Thilo Schneider / 09.04.2021 / 14:00 / Foto: Imago / 57 / Seite ausdrucken

Testen, testen, testen! Mein täglich Näschen Covid

An diesem einen verhängnisvollen Vormittag stand ich mit Papierschweineschnäuzchen ganz brav mit halbem Tachoabstand in der Schlange vor der Kasse des Discounters, den Einkaufswagen voll mit Leckereien, für die mich jeder Grün-Wähler standrechtlich erschossen hätte. Und wie ich so da herumstand, fiel mein Blick auf ein buntes Päckchen aus Hang-Zu: Corona-Schnelltest, fünf Stück für geschenkte 25 Euro. Früher, in den alten Zeiten, hätte ich mir vielleicht noch einen Schokoriegel (oder zwei) in den Wagen gepackt, aber man muss ja mit der Zeit gehen und wer weiß, wann ich mal schnell einen Schnelltest brauchen würde? Also ab in den Wagen damit.

Zuhause packte der Schatz meine Einkäufe aus (das tut er immer, um zu sehen, ob ich ihm etwas Schönes mitgebracht habe) und stieß einen freudigen Quieker aus: „Du hast ja Schnelltests gekauft!“ Ja, sicherheitshalber, für alle Fälle. Nun sind der Schatz und ich von Natur aus sehr neugierige Menschen, und deshalb packten wir die Tests aus, um sie einfach mal auszuprobieren. Schnell hatten wir das kleine Biolabor aufgebaut und bohrten uns Wattestäbchen in die Nase. Also, jeder in seine, nicht gegenseitig. Man weiß ja beim Anderen nicht, wann man oben ist. Man muss die Stäbchen dreimal links oder rechts in jedem Nasenloch drehen, was etwas unangenehm ist. Daher waren wir beide froh, dass ein Mensch nur zwei Nasenlöcher hat. Dann tunkt man die Stäbchen mit dem Rotz in eine Flüssigkeit, die man schüttelt und von der man dann drei Tröpfchen auf einen Teststreifen geben muss. Wie beim Schwangerschaftstest. Mit etwas Pech zeigt der Teststreifen dann zwei kleine Linien, was bedeutet, dass man jetzt wenigstens 14 Tage Urlaub hat oder sterben muss. Oder beides. Aber man bekommt keine Kinder davon. Im Gegenteil, die bleiben dann eine Weile weg.

Erwartungsgemäß hatten der Schatz und ich nur eine kleine Linie, wir waren also sauber. Was auch gut war, weil heute ja der Installateur noch kommen wollte. Wir begrüßten ihn auch freudig mit der Verkündung, dass wir gesund seien, weil wir eben einen Schnelltest gemacht hätten. Er hatte seinen gestern Abend schon gemacht, und so behielten wir trotzdem unsere Mäskchen auf, man weiß ja nie…

Tägliche Testung – wegen der 14-Tage-Inkubationszeit

Am nächsten Morgen erwischte mich der Schatz, wie ich auf nüchternen Magen einen Schnelltest machte. „Was machst du da?“, wollte er wissen. „Trompete spielen“, gab ich ebenso unsachlich wie unfreundlich zurück. „Du hast doch erst gestern Mittag einen gemacht?“, stellte er fest, der Schatz. „Ja, aber…“, hub ich an zu erklären, „die Inkubationszeit des Virus beträgt 14 Tage. Ich weiß nicht, ob und wen ich vor 14 Tagen getroffen habe. Theoretisch könnte ich also das Virus haben, das just heute ausbricht. Ich will da kein Risiko eingehen!“ „Das ist Quatsch“, sagte der Schatz. „Welche Note hattest du gleich im Medizinexamen?“, fragte ich den Schatz, von dem ich wusste, dass er, wie ich, nicht einmal Abi hat. Der Schatz schenkte mir einen hübschen hasserfüllten Blick und trollte sich. Ich führte sorgsam meinen Nasenbohrtest durch und – siehe da – ich war sauber. Sehr beruhigend.

Selbstverständlich wiederholte ich den Test sicherheitshalber noch einmal abends, denn ich weiß ja auch nicht, wen ich vor 14 Tagen abends getroffen habe und natürlich auch am Morgen darauf. Das Ergebnis war immer gleich, aber das Wochenende nahte und die Schnelltests waren alle. Das war beunruhigend. Ich warf mir das Jackett über und holte mir im Discounter noch zwei Packungen, es wäre ärgerlich, ausgerechnet am Sonntag Corona zu haben und es nicht zu wissen. Da wäre der ganze Sonntag gelaufen. 

Seitdem hat sich viel verändert. Die Leckereien in meinen Einkaufswägen sind Schnelltestkilopackungen gewichen, ich teste mich einmal morgens und einmal abends und folge damit den Empfehlungen der Bundesregierung, möglichst viel zu testen. Die Teststreifen habe ich mittels Edding mit Datum und Uhrzeit beschriftet, um einen möglichst lückenlosen Gesundheitsverlauf nachvollziehen zu können. Außerdem habe ich mir eine Exceltabelle angelegt, wen ich wann und wo getroffen habe, um denjenigen verklagen zu können, falls sich irgendwann zwei Streifen auf dem Schnelltest blicken lassen. Man kann da nicht vorsichtig genug sein!

Nasenschleimhäute, geschwollener als eine Steinmeier-Rede

Sicher, meine Nasenschleimhäute sind heute, nach vier Wochen, geschwollener als eine Rede von Frank-Walter Steinmeier, der Schatz sieht mich morgens und abends mit Stäbchen in der Nase, was wahrscheinlich auch idiotisch aussieht und ich hoffe, er liebt mich trotzdem noch, andererseits meine ich: Hallo? Es geht um die Volksgesundheit, um Solidarität, ums Kurvenflachen, und andere lassen sich ja auch testen. Leider nicht von mir. Unser Besuch neulich hat sich geweigert, sich testen zu lassen, bevor wir in den Garten gehen und von den beiden Katzen will ich gar nicht erst reden. Aber ich bin auch langsam Profi und habe die Tests sogar in meinen Tagesablauf eingebaut. Wenn man sich mal dran gewöhnt hat, ist das gar nicht so schwer. Sicher, einmal hatte ich zwei Linien, aber ich habe dann gleich noch einen Test nachgeschoben. Der war dann wieder negativ, was ja positiv ist. Ich habe es dann so gemacht, dass ich den dritten Test quasi als „Testlein an der Waage“ genommen habe und der war dann auch negativ, also war ich mit 2:1 gesund und hatte die Shice nicht.

Mittlerweile verbringen wir die Abende im trauten Familienkreis mit einer Art Covid-Roulette. Der eine geht in den Supermarkt, der andere zum Arzt, der nächste fährt Bus und die Jüngste geht in die Schule. Wir testen dann alle gemeinsam auf „Drei“ und wer positiv ist, muss ins Gesundheitsamt gehen. Bisher waren wir aber alle negativ, was dann auch ziemliches Glück ist. Auch, wenn wir alle inzwischen dicke Nasen haben und das doch auf Dauer ganz schön ins Geld geht. Aber was tut man nicht alles für andere?

(Weitere Anregungen des Autors unter www.politticker.de)  

 

Von Thilo Schneider ist soeben in der Achgut-Edition erschienen: The Dark Side of the Mittelschicht, Achgut-Edition, 224 Seiten, 22 Euro.

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Christoph Kaiser / 09.04.2021

Wenn dann der “Sterilitätserzeuger” auf den Stäbchen nach mehrwöchiger Daueranwendung sein Werk in Euren Nieren bzw. Leber (oder sonstwo) verrichtet, kommt dann einfach ein anderer Test her…........ mal sehen, welches Leiden der anzeigt ;-) ........ und dann ab in Gates’ Privatklinik, wenn die bis dahin fertiggestellt ist und Ihr natürlich privatversichert seid!

Heiko Stadler / 09.04.2021

Ich bin doch nicht blöd und mache Corona-Schnelltests. Wenn der positiv ist, werde ich zwei Wochen lang eingesperrt. Ich mache jetzt jeden Tag einen Babytest. Der ist erstens billiger, 40 Tests gibt es für 27,97 Euro, und zweitens wird man beim positiven Testergebnis nicht eingesperrt, sondern bekommt neun Monate später Kindergeld. Immerhin beträgt die Positivwahrscheinlichkeit bei einem Mann etwa 5%, also 50% nach 10 Tests. Da haben sich die 27,97 Euro schnell amortisiert.

Gabriele H. Schulze / 09.04.2021

Bei manchen Zeitgenossen gar nicht mal so unwahrscheinlich, das Szenario. Ein neues Geschäftsmodell für die Guten tut sich auf: ATJ (Anonyme Testjunkies). Kommissionen, Expertenmeinungen, Beratungsstellen…the rubel is rolling.

Claudius Pappe / 09.04.2021

Sollte mich nicht wundern wenn bei der Beschaffung der Schnelltests nicht einiges an den klebrigen Fingern einiger Politiker was hängen bleibt…................nein, an einen gewissen Herrn XYZ denke ich da nicht, denn dann….........

A. Iehsenhain / 09.04.2021

“Nasenschleimhäute, geschwollener als eine Steinmeier-Rede” - Allein für dieses kleine Meisterstück gebührt Ihnen der Literaturnobelpreis, Herr Schneider! Ansonsten ist es faszinierend, was in diesen Zeiten als Quengelware angeboten wird. Corona als neuer, milliardenschwerer Wirtschaftszweig, vor allem mit seiner Test-Sparte - da fällt mir “Lackmus” ein, der Knastkumpel von Frank Morris aus “Flucht von Alcatraz”. Als der sich bei der Begegnung mit Neuling Charlie Marsh (aka “Charlie Arsch”) als Al Capone vorstellt und Marsh verwundert sagt: “Ich dachte, Du wärst tot!”, antwortet der Andere trocken: “Ich tot? Ich hab zuviel Geld, ich werd’ nie sterben!” Auch Ihr “Papierschweineschnäuzchen” finde ich bezaubernd. In der Politik gab es ja in der Vergangenheit bereits einen “Nasenschutz” (Marke “Braunauer Rotzbremse”). Das soll jetzt kein Vergleich sein - nur eine besorgte Assoziation!

Rolf Mainz / 09.04.2021

Im Ernst: was bringt solch ein Test, wenn man nicht akute, Covid-verdächtige Symptome zeigt? Nichts, gar nichts. Im nächsten Moment nach negativem Testergebnis (von Inkubationszeiten ganz abgesehen) kann man sich bereits angesteckt haben. Und dann wiegt man sich (und andere) sogar noch in falscher Sicherheit, denn man ist ja gerade erst negativ getestet… Massentests sind also lediglich ein weiteres Indiz der grundsätzlichen Hilf- und Konzeptlosigkeit von Politikern. “Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben” - und Europa ist zu spät gekommen, viel zu spät.

Jörg Themlitz / 09.04.2021

Völlig falsch! Ich habe gesehen, Hände als eine Art Dreieck über dem Kopf halten. Soll wohl helfen. Ist bei mir etwas schwierig, weil meine Hände ständig mit dem Aluhut kollidieren. Bei Anderen scheint es zu funktionieren. Sonst würden die damit doch nicht werben, oder? Und Ausnahmen wie diese, Günther Jauch, schließt die Regel ein.

Bernhard Büter / 09.04.2021

Der Schwachsinn des Merkelregimes ist nicht mal mehr mit Humor zu ertragen - gelacht haben im KZ und beim Zyklon- B einwerfen auch nur die Systemschweine. Die Stimmung im Merkelkabinett und in den Impfzentren soll ja ein einziges Gelächter sein. Humor der Dummen - nicht meiner!

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