Das ist ein ergreifendes “Geständnis”, in dem ich mein Erleben mit meinem Schwiegervater wiedererkenne. Auch meiner Geschichte würde solch ein Gedenken angemessen sein. Aber wir sind Angehörige einer aussterbenden Spezies, d.h. Kriegs- bzw. Nachkriegskinder. Da galten noch Umgangsformen, es gab familiäre “Machtverhältnisse”, und man hatte die Möglichkeit verinnerlicht, durch Nichtbesprechen Auseinandersetzungen zu vermeiden. Das unmittelbar Notwendige erlaubte es nicht, sich auch noch in der Familie Konflikte heranzuzüchten. Heute grassiert anscheinend eine als sehr elend empfundene seelische Unterbeschäftigung, die durch Krawall und Geschrei sich selbst rechtgertigt. Danke, Herr Bechlenberg!
Ja diese Schimpfwort “Nazi”. Es wird so oft gebraucht, dass man sich wirklich fragen kann, wer denn kein Nazi ist. Dabei sollten die Leute, die dieses Wort so ausgiebig verwenden, fragen, was denn dann das Besondere an diesem Wort ist. Ich habe gern sen Spruch zu diesem Thema “Nazikeulen zu Poolnudeln”. Heute kann es schon passieren, wenn das Verhalten de Randalierer beim G20-Gipfel in Hamburg kritisiert, als Nazi bezeichnet zu werden. Denken diese Leute wie etwa Sascha Lobo dran, dass sie dann eher eine kleine aggressive und dumme Minderheit in diesem Land sind? Nun Gut dann habe ich genug gemeckert.
Wäre ich ein paar Jahrzehnte früher geboren und Ihr Vater mein Nachbar gewesen, so wären wir wahrscheinlich gute Freunde geworden. Nicht nur, weil ich selbst Ingenieur und Patentinhaber bin, sondern weil ich auch gegen den Strom schwimme, wenn es sein muss. Einen Unterschied gibt es jedoch: Ich habe mich daran gewöhnt, “Nazi” genannt zu werden.
Sie gehören zu einer Generation, die den Begriff “Nazi” ernst nahm und sich in ihrer eigenen Sicht schon mit einem versehentlich ungerechten “Nazi”-Vorwurf schuldig gemacht hätte. In meiner wohl etwas jüngeren Generation (bin Jahrgang 1961) war es kaum anders. Ich hatte als Jugendliche zwar durchaus Zoff mit meinem Vater, ebenfalls einem fähigen Ingenieur, aber schließlich hatte er als teils konservativer Sozialdemokrat nie ein Wort gesagt, das auf nat.soz. Neigungen hätte schließen lassen, und bei Kriegsende war er elf Jahre alt, so dass ein Verdacht auf eine NS-Vergangenheit nach damaligen Begriffen absurd gewesen wäre. Folglich wären meine Schwestern und ich nie auf die Idee gekommen, ihn als “Nazi” zu bezeichnen, und das nicht “nur” deshalb, weil ihn so etwas ernsthaft verletzt hätte. Heute wäre das vermutlich anders und er müsste sich der ernstgemeinten Frage stellen, warum er nicht spätestens bei Kriegsausbruch einen für die Nazis total gefährlichen und für ihn selbst äußerst harmlosen Aufstand im Kindergarten organisiert habe. Heute ist “NAZI!!!” politisches Inflationsgeld. Ende 2015 habe ich mitbekommen, wie drei junge Männer, die sichere Migranten und wahrscheinliche “Schutzsuchende” waren, eine Verkäuferin mit “Nazi!” anröhrten, weil sie Geld für die Waren verlangte. Die jungen Herren dürften sich dabei selbst für metaphysische Opfer der “Nazis”/Deutschen gehalten haben. Sie hatten sich über die Verkäuferin geärgert, und das reichte. Niemand lädt sich heute auch nur ein Milligramm Schuld auf, wenn er in vollkommen unhaltbare “Nazi”-Brüllereien ausbricht. Im Gegenteil, damit erweist sich ein hehres Opfertum. Längst nicht nur Migranten spielen dieses Spiel. Es ist ein regelrechtes Kennzeichen unserer Gesellschaft geworden.
So eine Geschichte, wo man sich fest vornimmt: Keine Träne, kein Mitleid, kein Spott! Es hilft da auch nicht weiter, darauf zu verweisen, wie normal Nazi damals war, wieviele Prozent der Leute damals an den Straßen standen und jubelten, welchen Effekt das auf die Psyche des Diktators hatte usw. Es gab da ganz andere Leute, die in den letzten Kriegsmonaten ihre Meinung wechselten. Soll man das denen nun verübeln? Also ich bin noch niemandem begegnet, der heute und hier in einer nationalsozialistischen Diktatur leben möchte. Also halten sich alle Gründe, jemanden einen Nazi zu schimpfen, in Grenzen.
Chapeau
Welch ein berührender Artikel. Und ja, so was das in den 60’er und 70’er Jahren in Deutschland. Diese Frontstellung von Vätern und Söhnen, ebenso das Stigma seelischer Erkrankungen und das absolute Unverständnis dafür. Beides ist, so weit ich das sehen kann, wirklich besser geworden. Bezeichnend aber auch, dass der Vater aus seiner anti-nationalsozialistischen Haltung keine Selbsterhöhung gemacht hat; das gefällt mir. – Ein stilles Danke für diesen Beitrag.
Hallo Herr Bechlenberg, ja, so ist das. Blut ist dicker als Wasser. Und wenn Väter und Kinder gar nicht zusammenfinden wollen, dann liegt es an den Eltern und zwar an beiden. Mütter können da ganz schön mitgestalten oder gegengestalten. Väter sind im Anfang nichts als junge Männer (keine Geringschätzung von Müttern), Sie haben keine Ahnung von nichts und sind wahrscheinlich auch egoistisch. Wenn Mütter hier Kritik am Vater schüren, hat der keine Chance. Nun zu meinem Vater. Als Jugendlicher, wenn ich mich ungerecht behandelt fühlte, hatte ich mir vorgenommen, dass ich ihn zerschlagen würde wenn ich kräftig genug sein würde. Heute schaue ich mit allerhöchster Hochachtung zurück auf ihn, wie er gehandelt hat, sich verhalten hat und wie er sein Schicksal ertragen hat. Mittlerweile bin ich selber mehrfacher Vater von erwachsenen Kindern und erlebe deren Vorwürfe gegen mich. Die Sicht der Kinder ist manchmal erschreckend anders als die eigene. So wie ich der Meinung bin, ich musste streng und unmissverständlich durchgreifen, schildern sie mich – teilweise – als brutalen Menschen. Und was ich meinen Kindern gegenüber empfinde, und was ich meinem Vater gegenüber empfinde, ist Liebe.
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