Peter Grimm / 26.05.2020 / 11:58 / Foto: Patricia Ilizaliturri / 52 / Seite ausdrucken

Thüringen wieder im Gleichschritt?

Bodo Ramelow rudert zurück. Am Wochenende hatte er noch den Eindruck erweckt, die Thüringer vom Ausnahmezustand per Allgemeinverfügung befreien zu wollen. Berichterstatter und Bevölkerung sahen schon das Ende von Maskenzwang und Kontaktsperren nahen, wenn der erste Ministerpräsident augenscheinlich aus der Einheitsfront der Regierungschefs aus Bund und Ländern auszuscheren gedachte. Auch freiheitsliebende Nicht-Thüringer, die lieber Gesicht zeigen, als sich zu maskieren, hofften kurzzeitig auf einen Domino-Effekt.

Doch dann hagelte es aus Berlin und diversen Landeshauptstädten sowie aus allen Parteien außer den Linken, der FDP und der AfD harsche Kritik. Mit „Entsetzen“ nahm man zur Kenntnis, wie „verantwortungslos“ und „gefährlich“ da in Thüringen agiert wurde. Aus dem Kanzleramt hieß es, man setze weiter auf ein einheitliches Vorgehen mit weiteren Kontaktsperren, Maskenpflicht und Mindestabstand. Offenbar sollen die Bürger nicht auf den Gedanken gebracht werden, ihnen stünden in absehbarer Zeit wieder ihre vollständigen Bürgerrechte zu.

Dazu möchten sich jetzt wahrscheinlich zu viele politische Verantwortungsträger als Sozialingenieure ausprobieren. Der Versuch, an welche neue Normalität mit mehr Vormundschaft und weniger Selbständigkeit man die Bürger gewöhnen kann, scheint einfach zu verlockend. Dazu braucht man aber den Ausnahmezustand sowie flächendeckende Verbots- und Gebotsregelungen und nicht nur zielgerichtete Maßnahmen dort, wo es wirklich eine konkrete bedrohliche Lage in Bezug auf Covid-19 gibt.

Das Kanzleramt gab am Montag schon einmal das Schrittmaß vor, mit welchen weitgehenden Kontaktbeschränkungen und natürlich dem Maskenzwang nebst Mindestabstand zu den Mitmenschen weiter zu rechnen sei. Konnte Thüringen da bei einem Extra-Kurs bleiben?

Den kleinen Freistaat wieder auf den „richtigen“ Weg zu bringen, darin hat die deutsche Politik durch die Vorgänge nach der Wahl des Kurzzeit-Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich (FDP) schon eine gewisse Übung. Manch einer mag gehofft haben, dass der Genosse Ramelow an dieser Stelle auf Ausnahmezustands-Aufhebungskurs bleibt, aber eigentlich konnte man daran nicht glauben.

Grundsätzlich haben die Linken mit Obrigkeitsstaat, Bevormundung und Außerkraftsetzung von Bürgerrechten kein Problem, insbesondere dann nicht, wenn sie regieren. Andererseits ist Genosse zu sehr Ramelow Populist, als dass er nach seiner populären Ankündigung einen einfachen Kurswechsel vollziehen würde. Aber da sich in den Reihen der SED-Erben viele Meister der Dialektik finden, überrascht es nicht, dass Ramelow es vermochte, seinen Kurs zu „verteidigen“ und sich gleichzeitig den Vorgaben der Kanzlerin zu unterwerfen.

Kein "Gesicht zeigen" in Thüringen

Man kann – es geht schließlich um die Verantwortung für all die Maßnahmen mit ihren absehbar verheerenden Folgen – ja nicht oft genug wiederholen, dass allein die Landesfürsten den Ausnahmezustand und die Aushebelung der Grundrechte mittels Infektionsschutzgesetz zu verantworten haben. Das Recht zu entsprechenden Dekreten hat die Bundeskanzlerin nicht, obwohl alle Beteiligten so tun, als sei es so. Die Kanzlerin müsste die Verhängung eines bundesweiten Notstands anstrengen, wollte sie den Ausnahmezustand selbst exekutieren. Aber de facto läuft es dennoch so, dass Angela Merkel die Fäden in der Hand hat und kein Ministerpräsident dagegen aufbegehrt.

Doch zurück zur meisterhaften Ramelow-Dialektik. Er betonte, dass er tatsächlich – wie angekündigt – am 6. Juni keine neue Corona-Allgemeinverfügung im Freistaat erlassen wolle. Vieles könnten die Landkreise und Städte regeln. Aber, so betonte er, ein Ende von Maskenpflicht und Mindestabstand hätte er nie versprochen. Auch ohne eine Allgemeinverfügung könnte das Land gezielte spezielle Verfügungen über die Maskenpflicht in Verkehrsmitteln oder Geschäften erlassen. So bliebe die Gängelung der Bürger in allen wesentlichen Punkten auch in Thüringen erhalten. Wer auf mehr „Gesicht zeigen“ hoffte, wurde enttäuscht.

So marschiert der Freistaat Thüringen wieder mit im Corona-Gleichschritt. Gestern hatte ich an dieser Stelle gefragt, ob Ramelow jetzt den Kemmerich macht. Aber besser trifft doch der Vergleich mit seinem CDU-Kollegen Armin Laschet aus NRW. Der hatte bekanntlich schon vor etlichen Wochen angekündigt, in seinem Land zur Normalität zurückkehren zu wollen. Die Kanzlerin empörte sich seinerzeit bekanntlich über „Lockerungsdiskussionsorgien“ und wie nach einer Orgie, die einem im Nachhinein etwas peinlich ist, wurde Laschet kleinlaut und gab sich mit ein paar klitzekleinen Lockerungen zufrieden.

Dem Genossen Ramelow war es wohl nach einer kleinen Eigenverantwortungsorgie, nun ist er in den Corona-Gleichschritt zurückgekehrt. Doch eines stimmt in seinem Vorgehen dennoch hoffnungsfroh. Der dem Populären nicht abgeneigte Ministerpräsident reagiert nur auf die Stimmungen, die er in der Bevölkerung wahrnimmt. Und jenseits aller Umfragen scheint auch bei den Deutschen die Zuneigung zu Vormundschaft und Unterwerfung nach und nach zu schwinden. Und das immerhin ist keine schlechte Nachricht.

Foto: Patricia Ilizaliturri CC-BY-SA 4.0 via Wikimedia

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Karla Kuhn / 26.05.2020

“Er will seinen Weg gehen und zugleich wieder mit im Gleichschritt mit der Kanzlerin bleiben.”  TJA, so sind halt die meisten Politiker, kaum noch MUMM in den Knochen, von “Eiern” gar nicht mehr zu reden. Habe eben auf youtube das Video “KLARTEXT, Deutschland sitzt auf einem Vilkan” gesehen, Da sagt der sympathische Herr Gärtner, daß MERKEL geäußert hat, sie habe keine Lust mehr auf die Ministerpräsidenten. IST DAS NICHT HERRLICH ?? Hat sie dazu noch mit dem Fuß aufgestampft, wie ein Kleinkind, dem man den DIDDI weggenommen hat ?? HABEN EIGENTLICH von denjenigen, die hier schon länger leben, überhaupt noch “LUST” AUF MERKEL ??  ICH hatte noch NIE “LUST” auf diese Person.  “Mit „Entsetzen“ nahm man zur Kenntnis, wie „verantwortungslos“ und „gefährlich“ da in Thüringen agiert wurde.”  Wenn sie was können, dann EMPÖRUNG !! SOLANGE KEINE OBDUKTIONEN vorgenommen werden, sind ALLE Maßnahmen nur VERMUTUNGEN ! WIE war das mit dem DROSTEN ? Merkels LIEBLINGSVIROLOGE, der schon 2009 versagt hatte ?? WARUM hat die Frau nicht auf den ÖFFENTLICHEN AUFRUF an sie von Professor BHAKTI geantwortet ?? WARUM hat sie diesen ÜBERAUS KOMPETENTEN Wissenschaftler und Arzt nicht als BERATER engagiert ?? Hatte sie ANGST vor der WAHRHEIT ?? Hätte sie dann ihre “Träume” nicht umsetzten können ?? Wahrscheinlich macht es ihr Spaß uns zu unterwerfen !  Der SOUVERÄN unter ihre KNUTE ?? Der Verbrecher-Unrechtsstaat DDR war wirklich abartig aber was jetzt abgeht mit dieser Frau ist für mich gar nicht faßbar ! Von ALLEN MP erwarte ich EIGENSTÄNDIGKEIT UND EIGENVERANTWORTUNG, ansonsten kann man die “Kleinstaaterei”  gleich abschaffen !  WARUM schielen die nach BERLIN ?? SELBER DENKEN, SELBER HANDELN !!

Wolfgang Richter / 26.05.2020

“Was erlaube Ramelow?” Vermutlich hat die Kanzlerette den Herrn Ramelow mal kurz darauf hingewiesen, wem er sein Amt verdankt. Und ein wenig Dankbarkeit und Verharren auf Berliner Regierungskurs ist ja wohl das Mindeste, was man erwarten kann. Und als Politdarsteller gelten ja ohnehin andere Freiheiten, als man sie dem Pöbel durchgehen läßt, egal ob im britischen Königreich als Johnson-Berater oder als MP von Thüringen, der unter Nichtbeachtung seiner eigenen Regeln vor kurzem als Nicht-Verwandter an der Beerdigung eines Nachbarn teilnahm. Von einem zu zahlenden Bußgeld habe ich nichts gehört. Das mit dem Ungleichsein im Sozialismus haben die Linken ja noch drauf, hat sogar auf den Westimport Ramelow abgefärbt. Ich fahr jedenfalls mit freiem Gesicht nach Holland, um meinen nächsten Großeinkauf zu tätigen. Wenn man meine Kaufkraft hier nicht möchte, ich habe Alternativen. Und wenn Unternehmer das verhindern wollen, dann können sie ja in Massen an den Samstagsspaziergängen teilnehmen.

Klaus Biskaborn / 26.05.2020

Unglaublich die Macht und der Einfluss Merkels, wie sie, abgesehen von einer Partei, alle ergebenst vor ihr kuschen. Dem letzten Satz im ansonsten mehr als zutreffenden Artikel würde ich allerdings nicht unterschreiben. Viele Menschen haben längst eine Angst vor Corona aufgebaut die sie bei allen Meldungen über Lockerungen förmlich zusammenzucken lassen. So kenne ich selbst Stimmen, die Ramelows Ankündigung regelrecht empörend fanden. Nein die linken Medien haben ganze Arbeit geleistet, die Deutschen wollen bevormundet und eingeschränkt werden. Letztendlich glauben die meisten Menschen alles was ihnen von Tagesschau und heute erzählt wird. Sonst hätten wir in diesem Land nicht einen solchen katastrophalen Grün-Linksschwenk mit allen seinen negativen Folgen für dieses Land.

Ilse Polifka / 26.05.2020

Lebenslange Abstandflicht und Maskentragen für die Raute des Grauens !

JoachimKaleja / 26.05.2020

Zustimmung scheint zu schwinden .  Da liegt die Betonung allein auf ,scheint‘ !  Allein die ständige Berieselung in den Medien zermürbt selbst denkende Menschen und bestärkt die innerlich vor Angst zitternden Großmäuler.  „I hab’s doch g‘sehä“ lautet dann das Argument .  „in der Glotze“  wird natürlich weggelassen. Nach meiner Ansicht wird das momentane Affentheater in den Geschichts-Büchern der Zukunft unter der gleichen Rubrik erscheinen wie die Gaskammern der Nazis und der Schießbefehl an der Zonengrenze !

Dietrich Herrmann / 26.05.2020

Vor allem Merkel selbst ist strikt der Maskenpflicht treu..?. Hat die irgendwer schon mal mitMaske gesehen? Und ich hatte mich sooo auf dieses AHA-Erlebnis gefreut, Merkel ohne Mundwinkel-Ziehung.

Jürgen Fischer / 26.05.2020

Alles wie gehabt. Frau Staatsratsvorsitzende verkündet, die Einschränkungen bleiben bis Juli, und alle zucken zurück. L’État, c’est moi, sprach die Sonnenkönigin. Oder, vor ein paar Tagen, auf arte, Der letzte Zug von Gun Hill, folgender kurzer Dialog: Hotelier: »Marshal, Sie brechen das Gesetz!« - Marshal: »Das Gesetz bin ich!!« Wie gesagt, alles schon dagewesen …

TH. Rosché / 26.05.2020

Ja der Gleichschritt - immer schon sehr beliebt in Deutschland ;-)

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Peter Grimm / 08.05.2024 / 06:15 / 61

Die CDU feiert Parteitag

In Berlin sollen ein neues Grundsatzprogramm und schöne Reden den einen zeigen, dass die Merkel-CDU Geschichte ist und den Merkelianern das Gegenteil beweisen. Und alle…/ mehr

Peter Grimm / 06.05.2024 / 10:00 / 103

Politik für ausgewählte Gewalttaten?

Nach dem brutalen Angriff auf einen SPD-Europaparlamentarier in Dresden rufen die Regierenden wieder zum „Kampf gegen rechts“, und die Innenministerin will mit „Maßnahmen“ reagieren. Die…/ mehr

Peter Grimm / 02.05.2024 / 12:00 / 29

Rauchfreie Wahlhilfe vom Tabakkonzern

Rauchfrei Rauchen mit Tabak-Lobbyisten, die mit dem Aufruf zum „richtigen“ Wählen die Demokratie retten wollen. Wenn man in den letzten Jahrzehnten Medien konsumierte, so gab…/ mehr

Peter Grimm / 01.05.2024 / 06:00 / 52

Durchsicht: Grenzen der Ausgrenzung

Die AfD solle nicht mehr zum städtischen Gedenken an NS-Verbrechen eingeladen werden, forderten die Grünen im Leipziger Stadtrat, und sorgten für eine interessante Debatte. / mehr

Peter Grimm / 26.04.2024 / 12:00 / 37

Keine Kästner-Lesung für „Freie Wähler“

Zweimal wollten die Freien Wähler in Dresden eine Lesung aus Erich Kästners „Die Schule der Diktatoren“ veranstalten. Beide Male wurde sie untersagt. Eine bittere Realsatire.…/ mehr

Peter Grimm / 23.04.2024 / 06:05 / 94

Anleitung zum vorbeugenden Machtentzug

Was tun, wenn die AfD Wahlen gewinnt? Das Votum des Wählers akzeptieren? Oder vielleicht doch schnell noch mit ein paar Gesetzen dafür sorgen, dass sie…/ mehr

Peter Grimm / 12.04.2024 / 06:15 / 136

Kein Drama beim Höcke-Duell

Dass Thüringens CDU-Chef Mario Voigt mit seinem AfD-Pendant Björn Höcke in ein TV-Duell ging, sorgte für Aufsehen und Protest. Heraus kam eine ganz normale Fernsehsendung,…/ mehr

Peter Grimm / 11.04.2024 / 12:45 / 50

Die Rundfahrt eines Polizeibekannten

Der Irrwitz deutscher Asylpolitik zeigt sich zuweilen auch in absurden Geschichten aus dem Polizeibericht. Bei zu vielen Asylbewerbern drückt sich das Verhältnis zur Gesellschaft im…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com