Von Maxeiner und Miersch erschienen in DIE WELT vom 9.1.2009
Deutschland erwache! Unter dieser Parole demonstrierten linke Friedensfreunde zusammen mit arabischen und islamischen Aktivisten am 3. Januar in Berlin gegen Israel. Auf einem anderen Schild stand: Tod den Zionisten. Da fragt man sich, wann Rechts- und Linksradikale ihr Demo-und-Gegendemo-Ritual begraben und die Friedenspfeife kreisen lassen. Das Aufeinandertreffen Neonazis und Antifa trägt ja schon länger folkloristisch-rituelle Züge. Den Polizisten, die dazwischen stehen müssen, ist oftmals nicht ganz klar, wen sie eigentlich vor was und warum beschützen sollen.
Um Missverständnissen vorzubeugen: Es gibt vorbildliche Anti-Neonazi-Initiativen, die sich um die Demokratie verdient machen, besonders in den „National Befreiten Zonen“ Ostdeutschlands, wo sehr viel Mut dazu gehört, den Dumpfbacken Paroli zu bieten. Auch blieben bisher manche besonders miesen Formen von Gewalt kennzeichnend für Rechtsradikale. Zum Beispiel mit Fäusten, Stiefeln und Messern über wehrlose Ausländer herzufallen.
Doch zumindest Teile beider Extremisten-Milieus sind nicht nur für Polizisten immer schwerer zu unterscheiden. Die Schwierigkeiten fangen schon damit an, dass man die Kombattanten äußerlich immer weniger auseinander halten kann. Der moderne Neonazi unterscheidet sich heutzutage im Outfit und Habitus kaum noch von seinem linksautonomen Pendant. Er trägt Palästinensertuch und T-Shirts mit Aufdrucken wie „Fight the System“ und „Gemeinsam gegen den Kapitalismus.“
Sie sehen nicht nur gleich aus, sie denken und reden vielfach auch genau das Gleiche, wie sich in diesen Tagen bei Demonstrationen gegen das Vorgehen Israels in Gaza wieder beobachten lässt. In Frankfurt demonstrierten linke Gruppen Seit an Seit mit Hamas-Sympathisanten, wobei einer der Teilnehmer deutlich sichtbar ein Plakat in die Fernsehkameras hielt: Darauf wird Israel vorgeworfen sich als - in dicke Anführungszeichen gesetzt - „ewiges Opfer“ zu stilisieren. Das Plakat - von einem linken Demonstranten getragen - könnte genau so gut auf einer NPD-Kundgebung hochgehalten werden.
Doch solche Gedanken lässt man gar nicht erst an sich herankommen. Stattdessen sind die Linken aufrecht beleidigt, dass die rechte Konkurrenz ihnen die Symbole klaut. „Die radikalen Rechten kopieren alles was dem schwarzen Block mal hoch und heilig war“, schreibt Spiegel-Online, „sie waschen die linken Kleidungsstücke solange auf rechts, bis es ihre sind.“ Doch das gilt eben nicht nur für die Kleidung sondern auch für die Parolen. Vielleicht müsste man sich mal fragen, warum das so einfach geworden ist. Irgendwie erinnert uns das an einen alten Witz. Ein Jesus-Schnitzer in Oberammergau muss auf Geheiß eines Kunden immer mehr Schmerz ins Gesicht seines Heilands schnitzen. Bis er zuviel des Guten getan hat und flucht: „Verdammt jetzt grinst er.“