Cora Stephan / 04.05.2014 / 13:24 / 15 / Seite ausdrucken

Und immer an den Leser denken…

Hitlers „Mein Kampf“ auf Platz 1 der amazon-Bestsellerliste! Deutschland muss von Sinnen sein. So ist das wohl zu verstehen, wenn der Literaturkritiker der „Zeit“ einem Buch attestiert, in der gleichen Liga wie Adolf Hitler zu spielen. Muss man sich wieder Sorgen um Deutschland machen?

Muss man natürlich nicht, höchstens um die Literaturkritik. Denn wer mit solchen Kalibern schießt, will offenbar nicht nur dem Autor, sondern auch seinen Lesern ans Zeug. Also: „den“ Deutschen, gern auch „Bio-Deutsche“ genannt.

Akif Pirinccis wütendes Pamphlet „Deutschland von Sinnen“ muss man vorm Vergleich mit „Mein Kampf“ nicht in Schutz nehmen, es ist im übrigen erheblich kürzer und weit amüsanter. Dem Autor selbst ist es egal, ob man ihn „einen Nazi schimpft oder eine Klobürste“. Aber kann man seinen Lesern unterstellen, sich für rechte Führerworte zu begeistern?

„Zeit“-Leser fanden das nicht.  Die „Nazikeule“ bestärkt offenbar all jene, die sich schon lange nicht mehr verstanden fühlen, was der Grund für Pirinccis Erfolg sein mag: nicht wenige haben, wie sein Autor, die bevormundende Verachtung satt, die ihnen entgegenschallt. Es könnte sich um Zeitgenossen handeln, die man zu Toleranz gar nicht groß anhalten muss, die sich aber im Gegenzug nicht mehr und nicht weniger wünschen, als dass auch ihrem stinknormalen Leben in diesem Land mit Respekt begegnet wird, selbst wenn sie als bloß heterosexuelle Deutsche nicht bunt und exotisch genug sind.

Sollte die meinungshabende Klasse daran völlig unschuldig sein? Unter dem ironischen Label „Das wird man doch noch sagen dürfen“ wird genau das bestritten: dass etwas auch gesagt werden darf, ja soll, das nicht mit dem übereinstimmt, worauf sich die fortschrittlich-metropolitane Geisteselite verständigt hat. Die Lehrer der Nation geben sich beleidigt, wenn das dumme Volk anderen Rockschößen hinterherläuft.

Dabei müsste ihnen der überraschende Erfolg von Sarrazins „Deutschland schafft sich ab“ gezeigt haben, dass das Verhältnis zwischen den „Medien“ und ihren Rezipienten gründlich gestört ist. Die „Qualitätsmedien“ haben sich schon im Fall Sarrazin nicht als Gatekeeper bewährt, denn das Buch verkaufte sich nicht deshalb glänzend, weil, wie man dort mutmaßte, Sarrazin den „dumpfen“ rechten Bodensatz in Deutschland bediene. Die Käufer seines Buchs trauten vielmehr den rituellen Bannsprüchen der Meinungshäuptlinge nicht und wollten sich selbst ein Bild machen, mutig angesichts des spröden Stoffs.

Wäre das nicht eine Gelegenheit zur Selbstbefragung gewesen, ob man womöglich den Kontakt zu seinen Lesern und Zuschauern verloren hat, die Argumente und keine Verdikte hören wollen und die womöglich schon mehr als einmal die Erfahrung gemacht haben, dass man in Funk, Presse und Fernsehen die Fakten auch mal ein wenig schminkt, damit sie zum gewünschten Ergebnis passen?
Ein Anlass wäre Sarrazins jüngstes Buch über den „Tugendterror“ gewesen, als dessen Opfer er sich sehen darf. Denn eines stimmt in seiner von Selbstmitleid verständlicherweise nicht ganz freien Anklage: es wird nicht mehr gestritten, es werden mit der sauren Miene magenkranker Religionsführer Bannflüche ausgesprochen. Man will den Feind erlegen, zur Not auch hinterrücks, nicht sich offenen Visiers mit ihm schlagen. Souveräner Umgang sieht anders aus.

Anders hätte man übrigens auch mit Sibylle Lewitscharoff umgehen können, die man geradezu zum öffentlichen Widerruf zwingen wollte. Sie sprach in ihrer umstrittenen Rede von Kindern, die einer künstlichen Befruchtung entstammen, als „Halbwesen“, als „zweifelhafte Geschöpfe“. Das ist den so Gezeugten gegenüber sicher nicht sehr freundlich, die sich aber meines Wissens nicht beschwert haben. Andererseits hat genau das die Menschheit immer schon beschäftigt, wer oder was bei der Zeugung mittut, von Dr. Frankenstein bis zum Heiligen Geist. Wer, wenn nicht eine Schriftstellerin, darf sich darüber Gedanken machen? Und wieso soll man in einem Land, in dem man sich vor allem fürchtet, vor Genmais, geheimnisvollen Strahlen und dem Atom, ausgerechnet vor Manipulationen am Menschen selbst keine Angst haben dürfen? Ich teile diese Furcht übrigens nicht, aber ich bitte dringend darum, sie debattieren zu dürfen. Sichtweisen werden nicht dadurch interessant, dass alle sie teilen.

Und nun ein neuerlicher Sturm im Wasserglas. Diesmal ist es ein eingebürgerter Türke, der aus der Rolle fällt, die ihm in deutschen Talkshows normalerweise zufällt: die des Beschwerdeführers über die ihn ausgrenzenden „Bio“-Deutschen. Akif Pirinccis Buch „Deutschland von Sinnen“ ist das Gegenteil, nämlich eine Liebeserklärung an das Land, das seine Eltern und ihn 1968 aufgenommen haben, eine Kampfansage an einen aggressiven Islam, der das Verhältnis zwischen Deutschen und Türken nachhaltig zerstört hat, und eine Tirade gegen einen Staat, der alles glaubt bezuschussen zu müssen, was sich als unterdrückte Minderheit aufführt.

„Deutschland, du kraftvoller Stier! Du bist die Macht, die ganz Europa trägt! Du bist das schönste aller schönen Länder!“ So geht’s los – und so geht das natürlich gar nicht.  Finden Menschen, die, wenn sie nicht gleich antideutsch empfinden, an Deutschland nur mit ironischer Distanzierung und in Gänsefüßchen denken mögen. Hinzu kommt die hemmungslose Abneigung des Autors gegen Rotgrün, den Feminismus und „Gender Mainstreaming“, den aggressiven Islam, die Polit- und Medienkaste, kurz: gegen den ganzen linksliberalen Mainstream. „Deutschland von Sinnen“ ist die wütende Suada eines unglücklich Liebenden, übrigens etwas, worauf Schriftsteller ein natürliches Anrecht haben, nicht nur, wenn sie in die Richtung kotzen, die man in der kritischen Zunft für die richtige hält.

Der Vergleich mit Hitlers „Mein Kampf“ ist bei den 680 Zeit-Lesern nicht gut angekommen, die das kommentiert haben. Löblich, dass die Redaktion sich daraufhin um Kommunikation mit ihren Kritikern bemüht hat. Für das Fazit allerdings hätte man sich die Mühe sparen können: es seien doch wohl alles Ewiggestrige, die mit der modernen Zeit nicht richtig mitgekommen sind. Wer solch intellektuellen Hochmut pflegt, muss sich nicht wundern, wenn die Zeiten für „Qualitätsjournalismus“ hart geworden sind. Wer seine Leser verachtet, kann nicht erwarten, dass sie ihm treu bleiben.

Dabei gibt es durchaus eine Lehre zu ziehen aus dem Erfolg gerade dieses Buchs, rotzig, pöbelnd, ungerecht und unkorrekt: Dass es viele gibt, die an die bunte Schrebergartenidylle der Konsensdemokratie unter einer ewig lächelnden Kanzlerin nicht mehr glauben. Wäre doch auch mal ein Thema.

Siehe auch bLogisch

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Alex Georg / 06.05.2014

“Wer solch intellektuellen Hochmut pflegt, muss sich nicht wundern, wenn die Zeiten für „Qualitätsjournalismus“ hart geworden sind. Wer seine Leser verachtet, kann nicht erwarten, dass sie ihm treu bleiben.” Cora Stephan hat völlig recht. Es sind erfreulich, daß viele Menschen inzwischen der geistigen Gängelei durch die Öffentlich Rechtlichen und die sogenannten Qualitätsmedien leid sind. In einem Land, im dem durch eine große Koalition von Wahlgewinnern und Wahlverlierern die Demokratie praktisch außer Kraft gesetzt wurde und dieser Zustand von den sogenannten Qualitätsmedien auch noch gestützt wird, fehlt inzwischen eine oppositionelle Presse, wie man sie aus anderen Pseudodemokratien kennt. Die “Achse des Guten” und ähnliche Medien reichen leider nicht aus, um der geballten Meinungsmacht von SPIEGEL, ZEIT, Süddeutscher etc. etwas entgegenzusetzten und der Meinungsvielfalt wieder Gehör zu verschaffen. Es fehlt ein gut ausgestattetes Opositionsmedium jenseits des längst obsoleten Links-Rechts-Schemas das frischen Wind in die “links-grün versiffte” Medienlandscaft bringt.

Claudia Dorfner / 05.05.2014

Ich bin grade dabei, dieses Buch zu lesen (bei Kap VI), und kann es sehr empfehlen. An den Stil gewöhnt man sich rasch, und dann hat man eher den Eindruck, als ob ein guter alter Kumpel zu einem spricht. Und es finden sich auch Denkansätze, die ich sonst noch nirgendwo gefunden habe. z.B. Bei einer attraktiven Frau (wobei unter Attraktivität neben Aussehen und Alter auch Merkmale der Intelligenz, Empathie, Fleiß, Strukturiertheit, Liebenswürdigkeit usw. zu verstehen sind) müßten die männlichen Bewerber darum wetteifern, ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Nur wer ihr am besten gefiele, hätte eine Chance. Sie könnte ihn sich aussuchen. Dieser Aspekt ist sehr wichtig, denn nur die Selektion durch die Frau bringt die Menschheit voran. Die Selektion durch den Mann spielt im evolutionären »Veredelungsprozeß« keine Rolle, da er, nicht gehandicapt durch Schwangerschaft und deren gefahrbergende Phase und Kinderaufzucht, alles andere als wählerisch ist. Theoretisch könnte er täglich ein Kind zeugen, wenn nicht sogar drei. Und auch wenn die Gefahren für die Frau heute durch die moderne Medizin und veränderte Geschlechterrollen weitgehend ausgemerzt sind, gehorcht die Anziehungskraft zwischen den Geschlechtern weiterhin den eisernen Evolutionsgesetzen aus der »Höhle«. Wenn nun aber eine kulturelle oder religiöse Gepflogenheit verlangt, daß die Frau den Mann ihrer Träume nicht selbst selektieren darf, sind all ihre körperlichen und geistigen Attribute bedeutungslos. Und infolgedessen auch der Wert ihrer Gene, eben weil sie sie nicht durch ihre weibliche Selektion gezielt an ihre Nachkommen weiterreichen kann. Sie wäre darauf angewiesen, sozusagen die Katze im Sack zu kaufen. Und wenn sie Pech hat, wäre es ein Mann, der ihr nicht nur nicht entspricht, sondern ihr positives Erbgut in der folgenden Generation mit negativen Zügen verwässert. Was vielleicht nicht geschähe, wenn sie ihren Partner selbst wählen dürfte, weil sie dann instinktiv den »Optimalen« nähme, der mit ihr gemeinsam ihr Erbgut veredelt. Vielleicht würde sich jener Zwang auch nicht direkt in der Änderung des Genoms ihrer Kinder und Kindeskinder bemerkbar machen, weil sie Glück mit ihrem Mann gehabt hätte. Aber wenn nicht, würde er ihre Nachkommenschaft langfristig schwächen, statt sie stärker zu machen. Die Evolution hat einen sehr langen Atem, und bereits geringste Abweichungen von der Hauptlinie erzielen à la longue die unglaublichsten Resultate. Wenn die Männer nicht um die Frauen buhlen, nicht beinhart um ihre Gunst konkurrieren müssen, durch Manipulationsgeschick, Attraktivität, Ressourcen, Zeitaufwand, Prestige und Einfallsreichtum ihre Herzen erobern, wenn also die Frauen nicht nach ihren speziellen Wünschen, Bedürfnissen, Qualitäten etc. souverän ihre Männer auswählen können, sondern die Frauen brüderlich unter diesen aufgeteilt werden, dann folgt im Ergebnis eine Durchschnittlichkeit der kommenden Generationen. Diese besitzen keine Innovationskraft mehr, keinen Antrieb, der sie voranbringt. Gewiß, zunächst führen sie noch ein paar Kriege, erobern andere Kulturen und unterwerfen sie, aber ihre eigenen Fähigkeiten verkümmern aufgrund fehlender natürlicher Auslese. Wenn der eine 70 Prozent von etwas besitzt und der andere 30, und die beiden legen es zusammen und teilen es anschließend zu gleichen Anteilen, erhalten beide je 50 Prozent. Der eine hat dabei verloren, der andere ein gutes Geschäft gemacht. Aber denkt man das über Generationen weiter, haben letzten Endes beide verloren, denn es zieht sukzessive eine Verarmung nach sich. Man nennt solch ein Ergebnis auch Degeneration! Der Kern des Islam reduziert sich auf den sexuellen Aspekt beziehungsweise auf die schier pathologische Beschäftigung mit der Unterbindung der weiblichen sexuellen Selektion. Jede Art von Unmut, Herrenmenschentum-Phantasien und Gewalt ist in der islamischen Welt von dieser Quelle gespeist, der Angst, daß der Mann zu kurz kommt, wenn er das Kommando in dieser Sache der Frau überläßt. Daß er sich auf einen brutalen Konkurrenzkampf einläßt und auf ein psychologisches Schlachtfeld begibt, auf dem er vielleicht eine Niederlage einstecken muß. Warum all der Ärger und der Schmerz, wo doch Unterdrückung so viel einfacher erscheint?

Bernd Ufen / 05.05.2014

Bemerkenswert die stupide Art der “Zeit”, bei der es beim Rezensieren dieses provokanten, aber Klartext sprechenden Werkes mangels Argumenten gerade noch zu einem Pawlowschen Reflex in billigstem Antifa Jargon reicht. Qualitätsjournalismus stelle ich mir anders vor, basierend auf unvoreingenommener Recherche, Fakten und daraufhin ergebnisoffen in jede Richtung. Daß die kommentierenden Leser, statt ernstgenommen zu werden, abqualifiziert werden, ist für ein Wirtschaftsunternehmen wie ein Printmedium schon ein starkes Stück. Aber vielleicht haben die Leser darauf ja die passende Antwort.

Manfred Kraus / 05.05.2014

Also, ich werde es lesen,Pirinccis Buch. Wenn unsere mittlerweile langweiligen,  biestig linksgrünen Medien und das sind sie ja, nach offen eigenem Bekunden fast alle, schon so metzgermäßig “blutig” auf einen Autor einschlagen, dann muss man es ja lesen. Schließlich wissen immer mehr von uns langweiligen, gewöhnlichen Deutschen, so ganz ohne wenigstens muslimischem Migrationshintergrund, vom köstlichen “Gendergeschäft” eher belustigt, die EU schon fast als gefährlich einschätzend - also ganz bestimmt Nazi -, was heute von den Meinungsfaschisten vieler Blätter zu halten ist. Ach ja, bei mir war der Erguss dieses “Dietz” auf Spon Grund für die Kündigung meines Spiegelabo.

George Urbanski / 05.05.2014

Auch Professoren können ganz schön naiv sein ... Herr Althoff, ich verrate Ihnen mal ein Geheimnis: Fleischhauer, Broder, Augstein und Co. betreiben insbesondere online pure Unterhaltung. Sie sind vor allem dafür zuständig, Klicks zu generieren. Der Inhalt ist nicht sonderlich wichtig - einzig wichtig ist, dass die Texte provokant sind und möglichst viele User auf die entsprechenden Websites locken. Dass Sie hingegen wegen eines Online-Kommentars, der Ihnen nicht gefällt, das Abo der Printausgabe kündigen, zeigt Ihr Verständnis von Pluralismus. Informieren Sie sich künftig ausschließlich auf der Achse-Website? Ist das nicht das Gegenteil von Wissenschaft? Rufen Sie auch bald zu Boykotten auf? Beste Grüße George Urbanski

Waldemar Undig / 05.05.2014

Jetzt bestell ich erstmal dieses Buch. Dann werde ich ja sehn wie schlimm es ist. Ich halte nichts davon, aus irgendwelchen Zeitungsdebatten irgendwelche Schlüsse zu ziehen, wenn ich mir doch selbst ein Urteil binden kann - und will. Also auf nach Amazon.

Till Schneider / 05.05.2014

Ein sehr sachlicher und angenehm entspannter Artikel, Frau Stephan. Wenn man sich wie ich einen nahezu vollständigen Überblick über die leitmedialen Anti-Pirincci-Kalaschnikowattacken verschafft hat, kommen einem bei solcher Lektüre fast die Tränen vor Rührung und Erleichterung, dass es so was ja auch noch gibt. In der Tat: Die ZEIT hat’s voll vergeigt. Und zwar besonders durch ihren Nachleger zur Mangold-Rezension, die Quasi-Reportage “Wir Dummschwätzer?” von Stefan Willeke. Willeke ist zu dem von Kollege Mangold erzeugten Leser-Blatt-Problem tatsächlich nicht mehr eingefallen, als ein paar der kritischen Kommentatoren zu besuchen und ihnen dann ordentlich ans Bein zu pinkeln – nämlich durch reportagehaft aneinandergereihte Details zu deren Person, Leben, Wohnumfeld usw., die erkennbar nur darauf angelegt waren, Stimmung gegen sie zu machen. Man wollte sich bei der ZEIT wohl nicht gleich mit der Mangold-Pleite abfinden – und hat’s dann halt nochmal auf dieselbe Art versucht. Die Kommentare zeigen, dass man’s besser gelassen hätte; nur hätte das beinahe jeder Trottel auch schon vorher sagen können. Es ist wirklich erstaunlich, mit welcher Naivität hier vorgegangen wird – aber der von Ihnen attestierte “Hochmut” trifft’s wohl besser. Die Strategie von Willeke fand im “Pirincci-Prozess” übrigens häufiger Anwendung. Willeke befasste sich mit der Frage: “Was für Leute finden denn so was gut?” (das Pirincci-Buch); andere Journalisten verlegten sich auf die Frage: “Was für Leute veröffentlichen denn so was?”, und machten Stimmung gegen den Verlag. In beiden Fällen wird der Sachinhalt des Buchs komplett ignoriert, und man muss nicht besonders clever sein, diese “soziologische” Strategie als MITTEL zu erkennen, um sich nicht mit dem Buchinhalt beschäftigen zu müssen. Wobei man statt “Strategie” auch gleich “Diffamierung” sagen könnte. Das ist keine Petitesse. Und es ist ein kolossales Eigentor, denn es bestätigt Pirinccis Sachaussagen über die von mir so genannte “inhaltsbestimmende Kaste” in geradezu dramatischer Weise. Man muss sich das mal vorstellen! Pirincci sagt: “Der ganze Laden ist durch und durch tabuverseucht und denkverbotsvernagelt” – und die inhaltsbestimmende Kaste behandelt den Sachinhalt seines Buches wie ein Tabu, ja erklärt ihn sogar zum Tabu. Das “peinlich” zu nennen wäre noch gnädig. Wichtig finde ich auch Ihren Hinweis auf die “Rechte” von Schriftstellern, wie man heute wohl am ehesten sagen würde. (Sie sprechen ja nicht zufällig von “dürfen”!) Genau – das ist ihr Job, sich über alles Mögliche Gedanken zu machen. Und die skandalös unsoziologische Tatsache, dass es sich im INDIVIDUELLE, ja oft idiosynkratische Gedanken handelt, muss man nun mal runterschlucken, wenn einem die totalitäre Alternative vielleicht doch nicht ganz genehm ist. (Danke übrigens, dass Sie für Sibylle Lewitscharoff eine Lanze brechen. Ich finde auch: Die darf so was.) Noch etwas zum Stil von Akif Pirincci: Eine Ihrer Kommentatorinnen (die das Buch laut eigener Aussage weder gelesen hat noch lesen will) fühlt sich “von der Wortwahl des eingebürgerten Türken abgestoßen.” Und sie schreibt weiter: “Wenn man sich über Ordinärem definieren muss bzw nur dann Gehör bekommt, zeigt es zwar viel über unsere Gesellschaft, aber auch über die Schwäche und Probleme des Stillosen.” Das überzeugt mich gar nicht. Pirinccis äußerst besonderer Stil in diesem Buch sagt mit Sicherheit am allerwenigsten über “unsere Gesellschaft”. Und er sagt auch nichts über “die Schwäche und Probleme des Stillosen”, da er ja nicht stillos ist. Am meisten überzeugt mich bezüglich dieses Stils die folgende Passage von Adorjan F. Kovacs in der Blogzeitung “Die freie Welt” (4. April 2014): “Ich habe, wie eine Reihe anderer Autoren auch, in der Sache schon vor Jahren ganz ähnlich wie Pirinçci geschrieben (siehe mein Buch ‘Deutsche Befindlichkeiten’). Aber es muss wohl in der rabiaten Weise gemacht werden, wie dies Pirinçci getan hat, sonst reagiert keiner. Dass Pirinçci sich hier Gewalt angetan hat, daran besteht für mich kein Zweifel. Mangold attestiert ihm ‘Rohheit und Brutalität’, die gleichsam aus dem Herzen kämen. Verleumdung ist das und weit gefehlt. Pirinçci zeigt im Kapitel über die Frauen, dass er im Grunde ein heilloser Romantiker ist. Aber er wollte gehört werden, auch gegen die lärmende Brandung der Staatsmedien. Er wollte einer routinierten medialen Entsorgung vorbeugen. Darum dieser Furor, der beispiellos ist. Eine bewusste schriftstellerische Entscheidung.” Genauso sehe ich das auch. Er musste es so machen. Sonst reagiert ja keiner – aber dafür kann Pirincci nichts.

Dirk Ahlbrecht / 05.05.2014

Das mit dem Sprachrohr in Sachen Qualitätsjournalismus, Frau Neufert, geht ja auch gar nicht - zumindest nicht im Sinne des Volkes. Denn die Sprachrohr-Funktion erfüllen hierzulande die Mehrheit der Damen und Herren Journalisten schon im Sinne der Regierung bzw. der Parteien im Deutschen Bundestag. Da bleibt natürlich keine Zeit auch noch im Sinne des Souveräns zu agieren. Darüber hinaus kennen wir die Nummer mit dem “eingebürgerten Türken”, Frau Neufert, schon aus der Sprachrohr-Ecke. Alexander Wallasch hieß wohl jener Volksdeutsche, der unlängst den Neubürger Akif Pirincci dahingehend zurechtwies, wer hier denn überhaupt das Recht hat braune Hosen zu tragen. Ist also bereits ein alter Hut. Ferner wäre es sicher hilfreich, wenn auch Sie einmal jenen Ort verlassen, an dem sich offenbar Fuchs und Hase gute Nacht sagen, um an einem Freitagabend, und zwar allein und zu Fuß, beispielsweise in der Karl-Marx-Strasse in Berlin-Neukölln Anhänger des friedfertigen, schlauen und gar lustigen Islams aufzusuchen. Auf diesen Ihren gar lustigen Bericht von dieser Exkursion, Frau Neufert, freuen wir uns schon sehr.

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