Vera Lengsfeld / 28.08.2016 / 18:00 / Foto: Vaishal Dalal / 28 / Seite ausdrucken

Betreutes Fernsehen: Was die Tagesschau warum verschweigt

Warum die Tagesschau die  Evakuierung eines Bremer Einkaufszentrum aufgrund einer terroristischen Gefährdungslage verschweigt, wollte ein Bürger aus Bremen von der Redaktion wissen. Er schrieb deshalb folgende E-Mail:

Sehr geehrte Damen und Herren,

Am 27.7.2016 wurde aufgrund einer angenommenen terroristischen Gefährdungslage ein großes Einkaufszentrum “Weser Park” in Bremen evakuiert.

Ein – angeblich - psychisch kranker algerischer Asylbewerber, der mit den Worten “Ich spreng euch alle in die Luft” aus der Psychiatrie entkommt,  wird in Bremen von der Polizei in dem Einkaufszentrum vermutet, weil ein Zeuge ihn auf einem Foto erkannt haben will. Außerdem habe sich der Mann bereits am Wochenende gegenüber der Polizei zum Amoklauf in München und dem IS-Terror geäußert.

Der Asylbewerber wird von der Polizei als selbst- und fremdgefährdend eingestuft, war drogenabhängig. Am nächsten Tag ist er wieder auf freiem Fuß, weil die Bremer Polizei auf einmal behauptet, der Algerier hätte “glaubhaft versichert” er wäre nicht im “Weser Park”-Einkaufszentrum gewesen und hätte das  alles nicht so ernst gemeint.

Und all das ist für die Tagesschau keinen Bericht wert! Wie kommt das?

Ich bitte um Antwort.

MfG

Joachim Robrecht

Und das ist die Antwort:

Sehr geehrter Herr Robrecht, 

vielen Dank für Ihre E-Mail. Bitte haben Sie Verständnis, dass wir Ihnen jetzt erst antworten; uns erreichen zur Zeit sehr viele Zuschaueranfragen.

Die zurückliegenden Wochen mit zahlreichen Schreckensnachrichten haben in unserer Redaktion einen Diskussionsprozess in Gang gesetzt, in dessen Verlauf wir uns einmal mehr intensiv mit unserer Verantwortung gegenüber der Gesellschaft auseinandergesetzt haben. Wir sind dabei zu dem Schluss gekommen, uns eine gewisse freiwillige Zurückhaltung aufzuerlegen, was die Berichterstattung über Bluttaten angeht. Das hat zwei Gründe. Zum einen ist es erwiesen, dass Amok- und sonstige Bluttaten Nachahmer animieren. Die Ereignisse der vergangenen Wochen dürften diese These mit erschreckender Deutlichkeit belegt haben. Zum anderen aber entsteht bei der Bevölkerung durch die Berichterstattung über Bluttaten ein überproportionales Gefühl der Unsicherheit und Angst. Zwar steigt die Wahrscheinlichkeit, Opfer eines Terrorangriffs oder einer Amoktat zu werden, in keiner Weise an; das subjektive Sicherheitsempfinden der Menschen aber wird empfindlich gestört. 

Uns ist bewusst, dass nun der Vorwurf erhoben wird, wir verschwiegen mutwillig Tatsachen. Es sei Ihnen jedoch versichert, dass wir dies wenn, dann ausschließlich aus medienethischen Gründen und aus einem Verantwortungsgefühl der Gesellschaft gegenüber tun. 

Wir danken Ihnen für Ihre Anmerkungen und hoffen, dass Sie uns als kritischer Zuschauer erhalten bleiben. 

Mit freundlichen Grüßen 

Publikumsservice ARD-aktuell

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Leserpost

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Michael Klein / 30.08.2016

Die von uns bezahlten Redakteure maßen sich aus “medienethischen Gründen” an zu bestimmen, was wir erfahren dürfen. Warum kommen sie nicht auf die Idee, uns wenigstens zu fragen? Machen die NDR-Schlauköpfe das etwa ebenso, wenn der HSV oder Werder Bremen schon wieder mal ein Spiel verloren haben, damit der Fan nicht ein “überproportionales Gefühl” der Niederlagen empfindet? A propos Amoklauf München: Das war kein Amoklauf. Sonboly hat nicht auf jedermann geschossen, sondern hat völlig passiv mit herabhängender Glock mehrere Gäste unmittelbar an sich vorbei ins Freie laufen lassen. Später, schon auf der Flucht, hat er sich mit Hausbewohnern friedlich unterhalten und niemanden auch nur bedroht. Er, der über Jahre gemobbte Schiit, wollte vielmehr es seinen sunnitischen Mobbern heimzahlen. So hat nun auch der innersilamische Konflikt der Sunniten und Schiiten, die besonders in der Golfregion einander spinnefeind sind, auch bei uns Einzug gehalten. Auch darüber wird hierzulande wohl “aus medienethischen Gründen” kaum berichtet. Eine Ausnahme war das äffentlliche Köpfen des schiitischen Geistlichen Nimre vor einem halben Jahr.  Nur gut, daß ich mich dank der Fürsorge der Tagesschau über all das nicht aufregen muß. Ich bezahle sie gern fürs Nicht-Berichten. Satire!

Karl Gottlieb / 29.08.2016

Ich frage mich seit langem, wer überhaupt entscheidet, was eine Nachricht ist. Die Vorstellung, daß irgendwelche Redakteure aus dem Strom der Meldungen das Wichtigste herausfiltern oder gar selber recherchieren, erscheint mir zunehmend als falsch. Das zeigt sich an dem nahezu vollständigen Gleichklang der Meldungen auf allen Kanälen, also auch den Privatsendern. Irgendwie verständigen sich die Medien auf die gleichen neun oder zehn Meldungen und erzeugen die Illusion, mit dieser Auswahl ein angemessenes Bild der Wirklichkeit zu zeichnen. Abgesehen von herausragenden Ereignissen, erscheint diese Auswahl jedoch als vollkommen willkürlich und in Teilen banal. Ich würde mir wünnschen, daß uns hier mal ein Insider erklärt, wie dieser Gleichklang zustande kommt. Sind es die Nachrichtenagenturen, die dafür sorgen? Ein krasses Beispiel ist für mich der Nachrichtenkanal des Bayerischen Rundfunks BR5, den ich mangels Alternative täglich höre. Er sendet in Zyklen von 15 Minuten “das Aktuellste vom Tage”. Zieht man das Drumherum - Wetter, Verkehrsmeldungen, Jingles - ab, reduziert sich das auf 10 Minuten, in denen von morgens bis Mitternacht praktisch die immer gleichen neun oder zehn Nachrichten gesendet werden. Da kann ich mich nur mit Karl Valentin wundern: Er fand es erstaunlich, daß jeden Tag “grad’ soviel passiert” wie in eine Zeitung paßt. Auf den BR5 übertragen: “grad’ soviel” wie in 10 Minuten Sendezeit paßt. Genau die gleichen Meldungen kommen dann am Abend auf ARD, ZDF und allen Privaten. Was der BR5 als Originalton sendet, entpuppt sich dann oft sogar als identisch mit dem Ton der Fernsehbeiträge. Bezogen auf dieses Thema heißt das: Die Manipulateure sitzen nicht allein in den Fernsehanstalten - da sind noch Andere am Werk.

Katja Schüler / 29.08.2016

Ein Großteil der Journalisten sind mitte - links. Aber auch wenn man dies nicht berücksichtigt, so vereint auch noch ein anderer Wunsch die meisten Journalisten: Aufmerksamkeit. Soziale Aufmerksamkeit und Beachtung tut gut. Sie gehört zu den Grundbedürfnissen der Menschheit. Zudem kann ihre Schwester, die mediale Aufmerksamkeit, auch noch verdammt lukrativ sein. Das Problem: Ruhm macht süchtig. Fällt er weg oder häuft sich negatives Feedback, stellt sich typisches Entzugsverhalten ein. Man tut auch verwerfliche Dinge um seine Sucht zu befriedigen, kommt vom Kurs ab, schwankt zwischen Verzweiflung, Wut, Selbstzweifel und deren Verklärung. In der letzteren Phase kommt es dann zu exotischen Twitter Posts, von denen einige wohl in die Geschichte eingehen werden. Im Windschatten der öffentlich rechtlichen, die das Meinungsbild mit staatlicher Hilfe maximal fördern konnten, haben sich Journalisten, Blogger, und sonstige “Autodidakten” ohne Mühe egomedial und finanziell lohnenswerte Existenzen aufbauen können. Irgendwo habe ich die Hypothese gelesen, dass gerade die Personen Journalist werden , die als Kind ein Mauerblümchendasein fristeten. Das Intellektuelle, das in sich gekehrte, gepaart mit der Macht der Worte ist ein ideales Mittel zur späteteren Blüte des Ego. Natürlich trifft dies nicht auf alle zu. Aber dieser Typ “moralischer Erzieher” findet sich nun mal in diesem Segment, wie sonst vielleicht nur noch bei Lehrern und Finanzbeamten. Wobei man bei den Letzteren eine nennenswerte Ausbildung benötigt, um diesen Beruf auszuüben. Ohne das linke Zugpferd hätten sie es niemals so weit in den Glanz der Öffentlichkeit gebracht. Und weil ihre Positionierung keinerlei Flexibilität zulässt, und so die beruflich befriedigenden Alternativen eher gering sind, kämpfen sie natürlich alle hart um ihren Platz an der Sonne. Es ist nicht so, dass sie die Absurditäten ihres Tuns nicht sehen könnten. Aber sie wollen es einfach nicht und leben in ihrer kleinen Welt, in der sie alle Wahrheit, alle Realität und alle Vernunft ausblenden. Vielleicht sitzen sie ja in einem oder zwei Jahren in einem Stuhlkreis in Berlin Mitte. “Ich bin die Dunja und ich bin abhängig”... (Verhaltenes Nicken von Jan, tiefes Seufzen von Jacob, Schulterklopfen von Sascha und Mario.) Doch bis dahin ist der Weg weit. Die Bandagen sind hart. Schließlich sind die Zeiten hart. Die Nazikeulen sind ausverkauft. Der automatische Jubel und die moralische Absolution ist bei weitem nicht mehr so einfach herbeizuführen wie noch vor einem Jahr. Da muss man anprangern, verhöhnen, manipulieren - wenn es sein muss auch über die Leichen der Notleidenden gehen, deren Schutz man sich auf das (beliebig austauschbare) Banner geschrieben hat. Gerne werden Karrieren zerstört und Familien andersdenkender in Gefahr gebracht. So etwas scheint die Agitatoren mit Genugtuung zu erfüllen. Damals, auf dem Schulhof, ging es ja nicht.    

Lambert Matthes / 29.08.2016

Sehr geehrte Frau Lengsfeld, sehr geehrter Herr Robrecht, danke für die Veröffentlichung der Korrespondenz mit dem “Publikumsservice der ARD”. Eine Stelle der ARD-Antwort möchte ich herausgreifen: “Zwar steigt die Wahrscheinlichkeit, Opfer eines Terrorangriffs oder einer Amoktat zu werden, in keiner Weise an; (...)”. Wenn jemand einen Beweis für die These von der L-Presse/L-Medien braucht, so haben Sie den schwarz auf weiß geliefert.  Vielen Dank dafür! P.S. Für wie dumm halten die L-Medien Ihre Zuschauer?

Dietrich Herrmann / 29.08.2016

Ich würde die Moderatoren von tagesschau, tagesthemen, heute und heutjournal gerne mal fragen, wie sie sich fühlen, wenn sie diese Einfältigkeiten, Dreistigkeiten, Verdummungen, Ignorantien usw. auch noch mit freundlichem Gesicht vortragen müssen. Stehen sie dahinter, diese Meldungen verbreiten zu müssen? Treibt sie irgendein Gewissen, das Moderieren eventuell mal zu verweigern?

Karla Kuhn / 29.08.2016

Frau Hirsch`s Leserbrief sagt schon alles. Ich persönlich schaue diese Sender so gut wir gar nicht mehr an. Es gibt wirklich gute Blogs, wo jeder, der Interesse daran hat, sich informieren kann, WIE es wirklich um die Politik bestellt. Die suche ich mir aus. Dank dieser guten Journalisten /Autoren wird guter Journalismus in diesem Land aufrecht erhalten. Das ist von enormer Bedeutung !!

M. Sachse / 29.08.2016

Verantwortungsvolle Berivhterstattung sieht anders aus. Diese Journalisten sollten Begriffe wie Ethik und Moral nicht in den Mund nehmen oder in die Tastatur tippen.

Harald Betz / 29.08.2016

“Uns ist bewusst, dass nun der Vorwurf erhoben wird, wir verschwiegen mutwillig Tatsachen. Es sei Ihnen jedoch versichert, dass wir dies wenn, dann ausschließlich aus medienethischen Gründen und aus einem Verantwortungsgefühl der Gesellschaft gegenüber tun.” Ersetzt man “Gesellschaft” durch “Regierung”, kommt man der Wahrheit näher.

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