip schon immer gesagt hat, aber zusammenhängender, konzeptioneller und stellenweise bewegender als selbst seine Freunde es erwartet haben. Das war nicht der kurzatmige Twitter-Schnösel, den seine Gegner so schätzen.
Van Jones, ein linker, schwarzer CNN-Journalist, also das Gegenteil eines Trump-Anhängers, sagte staunend: „Heute ist der Gewinner der Wahlen zum Präsidenten geworden.“ Dabei bezog er sich auf eine Episode, in der Trump die Witwe des im Jemen gefallenen Soldaten Ryan Owen, die er auf die Galerie eingeladen hatte, persönlich ansprach. In präsidialen Worten versicherte er Corinna Owen, dass der Name ihrer Mannes für alle Zeiten „als Held in das amerikanische Gedächtnis eingebrannt“ bleiben werde. Da blieben zwar viele, aber nicht alle Augen trocken, die der Witwe schon gar nicht.
Inhaltlich bewegte sich Trump wieder zwischen allen Links- und Rechtsklischees und brachte nach und nach immer mehr Demokraten in Verhaltensnöte. Eigentlich waren sie fest entschlossen, quasi auf ihren Händen zu sitzen, auch wenn nebenan die Republikaner vor gehorsamer Begeisterung von den Sitzen sprangen und klatschten.
Die Beifallverweigerung fiel ihnen leicht, als Trump wieder mal das Ende von Obamacare und die Mauer gegen Mexiko ankündigte. Aber als er dann von einem milliardenschweren Infrastrukturprogramm, von erneuerten Schulen, Straßen und Brücken sprach, entglitten dem einen oder anderen Demokraten doch die Hände zu einem zustimmenden Klatschen. Und wenn er von der Schaffung von Millionen neuer Arbeitsplätze sprach, weil er dem Auswandern von Arbeitsplätzen einen Riegel vorschieben werde, dann konnten noch mehr Demokraten den Beifall nicht unterdrücken.
"Wenn Trump so bleibt, schafft er auch acht Jahre"
Kurz: Donald Trump, dieses Geschenk des Himmels für Satiriker, hat an diesem Tag im Kongress eine Menge Fleißkärtchen als ernsthafter Politiker gesammelt. Dies natürlich mit ein bisschen Hilfe seiner Freunde. Und ihm ist durchaus zuzutrauen, dass er von den gewonnenen Pluspunkten nun als freier, von Redenschreibern unabhängiger Twitterer eine Menge wieder verspielen wird. Diese Aussicht hält bei den Demokraten die Hoffnung am Leben, in absehbarer Zeit vielleicht doch wieder ins Weiße Haus einzuziehen. Allerdings hat ein Trump-Anhänger nach dem Auftritt im Kongress den Teufel an die Wand gemalt: Wenn Trump so bleibt, schafft er auch acht Jahre.
Das wäre natürlich ein Schock für alle, die ihm höchstens vier Jahr geben, wenn überhaupt so viel. Allein schon die Vorstellung, dass Donald Trump eine ganze Präsidial-Ära prägen könnte, dürfte gerade diesseits des Atlantiks Panik auslösen.
Zur Beruhigung könnte beitragen, dass sich in Amerika eine liberale und sehr weibliche Anti-Trump-Bewegung formiert, die sich in ein Gegenstück zur rechten „Tea Party“ auswachsen könnte. Allerdings ist bisher kein Charismatiker in Sicht, der dem ebenso populären wie verhassten Donald Trump in der Kunst des Aufputschens das Wasser reichen könnte. Den wird es aber wohl brauchen.
Wir erleben zur Zeit nicht nur in Amerika, wie Charismatiker ihre trockeneren Kollegen an die Wand spielen, egal, ob sie von rechts wie Marine Le Pen oder Geert Wilders oder von links wie Martin Schulz kommen. Dieser Schulz droht doch tatsächlich - als eine Art linker Donald Trump - die von politischer Materialermüdung geplagte Angela Merkel zur deutschen Hillary Clinton zu machen.
Steht uns also ein transatlantisches Traumpaar in Gestalt eines „America-first“- Donald Trump und eines rotrotgrünen Martin Schulz ins Haus? Ein, wie ich finde, wunderbar satirischer Gedanke. Das Problem: Heutzutage wird die Satire regelmäßig von der Realität überholt.