Tugendrausch und Lernblockade

Vor einigen Tagen führte ich eine Unterhaltung über die deutsche Geschichte, deren Verlauf mich ehrlicherweise etwas aufwühlte. Es passte ganz gut zu Björn Höckes jüngster Gesangseinlage und stieß mich mit der vermeintlichen Relativierung der Verbrechen des Nationalsozialismus vor den Kopf. Tatsächlich ärgere ich mich im Nachhinein eher über mich selbst. Ich hatte nicht die Geduld und Disziplin, mein Gegenüber unvoreingenommen verstehen zu wollen. Wieder einmal haben zwei Menschen nicht miteinander, sondern nacheinander geredet.

Bei Gesprächen über die Schuld, den Totalitarismus und den Holocaust trifft man meist auf zwei Arten des Umgangs damit. Die eine Gruppe sieht sich fernab der Täter. Mit ihnen, ihrer Schuld und dem „Warum“ und „Wie“ müssen sie sich nicht auseinandersetzen, denn sie wären ja sowieso im Widerstand gewesen – egal, wie klein der damals war. Ihren Kampf „gegen Rechts“ führen sie heute heldenhaft und unbedroht fort. Sie haben den Lauf der Geschichte verstanden und sind moralisch so überlegen, dass sie den Kreis des totalitären Denkens sofort wieder schließen.

Die zweite Gruppe fühlt sich persönlich angegriffen. Sie sehen sich dem „ganz normalen Deutschen“ im Zweiten Weltkrieg sehr nahe. Sie führen an, welches Leid andere Nationen über andere Volksgruppen gebracht haben und dass einzig die Deutschen für ihre Tat ewig büßen müssten. Höckes Reden und Bühnengesänge und Gaulands „Vogelschiss“ sehen diese Gesprächspartner lediglich als mutwillig falsch verstanden und aus dem Zusammenhang gerissen, oder aber als richtig und wichtig, um endlich mal aus der Büßerecke herauszukommen.

Von der ersten Gruppe wurde ich größtenteils in der Schule unterrichtet, saß mit ihnen gemeinsam in Klassenzimmern und Vorlesungssälen. Die zweite Gruppe trifft man eher im Alltag – so wie ich vor einigen Tagen. Sie sind ein Teil der unveröffentlichten Meinung. 

Längst auf der abstrakten Ebene

Beide Formen der Reaktion auf die nationalsozialistische Vergangenheit haben jedoch eines gemeinsam. Sie betrachten die persönliche Verantwortung für die Monstrosität der absoluten Entmenschlichung der aus der Volksgemeinschaft Ausgeschlossenen nicht. Ihre Beweggründe, warum sie das tun, sind dabei jedoch unterschiedlich.

Gruppe 1 – das erwähnte ich bereits – sieht sich als moralisch überlegen. Ich habe einiges Nachdenken über das Gespräch mit der Person aus der 2. Gruppe benötigt, um zu verstehen, was sie mit – für mich teils schockierenden – Relativierungen ausdrücken wollte. Der Verweis auf Untaten Anderer entbindet nicht von der Frage der Verantwortung des Einzelnen. Ich war empört, wie man Schuld und Leid so völlig negieren und relativieren kann.

Mit einigen Tagen Abstand glaube ich, dass diese Person vor allem einen anderen Fokus hatte als ich. Während ich auf der Ebene der persönlichen Verantwortung und Moral argumentierte, war mein Gesprächspartner längst auf der abstrakten Ebene. Der Holocaust ist in Deutschland mittlerweile vor allem ein Symbol, ein Argument für (links) oder gegen (rechts) eine politische Handlung. Gesinnungsterror von Tagesschau bis Tatort hat den Fokus weggerückt von der persönlichen Auseinandersetzung mit den Gräueltaten der Nationalsozialisten und dem Schweigen der Masse.

Die Erinnerung an den Nationalsozialismus ist heute vor allem ein Mittel, um jeden Diskurs zu unterbinden, der das herrschende Narrativ angreift. Und mein Gesprächspartner merkte die Absicht seit langem und war augenscheinlich schon länger sehr verstimmt. Seine Äußerungen und die Unterstützung für moralische Grenzüberschreitungen von Höcke und Gauland sind die Reaktion auf die Instrumentalisierung des Holocaust. 

Die Gruppe 1 hat die Gruppe 2 geschaffen. Schon in den 1990er warnte Irenäus Eibl-Eibesfeldt davor, dass der herrschende politische Moralismus eine extreme Gegenreaktion richtiggehend provoziere. Die Nachfrage nach angeblichen „Nazis“ führt zu einem Angebot von angeblichen „Nazis“. „Wenn der ein Nazi sein soll, dann bin ich halt auch einer“, denkt so mancher bei haltlosen Stigmatisierungen Andersdenkender. Das Wort Nazi ist längst so abgenutzt, dass es jeglichen Schrecken der ursprünglichen, zugrundeliegenden Verbrechen verloren hat.

Eine stumpfe, inhaltsleere Verurteilung einer gesamten Nation, ohne dem WARUM auf den Grund zu gehen, ja sich gar nicht für das WARUM, sondern nur für die Monstranz des „Zeichensetzens“ zu interessieren, erzeugt die Abwehrreaktion derer, die sich zu recht als verunglimpft und Objekt von Manipulationsversuchen sehen. Als Kind teilte ich den Reflex des Verteidigens der Gruppe, derer ich mich zugehörig fühlte. „Ich habe doch keine Schuld an den Taten der Vergangenheit“, warf ich im Geschichtsunterricht in der 8. Klasse meiner Lehrerin entgegen. Oder, wie es Daniel Cohn-Bendit Jahre zuvor in einem Spiegel-Interview ausdrückte: „Man kann keinem zehnjährigen Kind sagen: Dein Pech ist es, daß du Deutscher bist. Du mußt dein Leben lang mit einem schlechten Gewissen leben. Wenn also Walser und andere erklären, daß Deutschland nicht permanent in antifaschistischer Zwangsquarantäne gehalten werden dürfe, dann stimme ich zu.“ 

Der Holocaust wird immer mit am Tisch sitzen

2015 beschäftigte sich Anja Reschke in einem Kommentar für die Tagesthemen mit der Schlussstrichdebatte um das Holocaust-Gedenken. Sie hat recht damit, wenn sie sagt, dass die Gräueltaten der Nationalsozialisten Teil ihrer deutschen Identität sind. Ein nichtjüdischer Deutscher und ein Jude, egal welcher Nationalität, werden sich – solange ich lebe und wahrscheinlich noch für längere Zeit danach – nicht alleine begegnen. Der Holocaust wird immer mit am Tisch sitzen. Jeder wird die mögliche Familiengeschichte des Anderen im Hinterkopf haben. Täter und Opfer. Tatsächlich hätte Anja Reschke meinem 13-Jährigen selbst damit eine ziemlich gute Antwort auf meine kindlich naive Aussage im Geschichtsunterricht geben können. Ihren Kommentar schloss sie 2015 dann jedoch mit einem Schwenk zu Pegida ab. Mit moralischer Überlegenheit der Gruppe 1 imprägniert, zeichnet sie eine direkte Linie von Auschwitz zu den Demonstranten. 

Es sind Journalisten, Politiker und sonstige Meinungsmacher, die mit Äußerungen wie dieser den Nationalsozialismus verharmlosen. Mir fehlen die Worte anlässlich dieser Verunglimpfung der Opfer des Holocaust; glücklicherweise haben schon viele hierzu, auch auf diesem Blog, die richtigen Worte gefunden. Folgt man den Äußerungen der Aktivisten „gegen Rechts“ jeglicher Berufsgruppen, so waren Nazis Wirtschaftsprofessoren mit fundierter Kritik an einer heterogenen Währungsunion, alte weiße Männer in Tweed-Jacketts und eigenwilligen Krawatten, Menschen mit Deutschlandhüten – oder junge Männer, mit Gel in den Haaren, wie es Böhmermann in den letzten Wochen moralisch überlegen verlautbarte.

Das Beispiel des Berliner Edelitalieners, der die AfD nicht bewirten will und das groß verkündet, zeigt eins: All diese öffentlichen Bekenntnisse sind kein Beweis von Rückgrat. Es ist vielmehr das Resultat eines gründlichen Screening-Prozesses des deutschen Untertans, was höchstherrschaftlich für opportun gehalten wird.

Als Martin Schulz, der Ritter der traurigen Gestalt, im September 2018 in unflätiger Weise die AfD auf den Misthaufen der Geschichte wünschte, zeigte er auch bewährte deutsche Tugenden. Unter Entmenschlichung können wir Deutschen den politischen Gegner anscheinend nicht kritisieren. Berlusconi hatte damals mit seiner Charaktereinschätzung vielleicht nicht ganz unrecht. Diese politischen Instrumentalisierungen des unsagbaren Verbrechens führt zu einer extremen Abwehrreaktion. 

Die Erinnerungskultur an den Holocaust in Deutschland ist abstrakt und verlogen. Hohle Phrasen und klebrig moralisierende Elemente dürfen in keiner politischen Rede zum Nationalsozialismus fehlen. Das Ganze ist weit weg vom Menschen. Aber eine Sache, die – aus dem Blickwinkel derer, die nicht mit dabei waren und aus Geschichtsbüchern wissen, wohin alles führte – klar zu bewerten ist, bei der sich Handeln tatsächlich einmal eindeutig in „gut“ und „böse“ einteilen lässt, in der auch Unterlassen eine persönliche moralische Niederlage war, kann man nicht abstrakt betrachten.

Die Möglichkeit, sich im Dritten Reich nicht schuldig zu machen

Was bitte soll ein kollektives Gewissen sein? Das Gewissen ist etwas sehr Persönliches – und die Auseinandersetzung damit kann richtig unangenehm werden. Das Beschäftigen mit dem „Wie“ und „Warum“ bringt einen an die Abgründe der eigenen menschlichen Existenz. „Ich schäme mich, Mensch zu sein, denn Kain war Abels Bruder“, zitierte Peter Bamm eine Frau, die dies einem Deutschen entgegnet, der ihr gegenüber, nachdem er erfuhr, dass sie Jüdin war, seine Scham über seine Herkunft ausgedrückt hatte.

Aber es gab sie, die Möglichkeit, sich im Dritten Reich nicht schuldig zu machen. Der Bremer Senator und spätere Bürgermeister Wilhelm Kaisen legte seine politische Karriere zu Zeiten der Nationalsozialisten nieder und bestellte als Bauer sein Feld. Joachim Fest schildert in seiner Biographie „Ich nicht“, wie sein Vater, Johannes Fest, seine Karriere und soziale Stellung aufgab, weil er sich nicht mit den Nationalsozialisten gemein machen wollte. Es steht mir nicht zu, die Menschen dieser Zeit, die älteren Mitläufer oder die begeisterten, fanatisierten Jugendlichen, zu verurteilen. Niemand, der nicht dabei gewesen ist, kann das Leben in einem totalitären Staat und im totalen Krieg wirklich begreifen.

Sicherlich sind Menschen wie Kaisen oder Fest Ausnahmeerscheinungen in jeder Generation. Aber dieser Blickwinkel lenkt die Sicht auf die Frage, wo Schuld beginnt und vor allem, wie man nicht schuldig wird. Genau das sollte der Fokus der Aufarbeitung des Nationalsozialismus sein. Es ist nicht mehr der Kampf um die Kollektivschuld. Die Schuldigen, Mitläufer und selbst die begeisterten und missbrauchten Kinder von damals sind heute kaum noch unter uns. Es geht vielmehr darum, welche Lehren wir aus dem Totalitarismus ziehen – oder eben nicht.

Denn nur, wenn man versteht, wie es zu dieser Katastrophe kommen konnte, kann man sie beim nächsten Mal verhindern. „Es darf nie wieder passieren“ ist jedoch längst nur noch eine Floskel und die Erinnerung an den Holocaust reine Folklore. Kein Appell an die „Grenzen der Menschheit“, keine Warnung vor dem Philosophenkönig, keine Absage an die Entmenschlichung Andersdenkender. Politik und Medien versuchen mit der Geschichte von damals nicht das heute zu verstehen, sondern es zu beeinflussen. Die Gruppe 1 ist im Tugendrausch, und die Gruppe 2 hat die Schnauze voll davon.

Deutschland bleibt eine „verletzte Nation“, wie es Elisabeth Noelle-Neumann formulierte. Aus der Geschichte gelernt hat das Land nicht. Wir sind immer noch mitten drin.

Foto: Bildarchiv Pieterman

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Karla Kuhn / 28.05.2019

Herr Bechlenberg, besser kann man es nicht ausdrücken. Als nach dem Mauerfall u.a. auch viele West Politiker in den Osten strömten, um den DDR Bürgern, die ja anscheinend in vielen West Augen bisher noch auf den Bäumen saßen, erst mal zeigen wollten WIE das RICHTIGE LEBEN auszusehen hat, hat für mich (ich lebte damals schon in München) eigentlich die Verdrossenheit latent begonnen. Das hat sich gesteigert mit dem Beginn der Kanzlerschaft von Merkel. Aber anstatt mit FINGERSPITZENGEFÜHL diesen Menschen zuzuhören, wurde so nach und nach die Nazikeule geschwungen. Gauck, mit seinem Dunkeldeutschland, Roth mit laß Hirn regnen ( für sie ??) Pack-Sigi. Stegner etc. haben dann nach und nach das Kraut fett gemacht.  Das Kind ist in den Brunnen gefallen. Die Afd hat ein Wahlprogramm der CDU in ähnlicher Form übernommen und für dieses Wahlprogramm und weil die AfD hervorragende , intelligente Rhetoriker hat, die mit INHALTEN punkten, statt mit Phrasen, wird sie meiner Meinung nach ständig angefeindet und als “rechtspopulistisch” hingestellt. Manchmal habe ich das Gefühl, wenn bestimmt Politiker sich wieder am AfD bashing berauschen, sie meinen sich selbst damit. Es wird keine Politik mehr für uns, das Volk gemacht, so sehe ich das, sondern nur noch Grabenkämpfe untereinander mit zumTeil ganz fiesen Methoden (STRACHE; ANTIFA, Überfälle auf AfD Politiker, Häuser Autos) ausgefochten. SIND wir NUR noch zum bezahlen der DIÄTEN da ??  Nicht umsonst verlassen immer mehr FACHKRÄFTE das Land.  Etliche Millionäre haben schon lange das sinkende Schiff verlassen und wenn es weitergeht mit dem Industriestandort Deutschland, ist der schneller im Ausland als gedacht. Dann dürfen die Grünen mit den Gretels und den Kevins wieder wie im Mittelalter die Wäsche im Fluß waschen und sich im Winter den A… abfrieren. Denn die “Neubürger” sind dann wahrscheinlich auch wieder über alle Berge. Heute konnte ich lesen, daß ein CLAN hops genommen wurde, um WIEVIEL Millionen ist es da gegangen ?

Sanne Weisner / 28.05.2019

Es ist ein Dreiklang, denn zu den Erinnerungs-Folklorikern und den “Mir doch egal”-Typen kommen die Shoabusiness-Betreiber, und das ist kein spezifisch jüdisches Geschäft. Gerade dieser “Industriezweig” hat im Zusammenspiel mit den Bigotten das ganze Holocaust-Thema zu einer Art moralisch aufgeladenen Beschiss verunernstet. Beide Gruppen haben Politik oder ein Geschäft mit dem Massenmord gemacht. Beißhemmung gegen Linksextremisten für die einen und ein Gratis-U-Boot oder Gemälde für die anderen und der nächste bekommt einen Oscar, solange er/sie die richtigen Triggerpunkte berührt. Und die bei dieser Art von “Geschäften” Geschröpften oder zumindest Nichtbegünstigten haben sich dann auf den Stinkefingergestus zurückgezogen. Aber man kann beruhigt sein, weder die Geschäftemacher noch die “Mir doch egal”-Typen werden für eine Wiederholung von 1933 und danach sorgen. Eher schon die Bigotten. Zusammen mit den wiederum typisch deutschen Romantikern, die nicht sehen, hören, lesen wollen was ist, und vermutlich vielen von Merkels Neuvolk. Die nächsten Opfer stehen noch nicht fest.

Silas Loy / 28.05.2019

Die Shoah wurde nicht von den Deutschen gewollt und durchgeführt, sondern von bestimmten Deutschen. Die Deutschen ganz allgemein haben allerdings je nach Möglichkeit die Verantwortung dafür gehabt, dass diese Kriminellen überhaupt dazu in die Lage versetzt wurden. Viele waren auch zugänglich für den “Appell an den inneren Schweinehund” (Kurt von Hammerstein), der von den Nazis ausging und für die sich bietenden Karrieremöglichkeiten. Man sollte aber auch nicht vergessen, dass Separierung und Diskriminierung zu jener Zeit auf der ganzen Welt tägliche Praxis und Normalität waren. Angefangen bei den althergebrachten Differenzen zwischen Katholiken und Protestanten bis hin zu handfester rassischer Apartheid in den Kolonien oder in Nordamerika. Der sogenannte Antisemitismus war in diesem Umfeld alles andere als eine exklusive Diskriminierung. Und die Eskalation hin zum industriell organisierten Massenmord 1941-45 war noch viel unvorstellbarer als es 1914 die Materialschlachten des 1. Weltkriegs gewesen waren. Die Deutschen wissen bis heute nicht, wie sie mit diesem Verbrechen angemessen umgehen sollen. Einerseits trifft sie natürlich keine Kollektivschuld, andererseits müssen sie eine für die Opfer wahrhaftige und würdige Form finden damit umzugehen. Leute, die von Auschwitz als dem Gründungsmythos der Bundesrepublik reden, wegen Auschwitz in die Politik gehen oder sonst irgendwie ihr Geschäft damit machen und dieses Verbrechen für ihre Zwecke instrumentalisieren sind da absolut keine Hilfe. Und das ist noch freundlich gesagt.

Johannes Schuster / 28.05.2019

Dieser Artikel wird den deutschen Eigenschaften nicht gerecht, die den Mord möglich gemacht haben. Es gibt es als Metalogik in den Deutschen, was jenseits aller Zeitpolitik den Mord als Verwaltungsziel in die Menge nimmt. Und dieser kerntechnische Vorgang ist für Deutsche unreflektierbar.

Karl-Heinz Vonderstein / 28.05.2019

Eine Katrin Göring-Eckhardt oder Katja Kipping z.B. sind, auch wenn sie es öffentlich nie sagen werden, bestimmt fest davon überzeugt, dass sie damals im Widerstand gewesen wären.Ich glaub, sehr sehr viele können es sich im heutigen Deutschland einfach nicht vorstellen, wie es ist in so einem totalitären Staat zu leben, der praktisch alles unter seiner Kontrolle hatte und dessen Führer, Regime und Untergebene vor nichts zurückschreckten und keinerlei Skrupel hatten, sich selbst und die eigene Ideologie mit allen (brutalen) Mitteln zur Herrschaft über Deutschland, Europa und großen Teilen der Welt zu führen. Diese Menschen in Deutschland, die es sich so leicht machen, meinen anscheinend, ihr “Mut” heute (Kampf gegen Rechts, Kampf gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus) zeige, dass es möglich gewesen wäre damals Widerstand zu leisten. Sie meinen anscheinend auch in einer solchen Diktatur wäre nur entscheidend, ob man moralisch anständig und menschlich ist und die richtige Haltung hat und dass dies allein darüber entschieden hätte, ob man damals mitgemacht hat oder im Widerstand war. Außerdem gabs ja auch sehr viele, die weder mitgemacht haben noch im Widerstand waren.  

Sabine Drewes / 28.05.2019

@Herr Dietmar Blum: Das ist in der Tat noch mal ein Kapitel für sich…

Ella Greifer, Tel-Aviv / 28.05.2019

Ja, genau! Das kann ich als in Moskau geborene Jüdin sehr wohl bestätigen. Meine Eltern waren in einer totalitären Gesellschaft groß geworden und nach ihren Erzählungen kann ich mir diese Gesellschaft vorstellen und die Menschen verstehen, die das selbständige Denken nicht gelernt haben. Aber wenn ich den heutigen Deutschen klarzumachen versuchte, daß man, wenn man den neuen Totalitarismus verhindern will, nicht auf schöne Worte und “Zeichensetzen” setzen soll, sondern die Fähigkeit, eine eigene Position aufzubauen, beibringen, fand ich nur taube Ohren. Das schlimmste war aber, daß mein Gegenüber manchmal statt meiner real existierenden menschlichen Person nur noch seine eigene vermeintliche “Schuld” sehen konnte.

Ralf Pöhling / 28.05.2019

Sehr schön zusammengefasst. Es gibt so unendlich viele Dinge, über die sich Deutsche und Juden, man verzeihe mir diese ungenaue Unterteilung, unterhalten könnten. Aber jedes öffentliche Gespräch, jede offene Diskussion beginnt immer wieder mit dem Zweiten Weltkrieg und dem Holocaust. Und das obwohl die betroffene Generation in der Breite nicht mehr unter uns weilt. Was soll dabei anderes herauskommen, als das Täter-Opfer Schema auf alle Zeiten zu zementieren? Das ist weder gut für die Deutschen, noch die Juden. Und es führt letztlich zu so grotesken Auswüchsen, wie dem massenhaften Import von Antisemiten aus dem Nahen Osten, bei gleichzeitiger medialer Umleitung von deren Taten auf de facto kaum existierende deutsche Nazis. Wir müssen das Verhältnis zwischen Deutschen und Juden endlich auf eine gesunde Basis stellen. Jedem, der uns deshalb eine Schlussstrichmentalität unterstellen will, müssen wir folgendes entgegenhalten: Es geht nicht um einen Schlussstrich, sondern um einen Neuanfang!

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Lisa Marie Kaus, Gastautorin / 08.11.2023 / 14:00 / 49

Migration: Die Sache mit den 50 Milliarden

Durch den Migrationsgipfel wurde nun erstmals bekannt, wie viel Bund und Länder gemeinsam für direkte Kosten in Verbindung mit Flucht und Migration zahlen. 2023 sind…/ mehr

Lisa Marie Kaus, Gastautorin / 31.10.2023 / 12:00 / 48

Wohlstandskollaps im Multikulti-Einhornland

Alimentiert durch den Wohlfahrtsstaat platzen Wertekonflikte nur begrenzt, mit weniger Druck und seltener an der Oberfläche des Melting Pot. Wenn aber plötzlich nicht mehr nur…/ mehr

Lisa Marie Kaus, Gastautorin / 12.09.2023 / 10:00 / 38

Wann fliegt uns denn nun alles um die Ohren? (2)

Solange Sie in einem Land leben, in dem Politiker uneingeschränkte Auszahlungen aus Sozial- und Gesundheitssystemen versprechen, leben Sie im falschen Land, um sich irgendwie auf…/ mehr

Lisa Marie Kaus, Gastautorin / 11.09.2023 / 12:00 / 52

Wann fliegt uns denn nun alles um die Ohren? (1)

Wenn Sie Wirtschaftswachstum, Steuern, Staatsausgaben und den Realzins korrekt vorhersagen, wissen Sie die genaue Zeit und den genauen Ort, an dem uns das hier alles…/ mehr

Lisa Marie Kaus, Gastautorin / 20.06.2023 / 13:00 / 4

Akademie der Freiheit der Hayek-Gesellschaft

Vom 30. Juli bis zum 4. August 2023 findet wieder die Akademie der Freiheit der Hayek-Gesellschaft statt. In einer Woche vermitteln renommierte Dozenten Inhalte aus…/ mehr

Lisa Marie Kaus, Gastautorin / 26.01.2023 / 10:00 / 29

Wie deindustrialisiere ich ein Land? Teil 3: Unter Räubern

Diese Anleitung in drei einfachen Schritten erklärt zum Abschluss, wie der Staat den Bürger Schritt für Schritt enteignet und sich selbst an den abgepressten Milliarden…/ mehr

Lisa Marie Kaus, Gastautorin / 25.01.2023 / 14:00 / 24

Wie deindustrialisiere ich ein Land? Teil 2: Das Versprechen

Diese Anleitung in drei einfachen Schritten beschreibt heute, wie die Politik in Finanz-, Migrations-, Corona- und Energiekrise Ängsten begegnet, indem sie die Probleme mit unvorstellbaren…/ mehr

Lisa Marie Kaus, Gastautorin / 24.01.2023 / 10:00 / 79

Wie deindustrialisiere ich ein Land? Teil 1: Die Ideologie

Diese Anleitung in drei einfachen Schritten schildert zunächst, wie ideologiebasierte Politik funktioniert, indem sie die Bürger glauben lässt, sie meine es nur gut mit ihnen.…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com