Vom Kraftwerk zum Kraftzwerg

Immer mehr Länder denken wieder an Kernenergie – die deutschen Grünen nicht! Doch sie könnten umkehren und auf Kernreaktoren setzen, die wesentlich schwächer und kleiner sind als ihre großen Brüder – sozusagen auf Kraftzwerge.

Das Kainsmal, welches dem Atom eingebrannt wurde, ist am Verblassen, und es könnte sein, dass man sich nach dem Ausstieg aus der Kernenergie wieder zum Einsteigen entschließt. Für die Grünen wäre das zunächst der „Größte anzunehmende Unfall“, sie hätten ihre raison d’etre verloren. Sie könnten allerdings die Kurve kratzen, würden sie rechtzeitig auf den Zug Namens „SMR“ = Small Modular Reactor aufspringen. Das sind Kernreaktoren die wesentlich schwächer und kleiner sind als ihre großen Brüder – sozusagen Kraftzwerge.

Die SMRs hätten auch äußerlich wenig Ähnlichkeit mit den Monstern von Brokdorf oder Philippsburg, den Feindbildern der grünen Bewegung. Man könnte also folgendes Narrativ verbreiten:

„Ende 2022,wenn das letzte KKW vom Netz ist, haben wir unser Ziel erreicht. Es ist ein wunderbarer Sieg für uns und für die Menschheit. Wir haben damit den Weg frei gemacht für eine moderne, saubere, und grüne Technologie: den Small Modular Reactor!“

Was wäre davon zu halten? Ich schlage vor, wir schauen uns das mal an.

Das Holz im Kamin

Haben Sie schon mal versucht, mit einem einzigen, dicken Stück Holz Feuer im Kamin zu machen? Haben Sie es auf den Rost gelegt und ein Zündholz darunter gehalten? Es geht nicht. Um zu brennen, muss das Ding erst einmal selbst richtig heiß gemacht werden. Ein vernünftiges Feuer bekommen wir nur, wenn ein paar Scheite sorgsam übereinander gelegt sind, die sich gegenseitig aufheizen; dann hält die selbst erzeugte Hitze das Holz am Brennen, und gibt uns davon sogar noch was ab. Mit anderen Worten, wir brauchen eine kritische Masse an Holz, in der richtigen Konfiguration, dann wird auch unser Kamin „kritisch“.

Wenn Sie das verstehen, dann verstehen Sie auch, wie ein Reaktor funktioniert. Statt Holz nehmen wir Uran, und statt Hitze nehmen wir Neutronen. Die Atomkerne des Urans werden durch die Neutronen gespalten, und dabei entstehen neue Neutronen, die ihrerseits Atomkerne spalten. Wenn wir jetzt genügend Uran, also eine kritische Masse, sorgfältig aufstapeln, dann läuft die Sache spontan weiter, wie beim Kaminfeuer.

Dabei entsteht nebenher jede Menge Hitze; die ist zwar für die Kettenreaktion irrelevant, aber sie ist nützlich, weil man daraus Strom machen kann. Genau das passiert in einem Kernkraftwerk.

Size Matters

Zurück zu unserem Holzfeuer. Vielleicht ist Ihnen schon aufgefallen, dass Kamine meist ähnliche Abmessungen haben, so im Bereich von einem Meter. Ein Kamin von nur 20 x 20 Zentimetern ist selten. Wir könnten darin zwar Feuer machen, bräuchten aber anderes Brennmaterial, vielleicht Holzwolle.

Auch unsere KKWs sind einander ähnlich, sie sind riesig und leisten meist zwischen 1.000 und 1.500 Megawatt elektrisch. Könnten wir die miniaturisieren? Könnten wir aus einem Kraftwerk einen Kraftzwerg machen? Nein, der wäre dann nicht mehr „kritisch“, es könnte keine Kettenreaktion stattfinden. Aber halt! Wie wäre es denn mit leichter brennbarem Material in unserem Minireaktor? Gibt es so etwas?

Tatsächlich! Wir füttern unsere heutigen Kraftwerke schon mit einer Mischung aus „Holzwolle und Brennholz“, und zwar im Verhältnis von 4 Prozent zu 96 Prozent. Wenn wir unserem Zwerg jetzt Zucker geben, wenn wir auf 20 Prozent Holzwolle aufstocken, dann geht’s, dann wird er kritisch.

Was für den Kamin die Holzwolle, das ist für unseren Reaktor das Uran 235, welches im natürlichen Uran nur 0,7 Prozent ausmacht. Es muss für die heutigen Reaktoren auf 4 Prozent „angereichert“ werden, für die kleinen Reaktoren muss man dann eben auf 20  Prozent anreichern. Das ist kein Problem, vorausgesetzt, man geht in dieser Richtung nicht allzu weit, etwa bis 90  Prozent oder mehr. Dann könnte man damit nämlich Atombomben bauen.

Akademik Lomonosow

Existieren diese Zwerge bislang nur im Märchen? Keineswegs. Die USA und Russland treiben damit seit Jahrzehnten ihre Eisbrecher, U-Boote und Flugzeugträger an. Aber auch in zivilem Einsatz sind sie bereits zu finden, etwa in Form des schwimmenden Kraftwerks mit dem Namen „Akademik Lomonossow“ (Siehe Google Earth: 69°42'35.64" N 170°18'19.48" E).

Hier, nördlich von Kamtschatka, liefern zwei Kleinkraftwerke seit einem Jahr gemeinsam 70 Megawatt, also ein Zwanzigstel eines klassischen KKW. Es sind so genannte Druckwasserreaktoren, die mit 15 Prozent angereichertem Uran betrieben werden.

Das Funktionsprinzip der Kraftzwerge ist identisch mit dem der großen KKWs, d.h. bei ihrem Betrieb entsteht ebenfalls radioaktive „Asche“, die auch nach Abschalten des Reaktors, nach dem Stopp der Kernspaltung durch Neutronen, weiterhin mehr Energie abgibt, als uns lieb ist. Hier muss gekühlt werden, um ein Schmelzen – einen „Meltdown“ – dieses Gemischs aus Uran und Spaltprodukten zu verhindern.

Und die Sicherheit?

Welche Vorteile hätten dann diese SMRs? Wären sie sicherer als die traditionellen KKWs?

Gegenfrage: Geht es überhaupt noch sicherer? Falls in Deutschland überhaupt jemals Menschen durch „nukleare“ Ursachen ums Leben gekommen wären, dann hätte man vermutlich lautstark davon gehört. Zweifelsohne kann man sagen, dass die Kernenergie in 65 Jahren weniger Todesopfer gefordert hat, als die Corona-Impfung in einem Jahr. Und das ist offensichtlich ein Risiko, das akzeptiert wird.

Man kann annehmen, dass die SMRs ebenso sicher sind wie die großen Kraftwerke. Es gibt Vorschläge, wie man SMRs auslegen kann, damit beim Ausfall der Kühlwasser-Pumpen kein Meltdown eintritt, bzw. dass das geschmolzene Material dabei unter der Erdoberfläche eingeschlossen bliebe. Diese Sicherheitsmerkmale sind in kleinen Dimensionen eher zu verwirklichen als bei den traditionellen Riesen. Wenn das gelänge, wäre es sicherlich ein Plus und ein wichtiges PR-Argument.

Economies of Scale

Als wesentlichen Vorteil aber erwartet man eine Vereinfachung des Baus. Bei einer größeren Zahl kleinerer, identischer Reaktoren würde man standardisierte Komponenten – „Module“ - in einer Fabrik herstellen und diese dann am Standort montieren. Das würde die spezifischen Kosten, also die Kosten pro Megawatt installierter Leistung, vermutlich senken.

Bei den heutigen großen Reaktoren liegen die in der Größenordnung von €8 Mio/MWe. Die Gesamtkosten für die erwähnte 70 MW Akademik Lomonosov werden mit 37 Mrd. Rubel angegeben, rund €440 Mio. Das wären also rund €6 Mio. pro installiertem Megawatt.

Und noch etwas: Im Zusammenhang mit SMRs werden manchmal kernphysikalische und technische Alternativen vorgeschlagen, die wir hier nicht diskutieren. Die enorme Erfahrung in Bau und Betrieb der Druckwasser bzw. Siedewasserreaktoren wird man beim Bau der ersten Generation von SMRs sicherlich nicht ungenutzt lassen. Man wird mit dem Sprung in der Dimension nicht gleichzeitig einen Sprung in der Technologie machen.

Ein Abfall vom Irrglauben

Zurück zu unserem Ausgangspunkt: Glauben Sie, dass wir von den Grünen einen „Abfall vom Glauben“ bzw. vom Irrglauben erwarten können? Werden sie mit dem hier vorgeschlagenen Narrativ Deutschland endlich ermöglichen, die fatalen Sackgasse Richtung Blackout zu verlassen?

Wenn es denn so käme, dann wäre das ein historischer Meilenstein: Es wäre das erste Mal in der Geschichte, dass aus dieser Richtung ein vernünftiger Vorschlag käme.

Dieser Artikel erschien zuerst im Blog des Autors Think-Again. Sein Bestseller „Grün und Dumm“ ist bei Amazon erhältlich.

Foto: Pixabay

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Leserpost

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Uwe Schäfer / 08.01.2022

Soweit ich mich informiert habe, ist der Dual Fluid Reaktor eine noch bessere Alternative. Ob er auch eine Alternative für Deutschland ist? Wahrscheinlich nicht, jedenfalls nicht bevor hier alles zusammenbricht und dieses Land nach einem verheerenden Blackout aus der völligen Wohlstandsverblödung erwacht.

H Eversheim / 08.01.2022

.. die Grünen und Umdenken ?? Nie: die Absage an Atomkraft ist eine Ersatzreligion; eher wird man einen Zeugen Jehova zum Katholiken bekehren, als einen Grünen zum Fan von Atomkraft. ( aber bitte: ich habe nichts gegen ZJ)

Hans-Peter Kimmerle / 08.01.2022

Die Sozialisten (national oder international) haben noch nie ihre Ideologie aufgegeben. Die Öko-Sozialisten werden es genauso wenig tun. Mit den einen ging ein tausendjähriges Reich unter, mit den anderen hat es etwas länger gedauert. Wie lang und ob es mit den Grünen so geht, ist offen.

Uwe Schäfer / 08.01.2022

Soweit ich mich informiert habe, ist der Dual Fluid Reaktor eine noch bessere Alternative. Ob er auch eine Alternative für Deutschland ist? Wahrscheinlich nicht, jedenfalls nicht bevor hier alles zusammenbricht und dieses Land nach einem verheerenden Blackout aus der völligen Wohlstandsverblödung erwacht.

rolf schwarz / 08.01.2022

Ein Traum von einem Artikel, der auch Mut macht. Danke!

Angela Seegers / 08.01.2022

Ja, das wäre zu begrüßen, wenn das Gespann Habeck/Giegold und andere ihren Wirrkopf ausschalteten und zur Realität zurück kehrten. Wenn sogar Mäxchen sich das mit dem Kraftzwerg vorstellen kann, warum sollte Max das nicht auch können. Die Hoffnung stirbt zuletzt, dass sich die grüne Ideologie, die oft genug grenzwertig war/ist, nicht durchsetzt. Viel wichtiger erscheinen mir jedoch belastbare Daten von Fachleuten. Von allen Seiten. Nicht nur „Kraftzwerge“ betreffend, auch Geothermie und anderes. Das größte Kraftwerk erhellt und erhält uns das/am Leben, die Sonne. Eigentlich ist alles da, man muss es nur nutzen. Und damit meine ich nicht den Wind, der zu selten bläst und meist nur im Norden, der Heimat des Herrn Habeck.

Wolfgang Roth / 08.01.2022

Die deutschen Grünen denken grundsätzlich sehr wenig. Dafür fühlen und glauben sie mehr. Genau das macht sie so gefährlich.

Ebs Werner / 08.01.2022

Theoretisch könnten die Grünen sicherlich umschwenken, denn es sind (Öko-)Faschisten, die sich immer die Welt so machen, wie sie sie gerade brauchen. Wer massiv gegen auch nur im entferntesten als Genfood zu bezeichnende Nahrung ist, sich aber Gentherapie spritzen lässt, hat keine echten Prinzipien. Die Frage lautet eher: Profitieren sie davon oder andere? Das gute alte Cui Bono.

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