Richard Wagner / 31.07.2008 / 22:03 / 0 / Seite ausdrucken

Was machen eigentlich die Osteuropäer? Take 5: Telenovela in Bukarest

Was haben die Schauspielerin Oana Zavoranu und der Politiker Vadim Tudor gemeinsam? Das Geschäft läuft schlecht. Bei beiden. Das Telenovela-Starlet leidet unter Auftragsmangel, die nationalrhetorische Partei des einstigen Hofbarden des Diktatorenpaars Ceausescu dümpelt in den Umfragen vor sich hin. Das ist aber nicht die einzige Gemeinsamkeit. So ist Oana Zavoranu schon seit einem guten Jahr Mitglied der Tudor-Partei und dort Image-Beraterin des großen Vorsitzenden.
  Wir wissen, Image ist wichtiger denn je. In den Zeiten der Erlebnisgesellschaft ist das Image fast alles. Vadim Tudor hat nun die Kandidatur der auch als Königin der autochthonen Brustvergrößerung bekannten Darstellerin für die Parlamentswahlen angekündigt. Seine Begründung: Man brauche junge gottesfürchtige Patrioten. Aufgefallen ist die junge Frau, die sich schon mal vor laufender Kamera selber als „Dame“ bezeichnet, bisher aber weder durch Patriotismus noch durch Gottesfurcht. Es waren eher die peinlichen Sprüche, die sie wohl für frech hält, mit denen sie scheinbar reüssierte. Sie wurden von den Medien mit Eifer aufgenommen, so dass Oana Zavoranu zum Dauergast in den Bukarester Trash-Talks aufstieg. Deren Hauptzweck besteht in der Vorführung der Gäste. Die hinrichtenden Moderatoren sehen allesamt wie spätpubertäre Jungs aus, die sich einen Spaß daraus machen. Was früher auf dem Schulhof ausgetragen wurde, spielt sich jetzt in bunten TV-Studios ab.
  Als hätte der Sieg der Freiheit den Sieg des Vulgären mit sich gebracht. Oana Zavoranu wird mit Vorliebe als Produkt der Mahala gesehen, der typischen Balkanvorstadt, und diese wiederum als Ort der Abwesenheit der Werte. Ihre Bewohner schielen seit eh und je auf die Innenstadt, in die sie regelmäßig einsickern. Das aber bleibt nicht ohne Folgen. Und zwar für beide Seiten. In der Mahala wächst man auf, in der Innenstadt lebt man sich aus. Der Rest ist Lotterie oder eben Telenovela.
  Oana Zavoranu ist gelernte Juristin. Sie gibt freimütig zu, das sie mit diesem Beruf nicht viel anfangen konnte. Sie sehnte sich viel mehr nach dem Rampenlicht. So wurde sie die Querida in der ersten rumänischen Telenovela „Nur die Liebe“. Diese ist gewiss überschaubarer als beispielsweise die rechtstaatlichen Fragen der Bukarester Privatisierungspolitik der neunziger Jahre, trotzdem aber ein deklariertes Verwirrspiel für den mit sich und der Welt Unzufriedenen, der sich am Bühnenschicksal diebisch erfreut und sich damit schadlos hält, wie er meint.
  Je mehr die Gesellschaft ihren angestammten Wertekonsens einbüsst, desto wichtiger wird das allgemeine öffentliche Lästern. Die Hinrichtung wurde von der Vorführung abgelöst, vom allgemeinen Gespött. Die Mahala, die Vorstadt, aber rächt sich, indem sie Parteien ins Leben ruft, extremistische und vulgäre, wie die Großrumänien-Partei. Mit ihr verhält es sich wie mit den Brüsten von Oana Zavoranu. Sie sind groß, aber nicht echt.

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