Peter Grimm / 29.05.2021 / 10:00 / 33 / Seite ausdrucken

Überholen im N-Dorf

Walter Ulbricht, der SED-Chef in den ersten Jahrzehnten der DDR, hat neben seinem berühmten Satz, wonach in seinem Staat niemand die Absicht hätte, eine Mauer zu errichten, noch ein beinahe ebenso häufig zitiertes Motto hinterlassen: „Überholen ohne einzuholen“. Der Genosse Ulbricht wollte so den kommenden Sieg der sozialistischen DDR im Wettbewerb mit dem kapitalistischen Westdeutschland beschreiben. Diesen Versuch kreativer Dialektik nutzten Zeitgenossen gern zum Spott, denn in Diktaturen lacht man ja bekanntlich vor allem dann gern über die Machthaber, wenn man unter ihnen nichts zu lachen hat.

Heutzutage passt dieses Motto aber auch zu dem Verhältnis von Satire und Wirklichkeit. Sobald ein Autor versucht, sich eines Themas satirisch anzunehmen, zieht die Wirklichkeit nicht nur nach, sondern sofort an der Satire vorbei.

Sie erinnern sich vielleicht noch, es ist ja kaum länger als zwei Wochen her, dass der Gebrauch des Wortes „N…schwanz“ die Republik erregte. Als Robert von Loewenstern hier auf achgut.com die übertriebene Hysterie rund um das „N-Wort“ karikieren wollte, schrieb er, auf die Kraft zuspitzender Überhöhung setzend:

„Was zum Beispiel geschieht mit den Einwohnern von 57462 Neger an der Neger, unterteilt in Oberneger, Mittelneger und Unterneger? Wie sollen diese bedauernswerten Menschen künftig eine behördliche Anfrage nach ihrem Wohnsitz beantworten? Etwa mit „Darf ich nicht sagen“ oder mit „Ich lebe in N-Wort am N-Wort“? Oder müssen die Sauerländer einfach umziehen? Zum Beispiel nach 24392 Mohrkirch oder 95199 Schwarzenhammer?"

Diese Zeilen erschienen am 20. Mai. Acht Tage später konnte man bei bild.de die Schlagzeile lesen: „Grünen-Nachwuchs will Dorf umbenennen – es geht um das ’N’-Wort“. Das aber war keine Satire, sondern es ging darum, dass die Grüne Jugend aus Bad Segeberg ernsthaft forderte, den Namen des nahegelegenen, knapp 1000-Seelen-Dorfes Negernbötel zu ändern: „Der Ortsname N***rnbötel enthält das sehr verletzende und rassistische N-Wort“, habe die Grüne Jugend Segeberg bei Instagram geschrieben und gefordert: „N***rnbötel umbenennen!“

BILD erklärt in dem Artikel den Ursprung des plötzlich umstrittenen Ortsnamens:

„Erstmals erwähnt wurde das Dorf 1306, als eine weitere Siedlung (Plattdeutsch: ‚Botele‘) am Kloster Segeberg entstand. Die eine lag näher (Platt: ‚negern‘) am Kloster, die andere weiter weg (Platt: ‚fehren‘). So entstanden die Dörfer Negernbötel und Fehrenbötel.“

Das wissen auch die Bad Segeberger Grünen, doch sie glauben, weil Plattdeutsch „keine sehr weit verbreitete Sprache mehr“ sei, assoziiere heutzutage jeder den Ortsnamen „mit dem rassistischen, Jahrhunderte zur Unterdrückung von schwarzen Menschen genutzten N-Wort“. Die Sprachreiniger schlagen, so liest man, alternativ den Namen „Näherbötel“ vor.

Nun kommen von außen vorgeschlagene Umbenennungen von Orten oder auch Straßen bei den betroffenen Anwohnern selten gut an. Es ist auch nicht zu erwarten, dass Negernbötel in allernächster Zukunft umbenannt wird. Insofern wurde in Negernbötel Loewensterns Satire vielleicht noch nicht von der Wirklichkeit, sondern von der Realsatire überholt. Letztlich ist es ja nur eine amüsante Provinzposse.

Allerdings zeigte sich in den vergangenen Jahren immer wieder, dass solche Art der Realsatire erst immer häufiger auftritt, um nach einer Weile immer realer und immer weniger satirisch zu werden. Doch auch wenn es ernst wird, über eine Realsatire zu lachen, ist in jedem Falle unvermeidlich.

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Leserpost

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Karl-Heinz Vonderstein / 29.05.2021

Den Begriff Sauerland müsste man auch mal ändern, klingt so als seien die alle sauer.Oder beim Begriff Niedersachsen könnte man meinen als seien die weniger wert als die Sachsen in Sachsen.Auch für die Bürger der Stadt Braunschweig wünscht man sich einen besseren Namen.Man denkt sofort bei Braun an unschöne Zeiten in Deutschland und bei Braunschweiger, dass die alle Nazis sind und nicht reden oder stumm seien.Und mal ehrlich, Düsseldorf ist kein Dorf, sondern eine Stadt, sogar eine Großstadt.Ja und das schlimmste ist der Begriff Schwarzwald, mehr brauch ich ja wohl dazu nicht mehr zu schreiben. Darum sollten sich mal die Grünen kümmern.

Volker Kleinophorst / 29.05.2021

Zu Reparationen allgemein. Was haben denn die Schweden an Deutschland für Reparationen gezahlt für den 30-jährigen Krieg. Welche Reparationen hat Frankreich für das Wirken Napoleon gezahlt. Was kriegen die Indianer außer warmen Worten? Ihr Land zurück? Und zwar in ganz Amerika. Was zahlte die katholische Kirche dafür, dass sie Amerika den Kolonialmächten “schenkte”. Die Türken erkennen ihren Völkermord an den Armeniern nicht mal an, nein sie machen weiter und Geld fließt an islamische Kämpfer. Und ganz ganz “rechtsaußen” es überhaupt anzumerken: Was ist mit den Kriegsverbrechen und Progromen gegenüber Deutschen vor und nach dem 2. Weltkrieg. Betrachten wir die Welt jetzt im Entschädigungsrückspiegel? Dann aber mal ohne Doppelstandards. Ein Gedanke: Dieses Gesuche nach deutscher Schuld, diese Obsession der Selbstbezichtigung ist nach meiner Ansicht eine Projektion, die man vom weggucken, wegducken und der Angst vor der eigenen Vergangenheit bekommt. Ein krummer Rücken der Seele. Dabei muss man sich doch keine Sorgen machen: Mehr als unser “Besiegfreier “es bereits getan haben und es immer noch tun ja uns selber tun lassen, kann uns die Realität doch gar nicht mehr dämonisieren. Ausgeburt der Hölle ist wohl kaum zu steigern. Was ich allerdings originell finde und auch ein bisschen unverständlich. Diese Projektion hat mittlerweile ja die ganze weiße Rasse von innen ausgehöhlt also auch die “Sieger”. Mittlerweile ist “Nazi” zum Synonym für Weiße und Weiße Vorherrschaft geworden. Spekulation: Eine Lüge ist halt kein Fundament.  Nicht für den Belogenen und eben auch nicht für den Lügner. Lügen tötete die Seele. Guckt euch doch nur die leeren Augen an von “endlose Liste”. Der Erste den man belügt, ist man immer selbst. Das gilt im Großen wie im Kleinen. Das habe ich von meiner Oma und kann mit 64 bezeugen, das war ein guter Rat für das ganze Leben. Das ist Volksweisheit. Aber das muss ja weg. Und zwar beides: Volk und Weisheit.

Mathias Bieler / 29.05.2021

eiNE GERn geseheNE GERanie macht keiNE GERäusche. Dieser Satz hat ein paar Minuten gedauert und ist genau so sinnfrei wie die Aktion der Grünen Jugend Bad Segebergs.

Wilhelm Rommel / 29.05.2021

Schlag nach im “Schleswig-holsteinischen Wörterbuch” (online abruf- und durchsuchbar): “neger” und “nöger” (beides für: näher) sind in der Region guten Gewissens auch gegeneinnder austauschbar - wie wärs also mit “Nögernbötel”? “Näherbötel” wäre allerdings der krankhafte Auswuchs ansonsten hohler Köpfe (als Standardbefindlichkeit der Grünenden Jugend). Und dann noch die umwerfende Feststellung, dass Plattdeutsch „keine sehr weit verbreitete Sprache mehr“ sei: Als ich vor einigen Jahren Gast bei einer Konfirmation im westlichen Schleswig-Holstein war, sprach die Mehrheit der in der proppenvollen Kirche Anwesenden untereinander - ein meinen niederdeutschen Ohren angenehmes (weil dem eigenen Kindheits-Idiom sehr ähnliches) - Platt; völlig unvorstellbar etwa im wesernahen Nordrhein-Westfalistan… Das Beste dürfte sein, wenn die Negernböteler bei den Schlachtereien ihres Vertrauens für den Notfall einen ordentlichen Satz “Bullen-Pesel” (für Nicht-Norddeutsche: Ochsenziemer) organisieren würden, um den jung-dynamisch-bildungsfernen Segeberger Sprach-Verhunzenden vielleicht einmal ein wenig den “Mors” (für Nicht-Norddeutsche: Hintern) zu versohlen!  

Walter Weimar / 29.05.2021

Ich warne eindringlich vor Drogen und seinen Nebenwirkungen. Wahrscheinlich auch Fälle von Kiffen im Mutterlaib. Anders kann ich das gebaren der jungen Grünen sonst nicht erklären.

ralf krochmalsky / 29.05.2021

Hatte eine sehr schwere Woche und konnte jetzt lachen.Danke :-)

Gerhard Döring / 29.05.2021

Kleine satirische Anmerkung:  Zur Autopflege benutze ich Nigrin. (Bezeichnung für einen eisenhaltigen, schwarzen Rutil und ist ist ein häufig vorkommendes Mineral). Meine Knöpfe sind mit Nähgarn befestigt und der Rio Negro fließt von Kolumbien in den Amazonas. Auf der spanischen Seite der Pyrenäen lebt das schwarze Schwein (Iberico Schwein oder Pata Negra genannt). Das Hinterteil vom einheimischen Reh jedoch nennt man Spiegel, es ist weiß und lebt schon lange im deutschen Wald. Darum wollen Rot Grün hier zur Dezimierung des Wildes den Wolf! Es gibt noch viel zu tun bei der Rettung des Planeten.

Justin Theim / 29.05.2021

Na, da sollen diese geistigen Flachflieger doch gleich mal in Montenegro weitermachen. Auch Nigeria empfiehlt sich geradezu für eine Umbenennung, ist es doch phonetisch noch viel näher an dem bösen N-Wort. Komisch nur, dass die überwiegend schwarze Bevölkerung von Nigeria mit diesem Namen keinerlei Probleme hat. Die neue deutsche Grammatik hat den Steigerungsformen eine neue hinzugefügt, nach dem Superlativ kommt jetzt der Hyperlativ: dumm, dümmer, am dümmsten, grün!

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