Alexander Wendt / 09.01.2015 / 22:24 / 14 / Seite ausdrucken

Warum ich die FDP nicht mehr wählen kann

Wenn ich nach meinem politischen Standort gefragt werde, dann sage ich: ich bin Liberaler. Ich finde den Satz von Christopher Hitchens großartig: „In einer freien Gesellschaft hat niemand das Recht, nicht beleidigt zu werden.“ Ich teile die ökonomischen Analysen von Ludwig von Mises und d das berühmte Diktum von Louis Brandeis: „Privacy ist the right to be let alone.“

Als Liberaler habe ich gelegentlich FDP gewählt. Warum auch nicht? Als Bayer dachte ich zum Beispiel, dass Horst Seehofer die absolute Mehrheit schon rein physisch nicht zuträglich wäre, ich sagte mir feuerzangenbowlenmäßig: „sie steigt zu Kropfe!“, und kreuzte die Liberalen an. Das werde ich nirgends mehr tun. Nach dem Facebook-Posting der FDP Hamburg kann ich das nicht mehr: Dort heißt es:

„Nur weil die Täter ‚Allahu Akbar’ rufen, stehen sie noch lange nicht für den Islam. Pegida ruft ja auch: ‚Wir sind das Volk.’“

Ich will nur ganz kurz den Punkt streifen, dass Massakrieren und Demonstrieren aus zwei Welten stammt – letzteres ist ein verfassungsmäßiges Grundrecht – und dass das Volk ohnehin nicht per se das Gefäß für edlere Gefühle ist, sondern die wahre Stimme des Volkes, wie schon Gerhard Henschel bemerkte, durchaus so klingen kann wie die Wildecker Herzbuben und eine Teilvolkstimme auch wie Pegida, ohne dass die Demonstranten damit auch nur im mindesten auf die Stufe der kaltblütiger Mörder von Paris rücken würden. Nein, das will ich kurz fassen. Was, FDP, werft ihr Pegida denn schon einmal präventiv vor? Eine Instrumentalisierung des Massakers von Paris? Eine Ausnutzung für politische Zwecke?

Die Leichen der letzten Opfer aus einem jüdischen Supermarkt von Paris waren noch nicht kalt, jedenfalls noch nicht so kalt wie eure Herzen und vor allem Hirne, als ihr den Entschluss gefasst habt, ein paar Liter von dem Blut auf eure Wahlkampfmühlen zu lenken.

Und noch etwas: „Täter“ statt Islamisten zu schreiben und nur Pegida beim Namen zu nennen, das kennzeichnet euch als das, was ihr seid - ein würfelzuckergroßes Blockparteichen, dass sich gerade im Hauptstrom der Feigheit auflöst.

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Harald Drings / 12.01.2015

So ab 2011 dachte ich ähnlich: Die FDP - so dachte ich damals - schafft es immer weniger liberale Werte zu vertreten. Also schaute ich mich nach Alternativen um. Zuerst die Piraten: Fingen an mit guten Ansätzen zur Liberalisierung (und entgegen der weit verbreiteten Wahrnehmung gerade eben nicht Abschaffung) des Urheberrechts und der Bürgerbeteiligung, aber als man aus dem 1-Themen-Partei-Stadium herauskam blieb eine Etatismus-Partei nach dem Vorbild der Grünen mit der politischen Kultur auf dem Niveau der Grünen in deren Gründungsjahren. Dann DieFreiheit: Was am Anfang noch nach Liberalismus klang, versank schnell im Konservativen, wenn nicht sogar braunen Sumpf. Zu guter Letzt die AfD: Hält sich - wiederum entgegen der weit verbreiteten Wahrnehmung - im Moment noch wacker gegen die Übernahmeversuche, dürfte aber langfristig eher als Bundesweite CSU denn als liberale Partei enden. Die haben sogar schon die Herdprämie gefordert. Also liebe Ex-FDP-Wähler, denkt mal nach: Bei aller berechtigter oder unberechtigter Kritik, wie soll es jetzt mit dem Liberalismus weitergehen? Wer soll beim aktuellen Thema gegen das Einknicken vor dem Islamismus UND gegen die Sippenhaft für Moslems eintreten? Wer soll Willkommenskultur gegenüber UND Integrationsbereitschaft von den Migranten einklagen, wenn nicht die FDP? Der Liberalismus in der FDP mag in einem desolaten Zustand sein, außerhalb ist er aber noch desolater. Eine Spaltung führt nur in die politische Bedeutungslosigkeit. Und deshalb wähle ich gerade jetzt wieder die FDP.

Maria von Seidlein / 11.01.2015

Ich fand das Posting der Hamburger FDP genauso bescheuert wie Sie ! Hab mich auch darüber geärgert. Aber ganz ehrlich, das ist nicht Die FDP!  Das ist die Ansicht eines Teils der Liberalen - ich meine eines kleinen Teils- die Mehrheit und da zähle ich mich dazu - hält die Hinrichtungen in Paris für verabscheuungswürdig - ohne wenn und aber- und ist sehr wohl der Überzeugung , dass diese sehr viel mit dem Islam zu tun haben ! Ganz ehrlich, wenn man jedes Mal wenn aus einer Partei ein idiotisches Statement kommt, gleich die gesamte Partei verurteilt, ist das nicht gerecht und auch nicht klug !

Matthias Schröder / 10.01.2015

Irgendwie kann ich nicht ganz verstehen auf was Sie rauswollen: Wir stehen als Liberale für den Grundwert ein uns gegenseitig einfach nur in Ruhe zu lassen: Selbstverständlich haben wir uns gegen Pegida positioniert und verachten Terrorismus wie in Frankreich. Es hilft vielleicht gerade jetzt auf Muslimen zuzugehen, auch wenn Sie das vielleicht als politisch korrekt empfinden: Wir stehen für Freiheit und Toleranz und würden als Mahner dafür in der Regierung dringend gebraucht. Ich glaube, dass wir keine “würfelzuckergrosse Blockpartei” sind, wie dies ein Vorredner formuliert hat, sondern als Liberale als Kontrollinstanz in der Regierung dringend gebraucht werden. Grüße aus München Matthias Schröder

Holger Krahmer / 10.01.2015

Herr Wendt, wenn dieses zugegeben nicht von Geistesgröße getragene Facebook Posting für Sie wahlentscheidend ist, würde mich interessieren, welche Partei sie wählen. Ähnlicher “das hat nichts mit dem Islam zu tun” Tenor kommt doch mehr oder weniger von allen relevanten Parteien. Warum also ausgerechnet jetzt und dazu der FDP-Ekel? Es gibt sicher wichtigere Gründe, die FDP nicht zu wählen. Ich habe schon geistreichere Beiträge von Ihnen gesehen.

Rainer Stinner / 10.01.2015

Herr Wendt, es ist schon interessant, wovon Sie Ihre Wahlentscheidung abhängig machen. Mit der Wahl einer Partei unterstützen Sie normalerweise die von dieser Partei propagierten politischen Ziele: mehr Schulen, oder mehr Steuern, oder freies Cannabis, oder mehr Vorratsdatenspeicherung, oder mehr vegane Speisen in Kantinen, oder Abschaffung Autoverkehr in Innenstädten. Sie machen jetzt Ihre Wahlentscheidung abhängig von einer Äußerung einer Gliederung einer Partei. Sind damit die von Ihnen gewollten Inhalte, die sie bisher bewogen haben, diese Partei, in diesem Fall die FDP, zu wählen, nicht mehr wichtig für Sie?

Johannes Keil / 10.01.2015

Was sie, Herr Wendt, offensichtlich nicht verstanden haben ist, dass bei dem Facebook-Posting nicht um die Taten, sondern die Ausrufe geht. Auch wenn es vielleicht nahe zu liegen scheint, die FDP hat damit der PEGIDA nicht, wie sie vermutet haben, vorgeworfen das Massaker zu instrumentalisieren sondern lediglich, dass die nicht das deutsche Volk vertreten. Wenn sie die FDP also wegen dieses Missverständnisses nicht mehr wählen wollten hoffe ich, sie überlegen noch einmal, ob ihnen die FDP nicht doch eine politische Heimat sein könnte. Das liegt ja auch in ihrem Interesse als Liberaler.

Francesco Salatino / 10.01.2015

Lieber Alexander Wendt, ich habe auch FDP gewählt, wegen Guido Westerwelle, der beste Politiker seit Helmuth Schmidt und Franz-Josef Strauß, der frei reden kann, wegen der Wirtschaftspolitik: weniger Staat, weniger Staatsverschuldung, mehr Freiheit. Aber die FDP genauso wie die CDU ist, ich erinnere mich an den guten Friedrich Merz, eine sozialdemokratische Partei geworden. Linksgrün hat auf der ganzen Linie gewonnen und die Folge ist, daß auch liberale Bürger zur PEFGIDA rennen und AfD wählen. Wenn die FDP diesen Linkskurs nicht stoppt, wird über kurz oder lang verschwinden.

Thomas Klyscz / 10.01.2015

Dieser Artikel ist das Ergebnis einer recht schlichten Interpretation des Postings. Ich erkenne darin mitnichten eine Gleichsetzung von PEGIDA und Mördern, wohl aber eine gewünschte Differenzierung zwischen Islamisten und Moslems. Diese Pariser Vollidioten beziehen sich auf einen göttlichen Auftrag, was aber nicht dazu führen darf, dass alle Moslems in Sippenhaft genommen werden dürfen, weil auch diese sich auf Ihren Gott berufen. Der Verweis auf die Wir-sind-das-Volk-Standierungen im Rahmen der PEGIDA, dienen hier also nur zur Veranschaulichung an einem aktuellen Beispiel. Auch diese punktuell zahlenmäßig erkennbaren Gruppen, sprechen nicht für das Volk an sich. Die Empörungskerze kann also wieder eingepackt werden.

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